Von der schulzentrierten zur sozialräumlichen Bildungslandschaft

Ulrich Deinet

Einbeziehung informeller und öffentlicher Bildungsräume

2007 wurde im Rahmen eines Kongresses eine Aachener Erklärung veröffentlicht, die als Leitbild für kommunales Engagement in der Bildung den Begriff der Bildungslandschaft prägt (Deutscher Städtetag 2007). In dieser Erklärung werden eine Reihe von Merkmalen und Begründungen kommunaler/lokaler Bildungslandschaften genannt. Zum einen geht es um die Überwindung der Trennung von Bildung, Betreuung und Erziehung. Auch der Jugendhilfe und hier vor allem den Tageseinrichtungen im vorschulischen Bereich wird ein klarer Bildungsauftrag zugemessen (vgl. auch BMFSFJ 2005). Ein weiterer Aspekt der Diskussion bezieht sich auf den Bildungsbegriff: Bildung gehe über die Schule hinaus. Diese Ausfassung steht im Zusammenhang mit einem z.B. vom Bundesjugendkuratorium formulierten erweiterten Bildungsbegriff. Danach wird neben formeller (schulischer) ebenfalls die nicht-formelle Bildung einbezogen, worunter „jede Form organisierter Bildung und Erziehung zu verstehen ist, die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat" (Bundesjugendkuratorium 2001).

Nach einer anfänglich eher institutionell geführten Diskussion um die Bildungslandschaften im Sinne einer besseren Kooperation und Vernetzung vorhandener Bildungsinstitutionen verweist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge auch auf Bereiche der informellen Bildung u.a. im öffentlichen Raum. Seine Empfehlungen von 2009 basieren auf der Grundlage eines breiten Bildungsbegriffs: „Bildung ist ein wesentlicher Faktor bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Städten, Landkreisen und Gemeinden. Eine gut ausgebaute, konzeptionell aufeinander bezogene und verlässlich miteinander verknüpfte Bildungsinfrastruktur, die über die formalen Bildungsinstitutionen des Lernens hinaus (z.B. Kindertageseinrichtungen, Schule, Ausbildung, Universität etc.) auch die Familie, Cliquen, Jugendclubs, den Umgang mit neuen Medien, freiwilliges Engagement in Vereinen und Verbänden, Weiterbildungsangebote, Musikschulen, Bibliotheken, Jugendkunstschulen, Museen als Orte kultureller Bildung etc. einbezieht, kann zur gesellschaftlichen Teilhabe der Bürger/innen eines Gemeinwesens und zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen" (Deutscher Verein 2009, S. 1). Der Deutsche Verein verbreitert mit seinen Ausführungen die bisher formulierten Grundlagen der Entwicklung einer Bildungslandschaft in Richtung non-formaler und informeller Bildungsorte: „Denn Bildungsförderung kann nur dann für alle erfolgreich sein, wenn sie über die Schule hinaus den Blick auf die Vielfalt der non-formalen und informellen außerschulischen Bildungsorte öffnet und diese einbezieht" (Deutscher Verein 2009, S. 1).

Mit der Bezugnahme auf informelle Bildungsorte kommt auch der öffentliche Raum in den Blick: Kinder und Jugendliche lernen und bilden sich also nicht nur in Institutionen oder in der Schule, sondern insbesondere auch in ihren jeweiligen Lebenswelten, Nahräumen, Dörfern, Stadtteilen und nicht zuletzt auch im öffentlichen Raum. Diese Orte der informellen Bildung prägen die intentionalen Bildungsprozesse wesentlich mit. Die Entwicklung sozialer Kompetenz im Umgang mit fremden Bezugspersonen in neuen Situationen, die Erweiterung des Handlungsraumes - und damit des Verhaltensrepertoires - fördern dabei die Fähigkeit für den Erwerb von Sprachkenntnissen und folglich auch Bildungsabschlüssen. In Bezug zu den entstehenden Bildungslandschaften, die sich zunächst sehr stark an den Institutionen der formellen Bildung wie Schule, Musikschule etc. ausrichten, stellt sich die Frage, ob und in welcher Form die Bereiche der informellen Bildung und damit auch der öffentliche Raum Bestandteile einer Bildungslandschaft darstellen können. Der Jugendarbeit könnte dabei an der Schnittstelle zur informellen Bildung und den öffentlichen Räumen der Jugendlichen eine besondere Rolle zukommen.

In die nähere Betrachtung gerät damit auch die alltägliche Lebensumwelt von Kindern und Jugendlichen, deren Bedeutung in der ökologischen Sozialisationsforschung (vgl.: Bronfenbrenner 1989) schon in den 70er und 80er Jahren betont wurde. Aber auch die neuere Bildungsforschung versucht, alltägliche Lebenswelten und ihre Bildungswirkungen zu fassen, so spricht etwa Thomas Rauschenbach von der „Alltagsbildung" (Rauschenbach 2009), die als aktive Erschließung der Welt verstanden werden kann und sich insbesondere auf informelle Bildungsprozesse bezieht.

Den sozialökologischen Ansätzen folgend beschreibt Wolfgang Zacharias schon 1983 die Lebenswelt als Lernumwelt in einem zeiträumlichen Raster:

Schaubild Pädagogische Aktion

(Schaubild: Pädagogische Aktion, 1984, S. 25)

Zacharias unterscheidet in seiner Skizze einer subjektiven Bildungslandschaft pädagogisch veranstaltete Situationen und Milieus von natürlichen, funktionellen Situationen. Die Skizze zeigt eine bunte Mischung institutioneller Bildungsorte und - so wie man heute sagen würde - Orte der non-formalen und der informellen Bildung.

