Zur gesellschaftlichen Teilhabe fragiler und pflegedürftiger alter Menschen – eine Sozialraumanalyse in den St.Galler Quartieren St.Fiden und Krontal

Monika Allenspach

Zu Beginn des Projektes stand das Interesse der Pro Senectute St.Gallen [1], Erkenntnisse zur gesellschaftlichen Teilhabe von fragilen und pflegedürftigen alten Menschen in ihrem sozialen Nahraum zu erhalten. Diese sollten die Ausgangslage für den Aufbau sozialräumlicher Altersarbeit in St.Gallen klären. Die Sozialraumanalyse wurde von der Autorin in enger Kooperation mit zwei Fachmitarbeitenden der Pro Senectute in einem Zeitraum von acht Monaten (Juli 2012 – Februar 2013) durchgeführt. [2]

Auf der Grundlage vorhandener sozialstruktureller Daten der Stadt St.Gallen und unter Bezugnahme auf den Forschungstand zum Thema wurden Quartierbegehungen zuerst durch das Projektteam und danach gemeinsam mit alten Menschen durchgeführt und durch eine schriftliche Institutionenbefragung ergänzt. Die Ergebnisse wurden in Focusgroups mit alten Menschen aus den beiden Quartieren diskutiert.

Die nun vorliegende Sozialraumanalyse beschreibt die relevanten räumlichen Bedingungen und sozialen Strukturen mit ihren behindernden und unterstützenden Qualitäten.

Es wird deutlich, dass der öffentliche Raum wenig altersgerecht gestaltet ist. Die beiden Quartiere verfügen zwar über ein grosses und recht differenziertes Versorgungsangebot für Güter des täglichen Bedarfs. Es bestehen jedoch viele und teilweise gravierende bauliche Barrieren, die sich negativ auf die Mobilität der Zielgruppe auswirken und damit potenziell alle Teilhabemöglichkeiten behindern. Zudem bietet der öffentliche Nahraum kaum attraktive Angebote für alte Menschen mit Einschränkungen. Ihre Selbständigkeit wird durch die aktuelle Gestaltung des öffentlichen Raumes eingeschränkt, anstatt zu deren Erhalt und Förderung beizutragen.

Für fragile und pflegebedürftige alte Menschen sind Orte der Versorgung und Orte der Natur im Quartier sehr wichtig. Sind diese Orte gut erreichbar und entsprechend den Bedürfnissen alter Menschen gestaltet, leisten sie einen wesentlichen Beitrag zu Selbständigkeit und Lebensqualität. Verbindliche soziale Kontakte pflegen die alten Menschen vor allem innerhalb der Familie. Organisierte Angebote (z.B. Kulturveranstaltungen) werden wenig besucht und wenn, dann nur tagsüber.

1. Ausgangslage

Alte Menschen sind – vor allem, aber nicht nur – im hohen Alter mit Einschränkungen in der Mobilität, mit zunehmender Fragilität und Pflegebedürftigkeit konfrontiert. Sie stehen vor der Herausforderung, sich an Verluste und Einschränkungen zu gewöhnen, zu lernen Hilfe anzunehmen, mit Abhängigkeiten umzugehen und von liebgewonnenen Gewohnheiten Abschied zu nehmen. Für diese Lebensphase stehen im gesundheits- und sozialpolitischen Diskurs heute Fragen der Versorgung im Vordergrund (vgl. Höpflinger 2009a: 3–14). Mit dem Aufbau des Arbeitsbereiches ‘Sozialraumorientierte Altersarbeit’ will die Pro Senectute der Stadt St.Gallen nun neue Wege gehen und sich verstärkt Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe alter Menschen widmen.

