Kommunen gestalten ihre Bildungslandschaften auf der Grundlage der Kooperation von Jugendhilfe und Schule

Ulrich Deinet, Judith Bossmann

1. Stand der Entwicklungen

Nach einer anfänglich eher institutionell geführten Diskussion um die Bildungslandschaften im Sinne einer besseren Kooperation und Vernetzung vorhandener Bildungsinstitutionen verweist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge auch auf Bereiche der informellen Bildung u. a. im öffentlichen Raum. Seine Empfehlungen von 2009 basieren auf der Grundlage eines breiten Bildungsbegriffs: „Bildung ist ein wesentlicher Faktor bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Städten, Landkreisen und Gemeinden.

Eine gut ausgebaute, konzeptionell aufeinander bezogene und verlässlich miteinander verknüpfte Bildungsinfrastruktur, die über die formalen Bildungsinstitutionen des Lernens hinaus (z.B. Kindertageseinrichtungen, Schule, Ausbildung, Universität etc.) auch die Familie, Cliquen, Jugendclubs, den Umgang mit neuen Medien, freiwilliges Engagement in Vereinen und Verbänden, Weiterbildungsangebote, Musikschulen, Bibliotheken, Jugendkunstschulen, Museen als Orte kultureller Bildung etc. einbezieht, kann zur gesellschaftlichen Teilhabe der Bürger/innen eines Gemeinwesens und zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen" (Deutscher Verein 2009, S. 1). Der Deutsche Verein verbreitert mit seinen Ausführungen die bisher formulierten Grundlagen der Entwicklung einer Bildungslandschaft in Richtung non-formaler und informeller Bildungsorte: „Denn Bildungsförderung kann nur dann für alle erfolgreich sein, wenn sie über die Schule hinaus den Blick auf die Vielfalt der non-formalen und informellen außerschulischen Bildungsorte öffnet und diese einbezieht" (a.a.O., S. 1).

Für die Konzipierung kommunaler bzw. regionaler Bildungslandschaften ergeben sich aus einem solchen breiten Bildungsverständnis Konsequenzen: Es geht um die Erweiterung des Verständnisses einer Bildungslandschaft über die alleinige Verknüpfung von Institutionen hinaus, in Richtung der Einbeziehung informeller Bildungsprozesse an Bildungsorten im öffentlichen Raum, in non-formalen Settings etc. Verbunden mit der Erweiterung sind jedoch Probleme bei der Konzipierung einer Bildungslandschaft in einer Kommune oder in einem Kreis, beispielsweise die planerische und konzeptionelle Frage, wie die Orte der informellen Bildung überhaupt einbezogen werden und wie sie entwickelt und geplant werden können.

Hintergrund für die Vorstellung und den Vergleich der kommunalen Bildungslandschaften in Hilden und Gevelsberg bilden unter anderem die Erkenntnisse einzelner Modellprojekte, Landes- und Bundesprogramme, die sich mit der Entwicklung von Bildungslandschaften befassen: Neben dem Bundesprogramm „Lernen vor Ort": Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist vor allem die Auswertung des Deutschen Jugendinstituts: „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Jugendhilfe und Schule" als Grundlage der Einschätzung in Hilden und Gevelsberg als Grundlage genutzt worden.
In Nordrhein-Westfalen fördert das Schulministerium sogenannte „regionale Bildungsnetzwerke" und „regionale Bildungsbüros", die im Schulbereich (bei Schulverwaltungsämtern in kreisfreien Städten und Kreisen) angesiedelt werden.

2. Kommunale Bildungslandschaften in Hilden und Gevelsberg

Auf der Grundlage dieser beiden in Nordrhein-Westfalen außergewöhnlichen Projekte der Entwicklung einer Bildungslandschaft auf kommunaler Ebene, die aus der Initiative des jeweiligen Jugendamtes entstanden, sollen nun einige Entwicklungslinien, Bausteinen und Empfehlungen für die Gestaltung einer Bildungslandschaft auf kommunaler Ebene beschrieben werden, in der die Jugendhilfe der zentrale Motor der Entwicklung ist.

Innerhalb einer solchen Entwicklung spielen insbesondere die Bereiche der Kinder- und Jugendförderung (§ 11-14 SGB VIII), aber auch weitere Bereiche der Jugendhilfe wie die Hilfen zur Erziehung eine große Rolle. Des Weiteren steht die Frage der Verbindung zwischen Kinder- und Jugendförderplänen und dem kommunalen Bildungsdiskurs über kommunale Bildungslandschaften im Fokus. Im Unterschied zu einer eher schulisch orientierten Entwicklung von Bildungslandschaften, wie im Projekt der regionalen Bildungsnetzwerke, sehen die örtlichen Protagonisten in Gevelsberg und Hilden die große Chance der Entwicklung kommunaler Bildungslandschaften unter starker Einbeziehung der Jugendhilfe darin, dass ein ganzheitlicher Blick sowie eine sozialräumliche Sichtweise auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eingenommen werden kann und zwar in einem breiten Spektrum zwischen formeller Bildung, informeller Bildung und non-formaler Bildung sowie einer großen Vielfalt sehr unterschiedlicher kommunaler Lern- und Bildungsorte, auch außerhalb von Schule (also auch: informelle Orte wie Spielplätze usw.). Man geht davon aus, dass es des gesamten Spektrums der Jugendhilfe, insbesondere der Jugendförderung, bedarf, um eine kommunale Bildungslandschaft auf den Weg zu bringen. Die Kommune bildet dabei die entscheidende Klammer, in der die beiden Ämter Jugendamt und Schulverwaltungsamt eine wesentliche Rolle spielen.