Aus heutiger Sicht könnte man die Skizze auch als eine Beschreibung einer subjektiven Bildungslandschaft verstehen, die ausgesprochen anregungsreiche, variable Bildungsorte und -räume im direkten Umfeld eines Kindes oder Jugendlichen bietet. Von der Eisdiele als Treffpunkt einer Clique über den Saxophonkurs in der Volkshochschule bis hin zur Spielaktion zeigt die Skizze ein breites Bild sehr unterschiedlicher Settings, in denen Bildung stattfinden kann.

Zwischen dieser Skizze und einem  ergibt sich eine direkte Parallele.

Schaubild aus dem 12. Kinder- und Jugendbericht zu unterschiedlichen Bildungsprozessen und Settings

(Schaubild: BMFSFJ 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, 2005, S. 130)

In einem breiten Spektrum zwischen formellen und informellen Bildungsprozessen sowie formalen und nonformalen Settings zeigt diese Skizze die Gleichrangigkeit unterschiedlicher Bildungsprozesse an unterschiedlichen Orten. Auch hier gibt es einen deutlichen Hinweis auf informelle Bildungsprozesse in nonformalen Settings, etwa die Aktivitäten im Jugendzentrum oder die in der Clique.

Für die Konzipierung kommunaler bzw. regionaler Bildungslandschaften ergeben sich aus einem solchen breiten Bildungsverständnis Konsequenzen für die Konzipierung von Bildungslandschaften: Es geht um die Erweiterung des Verständnisses einer Bildungslandschaft über die alleinige Verknüpfung von Institutionen hinaus, in Richtung der Einbeziehung informeller Bildungsprozesse an Bildungsorten im öffentlichen Raum, in nonformalen Settings etc. Verbunden mit der Erweiterung sind jedoch Probleme bei der Konzipierung einer Bildungslandschaft in einer Kommune oder in einem Kreis: Z.B. die planerische und konzeptionelle Frage, wie die Orte der informellen Bildung überhaupt einbezogen werden und wie sie entwickelt und geplant werden können.

Dass dies in der Praxis nur schwer umsetzbar sein wird, ergibt sich aus der Tatsache, dass informelle Bildung nicht planbar ist und sich insofern einer Bildungsplanung weitgehend entzieht. Es entsteht ein Paradoxon in der Weise, dass einerseits die Bedeutung informeller Bildungsprozesse und deren Orte gesehen und diese in die Konzipierung von Bildungslandschaften einbezogen werden sollten. Andererseits können im Rahmen der Entwicklung und Konzipierung einer Bildungslandschaft solche Orte eigentlich nicht wirklich durchgeplant und strukturiert werden, da dann keine informelle Bildung mehr stattfinden kann!

Die Einbeziehung informeller Bildungsorte und die Anerkennung informeller Bildungsprozesse, - besonders im öffentlichen Raum - , in die Entwicklung einer Bildungslandschaft könnte bedeuten, neben der Vernetzung und Kooperation der Bildungsinstitutionen vielfältige Gelegenheiten (Settings, s.u.) für informelle Bildungsprozesse zu schaffen. Der Deutsche Verein bezieht in diesem Zusammenhang auch Aspekte der Stadtplanung mit ein und spricht von einer breiten Nutzung des kommunalen Raums: „Kommunale Bildungslandschaften sind nicht dazu da, den Alltag von Kindern und Jugendlichen curricular zu verplanen. Sie finden ihren gültigen Ausdruck vielmehr in einer umfassenden Nutzung und Gestaltung des kommunalen Raums als einer vielfältig vernetzten, anregenden Lern- und Lebensumgebung - auch für das ungeplante, in Alltagsvollzüge eingebundene informelle Lernen" (Deutscher Verein 2009, S. 16).

Dynamischer Raumbegriff und die Bedeutung des öffentlichen Raums

Die Grundlagen für die Einbeziehung informeller Bildungsprozesse und damit auch deren Orte in die entstehenden Bildungslandschaften sind damit gelegt. Wie kann aber die Dynamik solcher Prozesse und wechselnder Orte in ein Konzept einer „Landschaft" einbezogen werden, das doch eher statisch wirkt?

Die Heterogenität der Bildungsorte passt nicht zu dem weit verbreiteten statischen Verständnis einer Bildungslandschaft, so wie sie von Reutlinger kritisiert wird (Reutlinger 2009). Er beklagt nicht nur die „unkritisch-harmonische Tradition" des verwendeten Begriffs der Landschaft in diesem Zusammenhang, mit der häufig Harmonie, Schönheit und Ganzheit verbunden wird. Entscheidend sind seine raumtheoretischen Einwände gegen die Bildungslandschaftsdiskussion. Ein zentraler Begriff ist hier der Bildungsort. Die Kinder und Jugendlichen bewegen sich zwischen Orten, die in erster Linie geografisch verstanden werden. Hier werden sie in zeitlichen Abfolgen beschult, beraten, betreut oder erzogen. Im Konzept der Bildungslandschaften sollen die Orte systematisch zusammengeführt werden. In dieser Diskussion wird ausgeblendet, dass es nicht nur territorial unterschiedliche Bildungsorte gibt, sondern dass diese in einem hierarchischen Sinne auch unterschiedlich positioniert sein können. So steht die Schule als Bildungsort immer noch im Zentrum, während die außerschulischen Bildungsorte auf eine Zulieferfunktion reduziert werden können. Reutlinger folgend baut die Verkürzung des Bildungsorts auf einen territorial definierten Raum auf einem banalen Raumverständnis auf. Räume werden als Behälter oder Container verstanden, die mehr oder weniger geschlossen sind. Notwendig ist dagegen ein flexibles Verständnis von Räumen als sich „ständig (re)produzierte Gewebe sozialer Praktiken" (Reutlinger 2009), d.h. ein Raum, der sozial konstruiert wird. Mit diesem Raumverständnis gerät, - bezogen auf die Bildungsorte in den Bildungslandschaften - , die unterschiedliche Raumqualität in den Blick. Welche Ressourcen beinhalten sie, wie viel Handlungsoptionen sind möglich?