1.2 Fragestellung

Gemäss Böhnisch und Schröer orientieren sich Kinder und Jugendliche vor allem sozialräumlich, während im Erwachsenenalter eine Rollen- und Institutionenorientierung besteht. Im Alter werden diese sozialen Funktionen und Rollen tendenziell wieder aufgegeben, und die sozialräumliche Orientierung spielt erneut eine wichtigere Rolle (vgl. Böhnisch/Schröer o.J.: 4). Es findet eine Neugewichtung der Wohnung und des Wohnumfeldes statt. Sensorische und körperliche Einschränkungen zwingen zu Anpassungen der Aktivitäten an die eigenen Möglichkeiten und die Verfügbarkeit von Hilfe (vgl. Höpflinger/Hugentobler 2005, zit. in Höpflinger 2009b: 27). Neben den Auswirkungen des funktionalen Gesundheitszustandes führen auch die unterschiedlichen Lebensumstände [3] zu einer ausgeprägten Heterogenität des Alterns und des Alters (vgl. Höpflinger/Stuckelberger 1999: 18–24). Darüber hinaus verweist Böhnisch darauf, dass es wesentlich von der individuellen Biografie abhängt, in welcher Weise die Menschen die Lebensphase Alter erleben und bewältigen (vgl. Böhnisch 2012: 281f.). Der soziale Nahraum muss sich unter den Bedingungen des Alterns und des Alters neu angeeignet werden (vgl. Böhnisch 2012: 277f.)

Ausgehend von der Annahme, dass die Bedingungen des Sozialraums mit zunehmender Fragilität und Pflegebedürftigkeit in grösserem Maße relevant werden für die Möglichkeiten der Teilhabe, konzentriert sich die Studie auf alte Menschen in diesen Lebensphasen [4]. Für die sozialraumorientierte Altersarbeit stellen sich folgende Fragen: Wie und wo findet gesellschaftliche Teilhabe alter Menschen, besonders in der fragilen und pflegebedürftigen Lebensphase, in ihrem sozialen Nahraum statt? Und: Welche räumlichen Bedingungen und sozialen Strukturen sind hinderlich oder förderlich für ihre gesellschaftliche Teilhabe?

1.2 Gesellschaftliche Teilhabe und soziale Räume

Die Sozialraumanalyse stützt sich auf die Definition gesellschaftlicher Teilhabe von Levasseur, Richard, Gauvin und Raymond (2010) [5]. Diese Definition berücksichtigt erstens den Grad an Involviertheit der Person mit anderen Personen und zweitens die Ziele der Aktivitäten. Sie umfasst die folgenden, hierarchisch verstandenen Kategorien [6]:

 

Abb. 1: Kategorisierung gesellschaftlicher Teilhabe

Abb. 1:  aus: Levasseur et al. (2010: 2146)

Die Einführung einer zusätzlichen Kategorie ’Sich helfen lassen’ hat sich bei der Auswertung der Daten dieser Studie ergeben, da Hilfe und Pflege erhalten (z.B. durch Spitex [7], Partner, Partnerin) genauso wie ’Anderen helfen’ ein hohes Maß an Involvierung mit anderen Personen und Aktivität bedeutet und für Personen der Zielgruppe eine wichtige Form gesellschaftlicher Teilhabe darstellen kann. Diese Kategorien ermöglichen es, die verschiedenen Formen gesellschaftlicher Teilhabe im untersuchten Gebiet zu differenzieren und sie den räumlichen Bedingungen und sozialen Strukturen gegenüberzustellen.

Soziale Räume sind nicht nur als geografische Orte zu verstehen, in denen Leben und gesellschaftliche Teilhabe stattfinden, sondern sie sind als gestaltete und gestaltbare und damit auch veränderbare soziale Räume zu begreifen. Sozialräumliche Überlegungen nehmen deshalb die Möglichkeiten des Handelns der Akteurinnen und Akteure ebenso wie die strukturellen Bedingungen des Raumes in den Blick. Es gilt deshalb für Sozialraumanalysen, die „relationale Anordnung von Menschen und sozialen Gütern und Strukturen an bestimmten Orten“ (Spatscheck 2009: 34, vgl. Löw 2001: 271) in den Blick zu nehmen. „Das Quartier als Ort des Wohnens, als Raum der Existenzsicherung, als Ort des sozialen Austausches und als Ort der Teilhabe an gesellschaftlichen Institutionen“ (Herlyn et al. 1991, vgl. auch Vester et al. 2001, zit. in Alisch 2008: 27) ist für viele alte Menschen zentral für die Aufrechterhaltung von Selbständigkeit. Aufgrund dieser Erkenntnisse nimmt die ökologische Gerontologie [8] die Passung zwischen Person und Umwelt in den Blick.