In Gevelsberg und auch in Hilden sind diesbezüglich wichtige Voraussetzungen geschaffen worden, insbesondere in der Zusammenführung von Schulverwaltung und Jugendamt in gemeinsame Fachbereiche.

Im Gegensatz zu den regionalen Bildungsbüros, die entweder kreisweit oder in einer kreisfreien Stadt, also in einem größeren sozialräumlichen Gebiet agieren, steht in Gevelsberg und in Hilden die Lokalität von Bildungsprozessen im Vordergrund. Der jeweilige kommunale Rahmen bietet somit die Plattform für die Entwicklung.

2.1 Beschreibung der Entwicklungen in Gevelsberg und Hilden

Die beiden Städte Gevelsberg mit ca. 34.000 Einwohnern in Westfalen sowie Hilden mit ca. 57.000 Einwohnern im Rheinland bieten unterschiedliche Voraussetzungen, d.h. vergleichbare, aber auch differente Bedingungen für die Entwicklung einer kommunalen Bildungslandschaft.

Die Stadt Gevelsberg mit gut 34.000 Einwohnern hat sich auf den Weg gemacht, die Entwicklung einer Bildungslandschaft zu initiieren und die Forschungsstelle FSPE der Fachhochschule Düsseldorf mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragt.

Die Initiative der Stadt Gevelsberg kommt aus dem Jugendamt und will die gleichberechtigte Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule zum Motor der Entwicklung einer Bildungslandschaft machen. Im Januar 2010 wurde mit der Eröffnungsveranstaltung das Gevelsberger Projekt begonnen, dieses bezog sich auf folgende Elemente und Bausteine:

Bausteine des Gevelsberger Projektes

Über eine Bestandsaufnahme wurden zunächst alle Bildungsanbieter, Bildungsorte und -räume in Gevelsberg in den Blick genommen (von den Schulen über die Einrichtungen der Jugendhilfe, Angebote im Gesundheitsbereich etc. bis hin zu Spielplätzen und öffentlichen Räumen für Jugendliche). Da in Gevelsberg eine solche Gesamtübersicht nicht existierte, konnte man an den Ergebnissen bereits Schwachstellen und Handlungsbedarfe ablesen.

Zentrale Workshops sollten die wichtigsten Themen der Bildungslandschaft in Gevelsberg beleuchten und z.B. zum Thema ‚Ganztag' alle Anbieter und Stakeholder zusammenbringen, Stärken und Schwächen analysieren sowie die Grundlagen für Handlungsempfehlungen legen. Durchgeführt wurden zwei zentrale Workshops zu den Themen ‚Ganztag' und ‚Jugendliche im öffentlichen Raum'.

Eine Gemeinsame Fortbildung sollte Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule zu dem gemeinsamen Thema der Elternarbeit mit dem Titel ‚Erziehungspartnerschaft mit Eltern entwickeln - eine Herausforderung für Jugendhilfe und Schule' weiterbilden. Im Gegensatz zu den zentralen Workshops, die für die Steuerung der Bildungsprozesse Grundlagen liefern sollten, ging es bei der gemeinsamen Fortbildung zusätzlich darum, dass sich die Fachkräfte begegnen, die in einem Stadtteil bzw. in der Stadt Gevelsberg gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen an unterschiedlichen Bildungsorten arbeiten. Damit sollte auch die Praxis der üblichen Fortbildungen in den getrennten Bereichen von Jugendhilfe und Schule überwunden werden.

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen: An mehreren Schulstandorten sowie an informellen Orten im öffentlichen Raum wie Spielplätzen wurden Kinder und Jugendliche vom Forschungsteam der Forschungsstelle zu ihrer schulischen aber auch Freizeitsituation, ihrer Einschätzung der Bildungseinrichtungen und öffentlichen Räumen etc. befragt. Über die Befragungen hinaus wurden aktivierende Methoden wie die Nadelmethode (das Sichtbarmachen interessanter Orte auf Stadtkarten) sowie Cliquenraster etc. eingesetzt.

Steuerungsgruppe: Zur Steuerung des gesamten Prozesses wurde eine paritätisch, aus Schule und Jugendhilfe besetzte Steuerungsgruppe ins Leben gerufen, der auch Vertreter größerer Bildungsanbieter wie VHS oder AWO angehören. Dem Prozesscharakter des Gesamtprojektes folgend beschließt die Steuerungsgruppe die Gestaltung der einzelnen Veranstaltungen, interpretiert die Ergebnisse z. B. von Befragungen und formuliert daraus Empfehlungen.

Das Konzept der prozesshaften Gestaltung des Projektes besteht darin, dass nach Ende der wissenschaftlichen Begleitung eine Struktur entstanden sein sollte, die danach ohne große Probleme weitergeführt werden kann.