Die Kritik Reutlingers am Begriff der Bildungslandschaften und die zumindest konzeptionelle Berücksichtigung von Lernwelten, die als Erweiterung des Begriffs des Bildungsortes verstanden werden können, geben Anlass, auch solche Bildungsräume in den Blick zu nehmen, die weniger funktionale Bildungsorte sondern vielmehr „Ermöglichungsräume" (Reutlinger) für Bildung sind. So wie in der Skizze von Wolfgang Zacharias aus den 80er Jahren auch informelle Orte in der anregenden Lern- und Lebensumgebung eines Kindes nachgezeichnet wurden, sollten auch kommunale Bildungslandschaften ungeplante und in Alltagsvollzüge eingebundene informelle Lernprozesse in den Blick nehmen, die weit über die Bildungsinstitutionen hinausgehen. Auch wenn der Deutsche Verein noch keine konkreten Vorschläge macht, wie die Einbeziehung solcher Orte und Bereiche aussehen kann, deuten die Empfehlungen doch sehr stark auf eine Ausweitung des Spektrums der in einer Bildungslandschaft handelnden Akteure hin: „Kommunale Bildungslandschaften sind daher immer auch Landschaften im konkret räumlichen Sinne und von daher Teil einer integrierten Raumentwicklungsplanung. Zumindest perspektivisch sind daher beispielsweise auch Akteure im Bereich der Wohnungswirtschaft, aber eben auch aus den bereits genannten weiteren für Bildung wichtigen kommunalen Bereichen einzubinden. Auch für diese Gestaltungsperspektiven gibt es bereits erste Ansätze gelingender Praxis" (Deutscher Verein 2009, S. 15).

Für die Beantwortung der Frage, wie besonders die für Kinder und Jugendliche als Bildungsorte bedeutsamen Bereiche des öffentlichen Raums in die Bildungslandschaften einbezogen werden können, sind Ansätze der Raumsoziologie hilfreich. Einen interessanten Beitrag zur Interpretation und Gestaltung des öffentlichen Raums leistet die moderne Raumsoziologie - insbesondere der von Martina Löw entwickelte dynamische Raumbegriff, der die vielfach tradierte Trennung von Subjekt und Raum überwindet: „Meine These ist, dass nur, wenn nicht länger zwei verschiedene Realitäten - auf der einen Seite der Raum, auf der anderen die sozialen Güter, Menschen und ihr Handeln - unterstellt werden, sondern stattdessen Raum aus der Struktur der Menschen und sozialen Güter heraus abgeleitet wird, nur dann können die Veränderungen der Raumphänomene erfasst werden" (Löw 2001, S. 264). Räume entstehen danach durch die Interaktion von Menschen und können für diese unterschiedlich gestaltet sein. Insofern geht Löw davon aus, „dass an einem bestimmten Ort (als eindeutig bestimmbare sozialgeografische Lokalisierung, eine bestimmte Stelle unserer Erdoberfläche) unterschiedliche Räume entstehen können, je nach dem, welche Bedeutungen, Veränderungen Menschen den Orten verleihen. Raum ist eine relationale (An-)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten" (Löw 2001, S. 271).

Damit ist die Grundlage für ein breites Verständnis des öffentlichen Raums gelegt, das sich auch auf Bildungslandschaften beziehen lässt. Der dynamische Raumbegriff von Martina Löw ist gut geeignet, unterschiedliche Qualitäten von Räumen für verschiedene Zielgruppen zu beschreiben und die rein funktionalistische Definition von Räumen zu überwinden. Dabei ist es notwendig zu wissen, wie Kinder und Jugendliche den öffentlichen Raum nutzen, wie dabei verschiedene Raumqualitäten entstehen und mit welchen Interventionen und Elementen Aneignungsprozesse unterstützt werden können. Mit dem Konzept der Raumaneignung (Deinet 2005) und der Operationalisierung des Aneignungsbegriffs lassen sich im öffentlichen Raum unterschiedliche Raumqualitäten aus Sicht von Kindern und Jugendlichen interpretieren (vgl. Deinet 2005).