Alte Menschen und ihre Fähigkeiten und Einschränkungen befinden sich in einem spezifischen Passungsverhältnis mit ihrer technischen und sozialen Umwelt, welche je nach Ausprägung hinderlich oder förderlich auf ihre Selbständigkeit wirken kann. Mollenkopf et al. (2004) gehen bezugnehmend auf Lawton (1989) davon aus, dass die räumliche Umwelt für ältere Menschen erstens Unterstützung bieten kann, indem sie Einschränkungen kompensiert, z.B. durch barrierefreie Gestaltung von öffentlichem Raum. Zweitens kann die Umwelt auch eine Vielzahl von Anregungen bieten, indem sie Möglichkeitsräume für soziale Kontakte und Aktivitäten bereitstellt. Drittens bilden Umwelten einen wichtigen Rahmen für das Erfahren von Lebenskontinuität in der eigenen Biografie (vgl. Mollenkopf/Oswald/Wahl/Zimber 2004: 344f.).

2. Die Sozialraumanalyse [9]

Die Sozialraumanalyse zielt darauf ab, die geografischen und strukturellen Bedingungen eines Sozialraumes sowie die Perspektive der Bewohner und Bewohnerinnen auf den Sozialraum abzubilden. Diese beiden unterschiedlichen, aber doch zusammenhängenden Perspektiven auf den Sozialraum bilden eine Doppelstruktur (vgl. Spatscheck 2009: 34). Dabei interessiert in der vorliegenden Untersuchung eine „Differenzierung eines Stadtgebietes nach innen“ (Riege/Schubert 2005: 45), um die spezifischen Bedingungen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe älterer Menschen in den Quartieren St.Fiden und Krontal möglichst detailliert zu beschreiben. Die Sozialraumanalyse besteht aus mehreren Teilerhebungen und beinhaltet erstens eine Abgrenzung und Definition des zu untersuchenden Gebietes, zweitens eine strukturelle Profilierung und drittens eine Erfassung des Bestandes an Ressourcen und Problemen im Gebiet. Viertens wird insbesondere der Erkundung der Lebensräume aus der Sicht älterer Menschen in St.Fiden und Krontal Rechnung getragen (vgl. Riege/Schubert 2005: 45–51). Ziel ist es zu erkennen, wie die Lebenswelt der Menschen in Bezug zu ihrem Stadtteil, ihren Treffpunkten, Orten und Institutionen aussieht und welche Bedingungen Menschen in diesen sozialen Räumen für gesellschaftliche Teilhabe vorfinden (vgl. Krisch, 2003 zit. in Deinet 2007: 58).

2.1 Methodisches Vorgehen

Raumabgrenzung und Raumdefinition

Raumabgrenzung und Raumdefinition folgten der Einteilung in administrative Einheiten durch die Stadt St.Gallen und wurden durch fünf Stadtteilbegehungen des Projektteams überprüft und ergänzt. Dazu wurde ein Leitfaden zur Raumabgrenzung und Raumdefinition in Anlehnung an Riege und Schubert (2005: 45f.) und Früchtel, Budde und Cyprian (2010: 131f.) erarbeitet. Während diesen Stadtteilbegehungen durch das Projektteam, welche an verschiedenen Wochentagen und zu unterschiedlichen Tageszeiten durchgeführt wurden, konnte die kleinräumige physische Gestaltung des Gebietes erfasst werden. Sozialräumliche und altersspezifische Praxiserfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse sensibilisierten im Sinne von expliziertem Vorwissen den Blick für die Beobachtungen während der Begehungen. Die Beobachtungen wurden in Protokollen festgehalten, welche in Anlehnung an Früchtel et al. (2010: 137) und Deinet (2009: 67) verfasst wurden. Aus diesen Daten wurden einerseits eine detaillierte Beschreibung von St.Fiden und Krontal erstellt und andererseits Ressourcen und Barrieren des physischen Raumes für Menschen im fragilen und pflegebedürftigen Lebensalter herausgefiltert.

Strukturelle Profilierung

Zur strukturellen Profilierung wurden die verfügbaren sozioökonomischen Daten des Gebietes herangezogen; insbesondere interessierten alle erfassten Angaben über die Zielgruppe der Studie (vgl. Riege/Schubert 2005: 47f.) [10]. Dazu wurden quantitative Daten der Stadt St.Gallen sowie des Amts für Statistik des Kantons St.Gallen verwendet. Weitere Aufschlüsse ergaben die Stadtteilbegehungen durch das Projektteam.