2.1.1 Einbezug der Eltern in die Gevelsberger Bildungslandschaft

Innerhalb der Gevelsberger Bildungslandschaft sollen Eltern als Partner von Schule und Jugendhilfe in den Prozess der Entwicklung einer Bildungslandschaft einbezogen werden. Daher war geplant, dass Elternvertreter als Mitglieder der Steuerungsgruppe in den Aufbau der Bildungslandschaft einbezogen werden. Allerdings nahm leider kein eingeladenes Elternteil an den Treffen der Steuerungsgruppe teil.

Durch die Durchführung eines Gevelsberger Elternforums mit dem Titel „Wir wollen Ihre Meinung hören!", wurden Eltern zu bildungsrelevanten Themen informiert und gemeinsam Lösungsvorschläge für problematische Themen formuliert. Die zweistündige Veranstaltung wurde als eine Art Themencafé angelegt. Zusammen mit Expertinnen und Experten hatten Eltern in diesem Rahmen die Möglichkeit in Kleingruppen zu den vier Themengebieten Wünsche, Anregungen und Kritik zu äußern:

Abgerundet wurde die entspannt gestaltete Arbeitsatmosphäre durch den Einstieg mit einem Film über ein Theaterstück zu dem Thema „Problematik Eltern und Kinder" sowie durch das Angebot von Fingerfood. Um möglichst vielen Eltern die Teilnahme am Elternforum zu ermöglichen, wurde parallel eine Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt.

Der Einladung zum Gevelsberger Elternforum sind zahlreiche Eltern gefolgt, die Veranstaltung wurde, gemessen an Erfahrungen von anderen Elternveranstaltungen in Gevelsberg, von der Steuerungsgruppe als erfolgreich angesehen.

2.1.2 Die Rolle der Jugendhilfe innerhalb der Gevelsberger Bildungslandschaft

Die Initiative der Stadt Gevelsberg eine Bildungslandschaft aufzubauen kam aus dem Jugendamt. Ziel des Jugendamtes war es eine gleichberechtigte Kooperationsstruktur zwischen Jugendhilfe und Schule aufzubauen. Daher fand sich schon im Vorfeld eine paritätisch aus Jugendhilfe und Schule besetzte Vorbereitungsgruppe zusammen, in der Grundlagen sowie Kernziele und angestrebte Wirkungen des Projektes „Gevelsberg ... Auf dem Weg zur Bildungslandschaft" formuliert wurden. Ziel war es, das gesamte Projekt von Beginn an – also auch schon vor der Formulierung der Grundlagen und der ersten Einladungen – auf eine gemeinsame Basis von Jugendhilfe und Schule zu setzen. Auch die daraus entstanden Steuerungsgruppe setzte sich paritätisch aus Schule und Jugendhilfe zusammen. Um die gemeinsamen Ziele zu festigen, das heißt u.a. auch Probleme in der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe zu lokalisieren, wurden dazu Befragungen sowohl in Schulen als auch in Einrichtungen der Jugendhilfe zu folgenden Themen durchgeführt:

Des Weiteren wurden zwei Workshops initiiert, in denen VertreterInnen aus Schule und Jugendhilfe gemeinsam für Gevelsberg relevante Themen beleuchteten: In einem dieser zentralen Workshops zum Thema „Ganztag" arbeiteten Vertreter aus Schule und Jugendhilfe gemeinsam Einschätzungen zu Schwachstellen, Problemlagen, Herausforderungen beim Ganztag und konkrete Zielvorgaben und Vorschläge für die Steuerungsgruppe aus. Zu einem weiteren Workshop zum Thema „Jugendliche im öffentlichen Raum" kamen ebenfalls VertreterInnen aus Jugendhilfe und Schule zusammen, um die Situation in Gevelsberg zu beleuchten und gemeinsam Handlungsperspektiven herauszuarbeiten, welche Grundlagen für die Entwicklung von Empfehlungen an die Politik sein sollten. Ebenso wurde eine ExpertInnengruppe aus Jugendlichen einbezogen.

2.1.3 Das Bildungsnetzwerk in Hilden

Als Motor und Impulsgeber des Hildener Bildungsnetzwerkes, hat die neu geschaffene Stelle eines kommunalen Bildungsplaners eine dynamische und prozesssteuernde Rolle. Seine Aufgaben umfassen die Entwicklung von Leitzielen und Handlungsempfehlungen, die Feststellung, Definition und Einbindung bildungsrelevanter Themen in einen strukturierten Arbeitsansatz, Schnittstellenmanagement sowie Evaluation und Berichterstattung an die politischen Ausschüsse der Stadt Hilden.

Der Beirat des Bildungsnetzwerkes Hilden ist zusammengesetzt aus Jugendhilfe und Schule sowie Vertretern aus Wissenschaft, Kultur, Jugendparlament, Fachberatung Landesjugendamt sowie Elternvertreter, Migrantenvertreter, Kirchenvertreter und politische Vertreter. Der Beirat begleitet, berät und unterstützt den Netzwerkprozess aus einer Metaebene heraus, um die Verbindung aus der Innenansicht des Bildungsnetzwerkes mit den Erfordernissen des Hildener Gemeinwesens und des regionalen Umfeldes zu erzielen. Der Beirat des Hildener Bildungsnetzwerkes trifft sich zweimal jährlich über zunächst zwei Jahre.