Auch virtuelle Räume spielen für Jugendliche heute eine besondere Rolle und sind teilweise als Bestandteil des öffentlichen Raumes zu interpretieren. Insbesondere Chatrooms und soziale Netzwerkportale wie z.B. „schülerVZ" werden von Jugendlichen intensiv genutzt und bieten Kommunikationsmöglichkeiten, die vergleichbar sind mit denen an gegenständlichen Orten und in Räumen in ihrer Umwelt. So stellt etwa die Studie von Wagner (Wagner 2008) zum Medienverhalten von Jugendlichen deutlich heraus, wie aktiv Jugendliche virtuelle Räume nutzen und welche Aneignungsmöglichkeiten damit verbunden sind. Einen weitergehenden Aspekt in der Nutzung virtueller und gegenständlicher Räume durch Jugendliche stellt die Dimension der „Verknüpfung von Räumen" (Löw 2001) und der damit intendierten Verbindung von virtueller und direkter face to face-Kommunikation dar. Wagner bezeichnet virtuelle Welten, auch im Sinne eines ständigen Wechsels der Kommunikationsräume, als Dorfplätze. Mit diesem Begriff bezieht sie sich insbesondere auf die vielfältigen Möglichkeiten, sich in virtuellen Welten zu vernetzen: „Die Befragten treten in Kommunikation miteinander, vereinbaren gemeinsame Aktivitäten, die dann sowohl online, als auch offline realisiert werden. In den quantitativen Ergebnissen wird deutlich, dass diese kommunikativen Tätigkeiten viel Raum im Gebrauch multifunktionaler Medien einnehmen" (Wagner 2008, S. 209).

Auf der Grundlage eines dynamischen Raumbegriffes müssen Bildungslandschaften deshalb weiter gefasst werden und können sich nicht nur auf die Vernetzung von Bildungsinstitutionen beziehen. Die Einbeziehung weiterer Bildungsorte - insbesondere im öffentlichen Raum - und die Orte der informellen Bildung machen eine interdisziplinäre Sichtweise erforderlich, in der z.B. die Stadtplanung viel stärker ins Spiel kommt. Die Planung von Spielräumen, Spielplätzen, öffentlichen Räumen bis hin zur Umnutzung und Zwischennutzung von Räumen kann die Grundlage für die Entwicklung einer Bildungslandschaft sein, die vielgestaltig ist, vielfältige Settings unterscheidet und die Förderung formeller, non-formaler und informeller Bildungsprozesse zum Ziel hat.

Settings für informelle Bildungsprozesse schaffen

Die Paradoxie der Unplanbarkeit informeller Bildungsprozesse ist nicht aufzuheben. Aber mit dem Begriff des Settings bzw. der Schaffung von bildungsfördernden Settings kann eine Brücke zur Konzipierung von Bildungslandschaften insofern gebaut werden, indem günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die informelle Bildungsprozesse fördern und möglich machen. Der Settingansatz kommt aus der Gesundheitsförderung und beschreibt Strategien, wie die Lebenswelten von Menschen so gestaltet werden können, dass sie gesundheitsfördernd wirken. „Der Setting-Ansatz ermöglicht es zudem, Individuen und umweltbezogene Maßnahmen (z. B. Freiräume in städtischen Wohngebieten oder Schulhofgestaltung) miteinander zu verbinden" (Altgeld 2004, S. 27). Die alltägliche Lebensumwelt, die sich subjektiv als Lebenswelt gestaltet, wird in diesem Ansatz als zentrale Rahmenbedingung für die Entwicklung der Menschen begriffen und damit auch für die Gesundheitsförderung: „Der Setting-Ansatz stellt eine Kernstrategie zur Umsetzung der Gesundheitsförderung dar. Ihr liegt die Idee zugrunde, dass Gesundheit kein abstraktes Ziel ist sondern im Alltag hergestellt und aufrecht erhalten wird. Gesundheitsförderung muss in diesem Lebensalltag ansetzen. Die Fokussierung auf definierte Sozialräume, sei es das Quartier, der Betrieb, die Schule oder das Krankenhaus, ermöglicht es, die Zielgruppen und Akteure genauer zu bestimmen, adäquate Zugangswege zu definieren und die vorhandenen Ressourcen zu nutzen" (Altgeld, ebd.).

Mit Hilfe des Setting-Ansatzes können im Rahmen der Konzipierung einer Bildungslandschaft sowohl Bildungsprozesse als auch Orte in den Blick kommen, die jenseits der institutionalisierten Bildungsbereiche informelle und non-formelle Bildung zulassen. Der Settingansatz sieht es vor, öffentliche Räume (z.B. Spielplätze) so zu gestalten, dass sie Rahmenbedingungen für informelle Bildungsprozesse möglich machen. Damit gerät auch der öffentliche Raum in den Blick der Bildungslandschaften mit der Frage, wie diese konzipiert werden können.

Unter dem Titel: „Jugendliche in öffentlichen Räumen der Stadt" (2003) befassen sich Herlyn, von Seggern, Heinzelmann, Karow in einem von der Wüstenrot Stiftung geförderten Forschungsprojekt mit der Situation Jugendlicher im öffentlichen Raum und den Konsequenzen für die Stadtentwicklung. Die vom Deutschen Verein intendierte Kooperation mit weiteren Partnern sowie der Bezug zu einer integrierten Raumentwicklungsplanung lässt eine Verbindung herstellen zu einer Typisierung öffentlicher Stadträume, so wie sie in dieser Studie formuliert werden.

Die von den Autoren vorgeschlagene Typisierung des öffentlichen Raums würde - bezogen auf die Konzipierung von Bildungslandschaften - dazu führen, dass auch Aspekte der Stadtentwicklung und Stadtplanung sowie vorhandene Planungsbereiche, wie etwa die Spielplatzplanung in die Entwicklung der Bildungslandschaften einbezogen werden sollten. Vor dem Hintergrund eines Verständnisses öffentlicher Räume als möglicher Bereiche informeller Bildung würde es darum gehen, diese entsprechend auszustatten und Rahmenbedingungen für vielfältige Bildungsprozesse zu schaffen.