2.1.4 Die Module des Hildener Bildungsnetzwerkes

Aufbau einer Kommunikationsplattform Bildung in Hilden: Durch den Internetauftritt des Bildungsnetzwerk Hilden wurde öffentliche Transparenz sowie ein dynamischer Überblick über die Hildener Bildungslandschaft ermöglicht. Die Installation des vielfältig zusammengesetzten Beirats ist ebenfalls diesem Modul zuzuordnen.

Aufbau eines Bildungsmonitorings für Hilden: Der erste Bildungsbericht 2010 stellt für Hilden die Vorlage und Bewertung des Einstiegs in ein umfassendes Bildungsmonitoring dar. Geplant ist die Fortsetzung des Monitorings durch u.a. Prüfung und Ergänzung von Indikatoren.

Optimierung des Übergangs Schule Beruf: Innerhalb dieses Übergangs- und Schnittstellenmoduls wurde zunächst zum Zwecke der Synchronisierung und Abstimmung unter den handelnden Akteuren eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe installiert. Im zweiten Schritt ergab sich aus dieser Konstellation eine Clearingrunde, die das Ziel verfolgt, einzelfallorientiert die Kooperation zu verbessern.

Optimierung des Übergangs Kita Grundschule: Die Erarbeitung einer Bildungsvereinbarung, denen alle Hildener Grundschulen und alle 25 Kindertagesstätten in Hilden zustimmten, ist bis jetzt das zentrale Ergebnis dieses Moduls. Ein ‚Produkt' dieser Bildungsvereinbarung ist die Dokumentationsbroschüre „Auf in die Schule", in der zu vier Bildungsbereichen Grundinformationen zu den einzuschulenden Kindern dokumentiert werden und die den Grundschulen als Gesprächsgrundlage für das Einschulungsverfahren dient.

Entwicklung einer sozialräumlichen Bildungspartnerschaft Süd/ Entwicklung eines Konzeptes „Bewegte Bildung": Der Kooperationsprozess im Stadtteil bewegte sich in der Vergangenheit insbesondere entlang der bereits bestehenden Strukturen der Stadtteilarbeit. Die Kooperation erhielt allerdings durch den Abschluss einer Bildungspartnerschaft, die den Rahmen der Zusammenarbeit bis ins Jahr 2013 fixierte, einen formellen Rahmen. Als zentrales Thema der Bildungspartnerschaft wurden die Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung gewählt. Die Kooperation zwischen einem Jugendtreff und einer benachbarten Grundschule und der damit verbundenen Vernetzung der Angebotsstrukturen stellt das praktische und besonders interessante Element der Vereinbarung dar.

Entwicklung einer sozialräumlichen Bildungspartnerschaft Mitte: Auch in diesem Modul arbeiten Jugendarbeit und Schule durch eine Bildungspartnerschaft zusammen. Hier wurde insofern eine Kooperationsstruktur geschaffen als das sich der städtische Schulkomplex mit Realschule und Gymnasium sich im Zuge des Aufbaus eines gebundenen Ganztages ab Klasse 5 mit der Abteilung Jugendförderung vernetzte. Ein begleitendes Ergebnis in der Arbeit des Bildungsnetzwerkes stellte der Einsatz eines Schulsozialarbeiters für beide Schule dar.

Entwicklung eines Bildungsportfolios Außerschulische Bildung: Ein Bildungsportfolio mit der Beschreibung der Angebote, mit ihren Wirkungen, Zielgruppenvoraussetzungen sowie notwendige Zeit- und Ressourcenvoraussetzungen von ca. 80 unterschiedlichen außerschulischen Bildungsangeboten ist bereits entstanden.

Aufbau eines finanzbasierten Bildungsfonds: Um von Armut bedrohten Hildener Familien den Zugang zu Bildungsangeboten, wie Jugendreisen oder die Kosten für einen Sportverein und weiteren außerschulischen Bildungsangeboten, zu ermöglichen, wurde der Aufbau eines finanzbasierten Fördersystems initiiert. Durch die Bereitstellung einer Einlage von 10.000 Euro über eine Stiftung wurde ein Einstieg in eine Förderung bereits ermöglicht.

Entwicklung eines Konzeptes „Besondere Begabungen": Um Kinder und Jugendliche, die im Entwicklungsstand in einem oder mehreren Bereichen den Gleichaltrigen deutlich voraus sind, zu identifizieren, unterstützen und zu fördern wurde mit der psychologischen Beratungsstelle der Stadt Hilden ein Handlungskonzept entwickelt.