Raumtyp 1: Räume im Wohnumfeld. Hier werden alle jene Örtlichkeiten subsumiert, die sich im unmittelbaren Wohnumfeld befinden; (z.B. hausnahe Spielplätze, kleinere Grünräume, Straßenräume u.a. mehr). Zum einen sind die potenziellen Nutzer/innen mit diesen Räumen vertraut - zum anderen sind sie untereinander nicht ganz fremd, was relativ starke soziale Kontrolle mit einschließt" (Wüstenrot Stiftung 2003, S. 22).

Die Einbeziehung dieses Raumtyps in eine Bildungslandschaft würde eine intensive Spielraumplanung erfordern, die insbesondere versucht, die hausnahen Spielplätze anregungsorientiert auszustatten, aber auch Jugendlichen hausnahe Treffmöglichkeiten zu bieten und die Umgebungen von Wohnanlagen entsprechend zu gestalten.

Raumtyp 2: Grünbestimmte Freiräume. Größere Parkanalagen, weiträumige verbindende Grünräume (oft an Flüssen oder Gewässern gelegen) bieten Gelegenheit für raumgreifende Aktivitäten Jugendlicher. Diese Freiräume - insbesondere die innerstädtischen Parkanlagen - sind traditionell stark an den ästhetischen Vorstellungen Erwachsener ausgerichtet" (ebd.).

Bei diesem Raumtyp könnte es darum gehen, eine möglichst breite Nutzung unterschiedlicher Zielgruppen zu erreichen, so dass vielfältige Kommunikations- und damit auch Bildungsmöglichkeiten entstehen. Anstöße dazu geben Ansätze der Parkbetreuung sowie Versuche, Freiräume so zu gestalten, dass sie z.B. Mädchen kommunikative Möglichkeiten bieten anstatt immer nur männlich dominierte Sportaktivitäten zu fördern. In diesem Bereich gibt es zahlreiche Anregungen und Ansätze, die in die Bildungslandschaften einbezogen werden könnten.

Raumtyp 3: Infrastruktureinrichtungen für Jugendliche. In den Infrastruktureinrichtungen (z.B. Jugendzentren mit zugehörigen Freizeiträumen), die speziell für die Zielgruppen von Jugendlichen vorgesehen sind, bestehen zumeist Angebote und Betreuungen im Rahmen sozialpädagogischer Konzepte" (ebd.).

Der Raumtyp 3 als infrastrukturelle Einrichtungen für Jugendliche hebt die Bedeutung von Jugendeinrichtungen hervor, die eine Verbindung zwischen institutionellen Bildungseinrichtungen und dem öffentlichen Raum darstellen können (s.u.).

Raumtyp 4: (Fußgänger)straßen. In der Regel ist eine starke Frequentierung vorhanden, weil sie eine lineare Verbindungsfunktion haben. Die Straßenräume sind ähnlich wie die zentralen Plätze hochgradig verregelt.

Raumtyp 5: Zentrale Stadtplätze. Als Mittelpunkte mit Kreuzungsfunktion kann es hier zu besonders starken Durchdringungen der Lebenssphären von Erwachsenen und Jugendlichen kommen. An den Rändern befinden sich in der Regel konsumorientierte Angebote wie Geschäfte, Discotheken, Restaurants oder Cafés" (ebd.).

Die Gestaltung von Fußgängerstraßen sowie die Gestaltung zentraler Stadtplätze ist sicher ein Stadtentwicklungsthema, das über die Anliegen der Konzipierung einer Bildungslandschaft hinausgeht und auch infrastrukturelle Aspekte sowie Fragen der Mobilität berührt. Dennoch sollten auch die bildungsorientierten Aspekte dieser Orte in die Konzipierung der Bildungslandschaften einbezogen werden, stellen doch zentrale Stadtplätze auch zentrale Treffpunkte dar, die oft von unterschiedlichen Gruppen genutzt werden können. Auch der insbesondere für Jugendliche interessante Übergang zwischen öffentlichen Räumen und Konsumräumen, etwa im Bereich der Shoppingmalls, muss hier thematisiert werden.

Raumtyp 6: Brachen. Orte die auf Zeit einer offiziellen gesellschaftlichen Nutzung entzogen sind und deshalb prinzipiell die kontrollärmsten öffentlichen Stadträume darstellen. Sie befinden sich zumeist in Privateigentum (Gewerbe, Militär, Bahn, Baulücken) und weisen in der Regel deutliche Spuren ihrer früheren Funktion auf" (Wüstenrot-Stiftung 2003, S. 23).

Dieser Raumtyp birgt den Hinweis auf Flächen, die ungenutzt sind und die möglicherweise auch im Rahmen der Entwicklung von Bildungslandschaften neu genutzt werden könnten. Ein besonders positives Beispiel hierzu bietet das Konzept der Mehrfachnutzung der Stadt Wien, bei der es darum geht, gemeindliche Flächen, Brachflächen oder zur Bebauung anstehende Flächen zwischenzeitlich zu nutzen und einer entsprechenden Funktion zuzuführen.

Die hier zitierten Autoren legen mit ihren Studien und Begriffen eine Grundlage für ein breites Verständnis unterschiedlicher Bereiche des öffentlichen Raumes vor, das auch eine interessante Grundlage für deren Interpretation sein kann. Zusammen mit dem Aneignungskonzept können so sehr unterschiedliche Qualitäten öffentlicher Orte und Räume aus Sicht verschiedener Zielgruppen beschrieben werden. Dies schafft eine große Bandbreite für die Interpretation sehr unterschiedlicher Nutzungsweisen und Erfahrungsmöglichkeiten des öffentlichen Raumes.

Neben der Gestaltung von Flächen und der Stadtentwicklungs- sowie Grünplanung gibt es - wie skizziert - auch aktive Möglichkeiten der Gestaltung des öffentlichen Raumes im Sinne der Schaffung von Bildungsorten.

Jugendarbeit schafft Bildungsorte im öffentlichen Raum

Die Jugendarbeit ist durch ihre institutionellen Rahmenbedingungen - insbesondere durch das Prinzip der Offenheit und der konkreten Gestaltung der Einrichtungen mit ihren Offenen Bereichen - für Jugendliche ein wesentlicher Teil des öffentlichen Raumes. Viele Einrichtungen arbeiten institutionsübergreifend im öffentlichen Raum, etwa durch die Unterstützung von Cliquen in Parks etc. oder den Aufbau von Treffmöglichkeiten im öffentlichen Raum (s. u.).

Eine sozialräumliche Jugendarbeit versteht subjektive Bildungsprozesse insbesondere als sozialräumliche Aneignungsprozesse, die eingelagert sind in den gesellschaftlichen Räumen bzw. den Räumen, die sich Kinder und Jugendliche schaffen. Diese stehen oft im Gegensatz zu den offiziell institutionalisierten Bildungsräumen und -orten, so wie sie derzeit in der Diskussion um die lokalen Bildungslandschaften vorrangig diskutiert werden. Der Beitrag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit kann auf der Grundlage des Aneignungskonzeptes darin bestehen, Bildungsorte und -räume mehrdimensional zu denken und für die Diskussion von lokalen/regionalen oder kommunalen Bildungslandschaften nutzbar zu machen. Das „wilde Lernen" (Böhnisch 2002), die aneignungstheoretisch besonders wichtige Funktion der Veränderung von Situationen und Räumen kann so sichtbar gemacht und in die Diskussion eingebracht werden. Für die Diskussion um kommunale/regionale/lokale Bildungslandschaften geht es deshalb auch darum, den öffentlichen Raum mit einzubeziehen, weil dieser als Aneignungs- und Bildungsraum zu verstehen ist. Stadtentwicklung und Stadtplanung als Hauptgestalter/innen dieses Raumes sind deshalb in diese Diskussion zu integrieren.

Mit dem Begriff der Raumaneignung wird eine Programmatik sozialpädagogischen Handelns verbunden in Form von Projekten und Aktionen, die Kinder und Jugendliche in neue Handlungssituationen und Räume bringen, um sie sicherer im Umgang mit fremden Menschen und für sie neuen Räumen zu machen. Erlebnispädagogische Projekte bieten dazu ein geeignetes Medium. Die Förderung sozialräumlicher Aneignung bezieht sich aber nicht nur auf die Möglichkeiten der Freizeitpädagogik, Jugendarbeit und Erlebnispädagogik im engeren Sinne ihrer eigenen Räume und Angebote, sondern auch auf die Chance einer sozialräumlich-, aneignungs- und bildungsorientierten Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die sich für die Revitalisierung öffentlicher Räume und die Schaffung jugendkultureller Räume einsetzt. Eine solche Mandatsfunktion kann besonders die Kinder- und Jugendarbeit dann übernehmen, wenn sie sich nicht nur an Besucher/innen und Mitgliedern orientiert, sondern an den Kindern und Jugendlichen eines Sozialraums insgesamt.

So kann die Kinder- und Jugendarbeit durch Schaffung von Settings für unterschiedliche Gelegenheiten und Räume im öffentlichen Raum z.B. Treffmöglichkeiten schaffen und Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Szenen und Cliquen herstellen. Besonders die Mobile Jugendarbeit im öffentlichen Raum kann dabei Aneignungs- und Bildungsmöglichkeiten auf sehr unterschiedlichen Ebenen ermöglichen. Hierbei geht es etwa um die Beteiligung der Jugendlichen bei der Suche nach geeigneten Plätzen für die Errichtung von überdachten Treffs im öffentlichen Raum, sowie deren konkrete Gestaltung und Nutzung durch unterschiedliche Gruppierungen (Deinet u.a. 2009).

Das folgende Beispiel zeigt ein solches Setting. Hierbei geht es in erster Linie um die Beteiligung der Jugendlichen bei der Suche nach geeigneten Plätzen für die Errichtung von überdachten Treffs im öffentlichen Raum (vgl.: Deinet u.a. 2009).
In dem städteübergreifenden Großprojekt „Betreten Erlaubt" wurde in zwei Evaluationsrunden insbesondere die Beteiligung der Jugendlichen untersucht. Zusätzlich standen die Chancen und Probleme der Intervention der Fachkräfte im Fokus, die zwischen Stadtverwaltungen, Politik, Ordnungsämtern, Polizei, Anwohnern und den betroffenen Jugendlichen agieren müssen. In den untersuchten Projekten konnten Aneignungs- und Bildungsmöglichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen beschrieben werden:

In den eher an der praktischen Umsetzung orientierten Projekten fanden Aneignungsprozesse durch physische Arbeiten am Ort und die Auseinandersetzung um praktische und gestalterische Aspekte statt. Hierbei standen motorische, gegenständliche und gestalterische Aneignungsformen im Vordergrund. In den vorrangig planungsorientierten Projekten fanden Aneignungsprozesse insbesondere in Zusammenhang mit der Auswahl der möglichen Projektstandorte statt. Über einen intensiven Diskurs, Visualisierungen und Präsentationen der eigenen Ideen konkretisierten die Jugendlichen ihre Vorstellungen von einem eigenen Jugendtreff und konnten so die Entscheidungen der Öffentlichkeit beeinflussen und nachvollziehen.