2.1.5 Einbeziehung der Eltern in das Hildener Bildungsnetzwerk

Innerhalb der Hildener Bildungslandschaft werden Eltern an unterschiedlichen Stellen einbezogen. Zum einen nehmen vier Elternvertreter neben Vertretern aus Politik, Schule etc. am Bildungsbeirat, dem Steuerungsgremium der Bildungslandschaft, teil. Der Bildungsbeirat ist nicht der zentrale Taktgeber des Bildungsnetzwerkes, sondern hat die Funktion der Reflexion und Diskussion des bereits Geschehenen, ist aber auch Impulsgeber für neue Module innerhalb der Bildungslandschaft. Das Gremium besteht aus 25 bis 30 TeilnehmerInnen. Zwei der ElternvertreterInnen sind Vorsitzende der ElternschulvertreterInnen. Einer dieser Elternvertreter ist Mitglied des Elternrates der Kindertagesstätten, welcher ebenfalls im Zuge der Bildungslandschaft neu gegründet wurde.

Weiterhin wird versucht, die Eltern projektorientiert an bestimmten Modulen zu beteiligen, z.B. im Modul „Übergang Kita Grundschule" oder durch eine Elternbefragung über Wünsche und Bedarfe in den Kindertagesstätten.

2.1.6 Einbeziehung der Offenen Jugendarbeit in das Hildener Bildungsnetzwerk

Seit Beginn der Offenen Ganztagsschule hat die offene Jugendarbeit nicht nur in Hilden mit sinkenden Teilnehmerzahlen zu kämpfen. Diese Tendenz geht in einigen Städten bis hin zu Problemen bezüglich der Existenzrechtfertigung von Jugendzentren etc. Die Jugendförderung in Hilden, welche einem Amt für Jugend, Schule und Sport angegliedert ist, hat versucht den neuen Prozess durch OGS etc. von Anfang an mitzugestalten und sozialpädagogische Inhalte in Schule zu transportieren. Somit bestehen in Hilden mittlerweile drei Bildungspartnerschaften zwischen Jugendarbeit und Schule:

Zum einen wurde eine Bildungspartnerschaft Süd vereinbart, in der die Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung u.a. in den Fokus der Zusammenarbeit einer Grundschule und eines Jugendtreffs gesetzt werden. Sozialpädagogisches Know-How wird somit durch die MitarbeiterInnen des Jugendtreffs in den schulischen Kontext eingebracht und aus Elementen der Freizeit- und Erlebnispädagogik werden Angebote gestaltet, z.B. innerhalb des regulären Sportunterrichts an der Schule aber auch in den Räumlichkeiten des Jugendtreffs. Erwachsen ist diese Bildungsvereinbarung und der Themenschwerpunkt aus einer bereits im Vorfeld existierenden Aktivitätsstruktur und bestehenden Kooperationen. Durch die konkrete Bildungsvereinbarung, hat das Sportbüro der Stadt Hilden, welches in das Amt für Jugend, Schule und Sport eingegliedert ist, nun die Möglichkeit koordinierend die unterschiedlichen Akteure aufeinander abzustimmen.

Zum anderen wurde die Bildungspartnerschaft Mitte ins Leben gerufen. Ein Mitarbeiter der Jugendförderung mit einer Zusatzqualifikation zum Gewalt- und Eskalationstrainer ist mit einer halben Stelle an einer Realschule beschäftigt. Der Sozialpädagoge arbeitet zusammen mit den Lehrern zunächst in der fünften Klasse und von da aus immer weiter fortführend ganz konkrete Angebotspaletten aus. Damit eine Vernetzung geschieht und nicht nur der Schule als klassischen Bildungsort zugearbeitet wird, werden die Angebote nicht nur in der Schule umgesetzt, sondern ebenfalls in den Räumlichkeiten des kooperierenden Jugendtreffs. Somit soll erreicht werden, dass die außerschulischen Bildungsträger in den Fokus geraten und sich Schule und Jugendarbeit vernetzen. Innerhalb dieser Bildungspartnerschaft besteht allerdings, im Gegensatz zur Bildungspartnerschaft Süd, die Schwierigkeit die Jugendlichen dauerhaft an den Jugendtreff zu binden, weil die Kinder der fünften Klassen nicht der Zielgruppe des Jugendzentrums „Jueck" entsprechen. Der Altersdurchschnitt der BesucherInnen liegt eher bei 14 Jahren und aufwärts. Je länger die Kooperation besteht, wird sich dies jedoch hoffentlich perspektivisch verändern. Zusätzlich wird für den Schulkomplex aus Realschule und Gymnasium ein Schulsozialarbeiter eingesetzt sowie wurde eine Steuerungsgruppe aus Mitgliedern aus Jugendhilfe und Schule installiert.

Des Weiteren existiert als sogenanntes Pilotprojekt die Bildungspartnerschaft Nord, die allerdings aus einem anderen Themenzusammenhang erwachsen ist. Im Norden der Stadt Hilden ist eine sehr hohe Kriminalitätsrate von Jugendlichen zu vermerken. Um diese Problematik kümmerte sich explizit ein Gremium, u.a. aus Jugendgerichtshilfe und Jugendförderung. Am Ende dieses intensiven, erfolgreichen Prozesses stand die Erkenntnis, dass eine strukturelle, präventive und dauerhafte Herangehensweise an diese Problematik entwickelt und umgesetzt werden muss. Daraus erwuchs schließlich der Einstieg in das Projekt Bildungspartnerschaft Nord. Ähnlich wie im Projekt Bildungspartnerschaft Mitte ist Mitarbeiterin aus der Jugendförderung mit einer halben Stelle an der im Norden der Stadt ansässigen Theodor Heuss-Hauptschule beschäftig. Vorteilhaft für Kooperationsstrukturen ist, dass der Jugendtreff Area unmittelbar am Schulgelände liegt. Die Situation der Hauptschule, von der nicht klar ist, wie lange und ob sie in Zukunft noch bestehen wird, hat negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit innerhalb der Bildungspartnerschaft. Jedoch ergibt sich aus dieser Situation die Idee der Verbundschule, die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule. Die Projekte Bildungspartnerschaft Nord und Mitte könnten so an einem Standort zusammengeführt und intensiviert werden.