Aneignungsprozesse waren häufig auf der sprachlichen und kognitiven Ebene zu beobachten, also besonders im Bereich der Aneignung sozialer und kultureller Kompetenzen. Dies reicht bis hin zum Bereich der politischen Bildung, in dem Jugendliche nachhaltige Erfahrungen auch im politischen Bereich machen und sich damit wichtige Kompetenzen aneignen. In einem der Projektstandorte zeigten die Jugendlichen, angeregt durch das Projekt, verstärktes Interesse am kommunalen Geschehen und fingen an, Berichte in der Tageszeitung zu lesen. Stark auf konkrete Gestaltung bezogene Projekte entwickelten sich weniger stark als Beteiligungsprojekte, sondern hatten mehr den Charakter eines pädagogischen Angebots. Dies erschließt ebenfalls Aneignungsmöglichkeiten, macht aber keine weiterführenden Beteiligungserfahrungen möglich.

Umkämpfte öffentliche Räume der Bildungslandschaft und gesellschaftliche Teilhabe

Die im Rahmen des Projektes „Betreten erlaubt" untersuchten Konflikte zwischen Jugendlichen und Erwachsenen oder rivalisierenden Gruppen deuten auch auf Tendenzen hin, die weit über die alleinige Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum hinausgehen und eine grundsätzliche Veränderung, insbesondere in der Stadtentwicklung anzeigen. In vielen deutschen Großstädten lassen sich einander ähnliche Prozesse beobachten, die u.a. auf die zunehmende Privatisierung öffentlicher Räume, die nach rein ökonomischen Gesichtspunkten geführte Stadtplanung und die damit verbundene Verdrängung bestimmter Gruppen zurück geführt werden können. So kritisiert z.B. in der TAZ vom 18.12.2009 Nils Boeing unter dem Titel „Recht auf Stadt" die neoliberale Stadtentwicklung in Hamburg, auch mit Bezügen auf die Entwicklung in anderen Großstädten. Neoliberale Stadtentwicklung wird u.a. als die Herbeiführung von Prozessen der Gentrifizierung beschrieben, die grundsätzliche Veränderungen in der Stadtentwicklung herbeiführen. Die damit verbundene Verdrängung von Bewohnern ganzer Stadtviertel, die Kommerzialisierung im Städtewettbewerb gerät zunehmend ins Visier von Gruppierungen, die von diesen Entwicklungen negativ betroffen werden und sich nun zunehmend wehren. Der Autor des Beitrags spricht vom Recht auf Stadt, das sich Bewohner nehmen: „Aber nicht mehr mit dem Top-down-Modell von Stadtentwicklung, sondern in dem sich alle Bewohnerinnen und Bewohner das Recht auf Stadt nehmen, das sich bislang eine Elite aus Politik, Urbanisten und Wirtschaft vorbehält (...). Anwesenheit und Zugang, Aneignung des Raumes, Differenz, die `schöpferischen Überschüsse des Städtischen´ - das sind keine Privilegien, sondern grundlegende Rechte, die alle haben. In Hamburg haben viele Menschen begonnen, dieses Recht auf Stadt einzufordern in dem sie sich den urbanen Raum wieder aneignen und für alle produktiv zugänglich machen" (TAZ 18.12.09, S. 12). Unter dem kühnen Titel „Wir machen den Scheiß nicht mehr mit!" wurde im Februar 2010 auf der Internetseite der LAG Soziokultur NRW ein Aufruf veröffentlicht, in dem diese Entwicklung - neben der drastischen Sparpolitik in vielen Kommunen - ebenfalls deutlich angegriffen wird. Dort heisst es: „Die Städte und Metropolen konkurrieren heute darum, zum Ansiedlungsgebiet für Unternehmen - vor allem für die sogenannte „Kreative Klasse" zu werden. Immer mehr geht es darum, ein bestimmtes Bild von Stadt in die Welt zu setzen: das Bild von der „pulsierenden Metropole (...)." Die Verfasser weisen dagegen auf steigende Schwierigkeiten in den Städten hin: „Zunehmende Arbeitslosigkeit und soziale Probleme, schlechte Bildungschancen, steigende Mieten und sinkende Einkommen, verrottete Strassen und abbruchreife Schulgebäude" (http://www.soziokultur-nrw.de/?id=1266247931).
Diese Beispiele zeigen die Brisanz einer möglichen Entwicklung: Zum einen gehört der öffentliche Raum besonders als Bereich der informellen Bildung auch in die zu entwickelnden Bildungslandschaften, seine am Beispiel Hamburg skizzierte Veränderung in Richtung Kommerzialisierung, Privatisierung bis hin zur Verdrängung von Bevölkerungsgruppen schränkt diese Funktion aber zunehmend ein. Bildungslandschaften - so der Deutsche Verein - sollen auch „...zur gesellschaftliche Teilhabe der Bürger/innen eines Gemeinwesens und zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen" (Deutscher Verein 2009, S. 1). Damit ist der öffentliche Raum auch ein öffentlicher Bildungsraum, der nicht kommerzialisiert und funktionalisiert werden darf, sondern der Orte und Räume, insbesondere der informellen Bildung zur Verfügung stellt und insofern als Bildungsraum für alle nutzbar sein muss. Insofern ist die Teilhabe am Gemeinwesen u.a. auch durch die Nutzung des öffentlichen Raums zu erreichen.

Auf der Grundlage eines dynamischen Raumbegriffes müssen Bildungslandschaften deshalb weiter gefasst werden und können sich nicht nur auf die Vernetzung von Bildungsinstitutionen beschränken. Die Einbeziehung weiterer Bildungsorte - insbesondere im öffentlichen Raum - und der Orte der informellen Bildung machen eine interdisziplinäre Sichtweise erforderlich, in der z.B. die Stadtplanung viel stärker ins Spiel kommt. Die Planung von Spielräumen, Spielplätzen, öffentlichen Räumen bis hin zur Umnutzung und Zwischennutzung von Räumen kann die Grundlage für die Entwicklung einer vielgestaltigen Bildungslandschaft sein. Eine solche Bildungslandschaft unterscheidet vielfältige Settings und hat die Förderung formeller, non-formaler und informeller Bildungsprozesse zum Ziel.

Literatur

Boeing, Nils (2009): Recht auf Stadt, in: „Die Tageszeitung" vom 18.12.2009, S. 12

Bronfenbrenner, Urie (1989): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Natürliche und geplante Experimente, Frankfurt a.M.

Bundesjugendkuratorium (2001): Zukunftsfähigkeit sichern! Für ein neues Verhältnis von Bildung und Jugendhilfe. Berlin

BMFSFJ (2005): Zwölfter Kinder und Jugendbericht: Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule. Berlin

Deinet, Ulrich (2005) (Hrsg.): "Sozialräumliche Jugendarbeit. Grundlagen, Methoden, Praxiskonzepte", 2., völlig überarbeitete Auflage, Wiesbaden

Deinet, Ulrich (2009) (Hrsg.): „Methodenbuch Sozialraum", VS-Verlag, Wiesbaden 2009

Deinet, Ulrich/Okroy, Heike/Dodt, Georg/Wüsthof, Angela (Hrsg.) (2009): Betreten erlaubt! Projekte gegen die Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum, soziale Arbeit und sozialer Raum Bd. I, Verlag Barbara Budrich, Opladen und Farmington Hills

Krisch, Richard (2009): Sozialräumliche Methodik der Jugendarbeit. Aktivierende Zugänge und praxisleitende Verfahren, Weinheim, München

Löw, Martina (2001): „Raumsoziologie", Frankfurt a.M.

Pädagogische Aktion (1984): Kulturpädagogisches Lesebuch

Rauschenbach, Thomas (2009): Zukunftschance Bildung, Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz, Weinheim und München

Reutlinger, Christian (2009): Bildungslandschaften - raumtheoretisch betrachtet, in: Böhme, J. (Hrsg): Schularchitektur im interdisziplinären Diskurs. Territorialisierungskrise und Gestaltungsperspektiven des schulischen Bildungsraums, Wiesbaden

Reutlinger, Christian (2002): Unsichtbare Bewältigungskarten von Jugendlichen in gespaltenen Städten. Sozialpädagogik des Jugendraums aus sozialgeografischer Perspektive, Opladen

Krisch, Richard (2009): Sozialräumliche Methodik der Jugendarbeit. Aktivierende Zugänge und praxisleitende Verfahren, Weinheim, München

Wagner, Ulrike (Hrsg.) (2008): Medienhandeln in Hauptschulmilieus - mediale Interaktion und Produktion als Bildungsressource, München

Herlyn/Ulfert, von Seggern/Hille, Heinzelmann/Claudia, Karow/Daniela, Wüstenrot Stiftung (Hrsg.) (2003): Jugendliche in öffentlichen Räumen der Stadt. Chancen und Restriktionen der Raumaneignung, Opladen

Internetquellen

Deutscher Städtetag (2007): Aachener Erklärung des Deutschen Städtetags anlässlich des Kongresses „Bildung in der Stadt" am 22./23.11.2007
http://www.staedtetag.de/imperia/md/content/veranstalt/2007/58.pdf

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2009): Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung Kommunaler Bildungslandschaften
http://www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/2009/pdf/DV%2019-09.pdf

Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren NW eV. (2010): Wir machen den Scheiß nicht mehr mit! Aufruf der OberbürgermeisterInnen, BürgermeisterInnen, KämmererInnen, KulturdezernentInnen und KommunalpolitikerInnen sowie der Kulturschaffenden, http://www.soziokultur-nrw.de/?id=1266247931, Zugriff am 15.2.2010


Zitiervorschlag

Deinet, Ulrich (2010): Von der schulzentrierten zur sozialräumlichen Bildungslandschaft. In: sozialraum.de (2) Ausgabe 1/2010. URL: https://www.sozialraum.de/von-der-schulzentrierten-zur-sozialraeumlichen-bildungslandschaft.php, Datum des Zugriffs: 20.04.2024