2.2 Einordnung der Entwicklungen in Gevelsberg und Hilden

In der Auswertung des Projektes des Deutschen Jugendinstituts „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe" beklagen die Autoren unter anderem, dass in den untersuchten lokalen Bildungslandschaften gerade die hier skizzierte Perspektive von informeller und non-formaler Bildung nicht ausreichend thematisiert wird, so „...muss aus Sicht der ForscherInnen die Vernachlässigung der Subjekt- und Aneignungsperspektive als wichtigstes Desiderat der Gestaltung lokaler Bildungslandschaften benannt werden. Dies steht in scharfem Kontrast zur institutions- und regionsübergreifend konsensuellen Benennung der Leitperspektive eines „ganzheitlichen" Lern- und Bildungsverständnisses. Untermauert wird dieser – gemessen an den vor Ort und im Diskurs deklarierten Zielperspektiven kritisch zu sehende – Befund durch die Tatsache, dass es in den Modellregionen bislang nicht zur verlässlichen und erwartbaren Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei allen sie unmittelbar betreffenden Angelegenheiten kommt" (Bradna u.a. 2010, S. 7).

Die Anerkennung von Möglichkeiten eines ganzheitlichen Lernens in einem lokalen Rahmen mit seinen unterschiedlichen Orten und Protagonisten scheint in den vom DJI untersuchten lokalen Bildungslandschaften keine große Rolle zu spielen: „Ungeachtet der damit verbundenen Betonung der Bedeutung von „Selbstbildung" und (ko-) konstruktivistischer Lerntheorie, schlägt sich diese Gestaltungsdimension nur wenig in den organisationalen Aktivitätsstrukturen nieder; dies gilt ganz speziell auch im Hinblick auf die Leitlinie einer konsequenten, erwartbar und verlässlich gestalteten Implementierung beteiligungsorientierter Planungsverfahren" (a.a.O., S. 10).

Für die Analyse und Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften erscheinen die von den Autoren des Deutschen Jugendinstituts (a.a.O.) formulierten Ebenen besonders interessant:

Vergleicht man die Entwicklungen in Gevelsberg und Hilden mit den Dimensionen und Ebenen lokaler Bildungslandschaften, so wie sie im Abschlussbericht des DJI-Forschungsprojektes „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Ganztagsschule und Jugendhilfe" formuliert worden sind, so ergeben sich folgende Einschätzungen:

2.2.1 Planungsdimension (Politik u. Verwaltung):

Bildungsplanung und -berichterstattung, Stadtentwicklungspolitik (a.a.O.).

In Gevelsberg und Hilden wurde bereits vor der Entwicklung einer kommunalen Bildungslandschaft ein wichtiger verwaltungsinterner Schritt mit der Integration von Jugendamt und Schulverwaltungsamt geleistet. Bildungsplanung und Bildungsberichterstattung müssen, zumindest in Gevelsberg, jedoch noch entwickelt werden, wobei dies in bestimmten Bereichen nur in enger Kooperation mit dem Kreis geschehen kann. Hier besteht auf jeden Fall noch Entwicklungsbedarf, weil die Entwicklung einer Bildungslandschaft auch im Sinne einer Steuerung und Entwicklung einer sehr guten Bildungsinfrastruktur nicht ohne Planungsgrundlagen auskommt, die vor allen Dingen in einer Bildungsberichterstattung und anderen Planungsinstrumenten zu sehen sind. Das Amt für Jugend, Schule und Sport der Stadt Hilden hat bereits einen Bildungsbericht des Jahres 2010 herausgebracht.

Die von Stolz im DJI-Bericht auf dieser Planungsdimension geforderte Integration der Stadtentwicklungspolitik hat in Gevelsberg und Hilden bereits Fortschritte gemacht. Hier bedarf es jedoch noch einer vertiefenden Integration. Ansätze für ein Zusammenwirken von Bildungs- und Stadtentwicklungspolitik sind allerdings bereits vorhanden.

2.2.2 Zivilgesellschaftliche Dimension (Freie Träger, Stiftungen...):

Schaffung eines öffentlich verantworteten Bildungsnetzwerkes bei Einräumung starker Mitspracherechte für die involvierten nicht-staatlichen Akteure" (a.a.O.).

Insbesondere die paritätisch und unter starker Mitarbeit der freien Träger besetzte Steuerungsgruppe bzw. besetzten Fachgruppen hat in Gevelsberg und Hilden eine neue Kultur der Kooperation geschaffen, die als zivilgesellschaftliche Dimension der Schaffung eines öffentlich verantworteten Bildungsnetzwerkes bei Einräumung starker Mitspracherechte für die Involvierten nicht staatlichen Bildungsanbieter zu sehen ist. Auch die Einbeziehung von Fachleuten außerhalb der Verwaltung in die zentralen Workshops und die enge Kooperation mit großen und kleinen freien Trägern zeigt, wie weit diese Dimension in Gevelsberg und Hilden schon fortgeschritten ist. Die so entwickelten Strukturen in der Steuerungsgruppe, aber auch in einzelnen Veranstaltungen haben in Gevelsberg und Hilden schon jetzt erste Fortschritte in der Kooperation gebracht und müssen nach der Probephase weiterentwickelt werden.

2.2.3 „Aneignungsdimension (Kinder, Jugendliche, Eltern):

Gestaltung anregender Lern- und Lebensumgebungen, die auch ein Lernen außerhalb pädagogisch angeleiteter Angebots- und Unterrichtsformen erlauben" (a.a.O.).

Dadurch, dass die Gevelsberger Bildungslandschaft und das Hildener Bildungsnetzwerk auf Initiative der Jugendhilfe entwickelt wurde und die Jugendarbeit dabei auch eine wichtige Rolle spielt, kommt es nicht zu der von Stolz und anderen kritisierten Engführung der Bildungslandschaft auf die Institution Schule und ihre Lernformen. Die Gestaltung anregender Lern- und Lebensumgebungen ist z.B. in der Entwicklung der Gevelsberg Bildungslandschaft etwa durch eine breite Befragung von Kindern und Jugendlichen einbezogen worden, aber auch durch den breiten Ansatz auch außerschulische Bildungsorte von Kindern und Jugendlichen in den Blick zu nehmen, etwa in dem Workshop zum Thema „Jugendliche im öffentlichen Raum". Im Rahmen eines Elternforums, wurden die bildungsrelevanten Themen der Gevelsberger Eltern in den Fokus genommen.

In Hilden ist die Einbeziehung der Eltern nicht nur über einen neu gebildeten Stadtelternrat schon weit fortgeschritten. Beispielsweise wurde innerhalb des Moduls „Bildungspartnerschaft Süd – Bewegte Bildung" der Ausbau der Arbeit mit und von Eltern (Multiplikatorenkonzept) als ein Ziel gesetzt.

2.2.4 Professionsdimension (Fachkräfte, Leitungsebenen):

Fortbildung von Leitungs- u. Fachkräften, die zwischen den beteiligten Institutionen (Schule, Kinder- Jugendhilfe, Vereine) abgestimmt ist" (a.a.O.).

Der Fokus Fachkräfte und Leitungsebenen wurde in Gevelsberg und Hilden in der Entwicklungsphase der Bildungslandschaft ebenfalls bereits aktiv bearbeitet, etwa durch Veranstaltungen wie die gemeinsame Fortbildung für Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule in Gevelsberg, aber auch durch die Einbeziehung der Leitungsebenen in die Steuerungsgruppe bzw. in die Bearbeitung von Ergebnissen etc. In Hilden werden Fachkräfte und Leitungsebenen sowohl in den Beirat eingebunden als auch durch einzelne multidisziplinäre Arbeitsgruppen, wie z.B. innerhalb des Moduls „Übergang Kindertagesstätte Schule".

Vor dem Hintergrund des Vergleiches der Gevelsberger und Hildener Entwicklungen mit dem bedeutenden Forschungsprojekt zu lokalen Bildungslandschaften des Deutschen Jugendinstitutes kann man also aus Sicht der Begleitforschung sowohl in Gevelsberg als auch in Hilden schon wichtige Ansätze der Entwicklung einer kommunalen Bildungslandschaft erkennen. Diese müssen jedoch unbedingt weiterentwickelt werden, sonst können sie nicht ausgebaut und genutzt werden, vielmehr bestünde die Gefahr, dass diese Ansätze nach relativ kurzer Zeit wieder ungenutzt verpuffen.

3. Ausblick

In der weiteren Entwicklung der kommunalen Bildungslandschaften in Hilden und Gevelsberg wird es darum gehen, die Bausteine und Elemente weiter zu entwickeln und in einer wissenschaftlichen Begleitung so zu identifizieren und zu verallgemeinern, dass diese auch für andere nutzbar sind. Dazu gehören etwa die Rolle zentraler Veranstaltungen (wie Auftaktveranstaltung etc., Workshops, gemeinsamer Fortbildungen, Entwicklung und Funktion von Bildungsvereinbarungen für einzelne Stadtteile etc.). Einzubeziehen dabei wäre der Blick der unterschiedliche Akteursgruppen wie Kinder, Jugendliche, Eltern, Sozialpädagogen, Lehrer/innen etc.

Besonders interessant scheint die Frage, welche Vor- und Nachteile die Entwicklung der lokalen Bildungslandschaften in kleinen bzw. mittleren Städten haben: Die Vorteile scheinen in der Übersichtlichkeit und der handhabbaren Zahl von Schulen und Einrichtungen zu liegen, Nachteile ergeben sich auf Grund des kleinen Wirkungsbereiches dieser Städte, d. h. insbesondere Schulen im Sek. I- und Sek. II-Bereich haben wesentlich größere Einzugsbereiche als die jeweilige Stadt, und diese Schulen sind deshalb nur zum Teil Bestandteile der jeweiligen kommunalen Bildungslandschaften. Es stellt sich auch die Frage der Kooperation zwischen kreisangehörigen Städten mit den jeweiligen Landkreisen. Insbesondere bei den Fragen von Bildungsmonitoring etc. erscheint nicht nur die Grenze der Zuständigkeit dieser kleinen bzw. mittleren Kommunen erreicht; es stellt sich die Frage, ob sie nicht als Träger eines Bildungsmonitorings zu klein sind und dies eher die Aufgabe einer ganzen Region wäre (vgl. dazu die Initiative des Ruhrverbandes).

Interessant ist die Frage der Integration von Jugendhilfeplanung und Schulentwicklungsplanung insbesondere deshalb, weil in Gevelsberg und Hilden, aber auch in zahlreichen anderen kleinen und mittleren Städten Jugendamt und Schulverwaltungsamt inzwischen in einem neuen Fachbereich oder Amt zusammengelegt worden sind (vgl. Deinet/Icking 2006). Daraus ergeben sich Synergieeffekte, da es sich hier nicht mehr um einzelne Ämter handelt, die wie in Großstädten als getrennte Systeme auftreten. Das Verwaltungshandeln könnte entsprechend vereinfacht werden. Auch hier müsste man durch vergleichende Studien und Untersuchungen genauer hinschauen.

Die überschaubare Zahl der Stakeholder und Multiplikator/innen im Bereich von Jugendhilfe und Schule macht es notwendig, im Bereich der Entwicklung von Bildungslandschaften von kleineren und mittleren Kommunen auch überschaubare Veranstaltungsformate zu entwickeln bzw. Gremien zu schaffen, die sich mit unterschiedliche Themen und Bereichen beschäftigen und nicht (wie in einer Großstadt oder in einem Landkreis) speziell zu einzelnen Themen der Bildungslandschaft initiiert werden.

Die Frage ist, ob es im Bereich von kleineren und mittleren Kommunen tatsächlich gelingen kann, die Ressourcen fressenden Entwicklungen von Parallelstrukturen tendenziell zu verhindern und – im Sinne des DJI-Gutachtens – zu einer veränderten politischen Kultur im Rahmen der Entwicklung lokaler Bildungslandschaften zu kommen. Während Großstädte schon lange ihre Rolle als Schulträger, z. B. im Sinne einer erweiterten Schulträgerschaft erkannt haben (vgl. dazu die Entwicklung der RAAs in Großstädten in NRW) haben sich kleinere und mittlere Städte oft bisher nur um die äußeren Schulangelegenheiten gekümmert.

Die Beispiele Hilden und Gevelsberg zeigen nun, das auch im Rahmen dieser Kommunen eine erweiterte Schulträgerschaft und eine Kommunalisierung von Schule angestrebt wird, die auf Grund der überschaubaren Rahmenbedingungen eher erreicht werden könnte.
Speziell für NRW ergeben sich aber auch zahlreiche Probleme, die mit den Parallelstrukturen zu tun haben, etwa die Rolle und Funktion der unteren Schulaufsicht (die in NRW für Grund-Haupt- und Förderschulen auf Kreis- bzw. Ebene einer kreisfreien Stadt zuständig sind), wenn sich einzelne Kommunen in einem größeren Kreisgebiet so wie Hilden und Gevelsberg auf den Weg machen, ihre kommunale Bildungsinfrastruktur selbst zu gestalten.

Disparitäten, Friktionen und Entscheidungsprobleme wie die Probleme der Ressourcenverteilung scheinen in diesem Zusammenhang kaum lösbare Probleme einer disparaten Entwicklung der Bildungslandschaft in einem Kreisgebiet zu sein, die kaum zu steuern ist. Dabei spielen auch die kommunalen Kinder- und Jugendförderpläne eine nicht unbedeutende Rolle, weil sie die Jugendhilfe als Partner der Schule neu aufstellen und besonders die Bereiche von Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendschutz sowie der kulturellen Jugendarbeit in eine neue Einheit der Kinder- und Jugendförderung zusammenfassen und als eigenständigen Partner von Schule etablieren neben den Hilfen zur Erziehung, die auf Grund ihrer pflichtmäßigen gesetzlichen Verankerung schon immer einen anderen Stellenwert hatte.

So ergeben sich ausgehend von den Beispielen Hilden und Gevelsberg zahlreiche interessante Fragestellungen für einen Blick auf kommunale/lokale Bildungslandschaften in kleineren und mittleren Städten.

Literatur

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Zitiervorschlag

Deinet, Ulrich und Judith Bossmann (2011): Kommunen gestalten ihre Bildungslandschaften auf der Grundlage der Kooperation von Jugendhilfe und Schule. In: sozialraum.de (3) Ausgabe 1/2011. URL: https://www.sozialraum.de/kommunen-gestalten-ihre-bildungslandschaften.php, Datum des Zugriffs: 20.04.2024