Bestandsbeschreibung

Die Bestandsbeschreibung der Quartiere beinhaltet die Erfassung der Infrastruktur des Sozialraumes in Form von kulturellen und sozialen Einrichtungen sowie Vereinen. Die Daten wurde mittels einer schriftlichen Befragung bei Institutionen und Organisationen erhoben, welche quartierspezifische und/oder altersspezifische Angebote bereitstellen (N = 8). Die Zusammenfassung ergab eine Übersicht der verschiedenen Angebote in beiden Quartieren (vgl. Knopp 2009: 158). Mit Bezug auf die Zielgruppe interessierten weiter die Versorgungsmöglichkeiten, welche durch Gewerbe und Wirtschaft bereitgestellt werden (vgl. Riege/Schubert 2005: 48). Diese wurden in den Stadtteilbegehungen des Projektteams und in denjenigen mit alten Menschen erfasst.

Erkundung der Lebens- und Nutzungsräume

Durch die Betrachtung des Sozialraumes aus der Perspektive der alten Menschen im fragilen und pflegebedürftigen Lebensalter wurden Erkenntnisse über das räumliche Verhalten der Zielgruppe, ihre alltäglichen Nutzungen, ihre Aktionsräume und die sozialräumlichen Qualitäten der Orte gewonnen (vgl. Riege/Schubert 2005: 49, Krisch 2006: 91f.). Zur Erfassung dieser Perspektive wurde die Methode der Stadtteilbegehung mit Personen der Zielgruppe gewählt (vgl. Deinet 2009: 68, Früchtel et al. 2010: 136 und Krisch 2006: 91). Die Stadtteilbegehungen wurden in der vorliegenden Studie mit drei Ehepaaren und drei Einzelpersonen durchgeführt (N = 6 Begehungen), die in den Quartieren St.Fiden oder Krontal wohnen. Dabei wurde bei der Zusammenstellung des Samples innerhalb der Zielgruppe auf möglichst grosse Heterogenität in Bezug auf Alter, Nationalität, Wohnort innerhalb der Quartiere und funktionale Einschränkungen geachtet. Der Feldzugang erfolgte über die Sozialberatung und die Haushilfevermittlung der Pro Senectute. Dadurch, dass die Personen den Mitarbeitenden bereits bekannt waren, konnte sichergestellt werden, dass nur Personen in der fragilen oder pflegebedürftigen Altersphase angefragt werden. Zusätzlich konnte während einer Begehung des Projektteams ein Ehepaar auf der Strasse zur Teilnahme gewonnen werden. Die Stadtteilbegehungen wurden nicht in Gruppen durchgeführt, sondern jeweils mit einer Personen oder einem Ehepaar. Damit konnte auf die Perspektive jeder befragten Person eingegangen werden, und es konnten gleichzeitig ihre Möglichkeiten (z.B. zurücklegbare Wegstrecke) berücksichtigt werden. [11] Der Leitfaden wurde nach dem SPSS-Schema von Helfferich (2009: 182–189) durch das Projektteam erstellt. Der Leitfaden diente der Fokussierung auf die zentralen Themen während den Begehungen und der Vergleichbarkeit der Interviews (vgl. Witzel 2000: 3). Die Aussagen der interviewten Personen wurden in Stadtteilerkundungs-Protokollen (vgl. Früchtel et al. 2010: 137, Deinet 2009: 67) festgehalten. Die Protokolle wurden anschliessend mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse mit inhaltlicher Strukturierung (vgl. Mayring 2010: 98) ausgewertet. Dazu wurden bestimmte Inhalte nach bestimmten Kategorien aus dem Material herausgefiltert und zusammengefasst. Als Kategorien dienten einerseits die Formen gesellschaftlicher Teilhabe nach Levasseur et al. (2010). Andererseits konnten Aussagen über die Qualität bestimmter Orte, Wege, Angebote und Infrastrukturen in den Quartieren herausgefiltert werden (vgl. Früchtel et al. 2010: 138, Deinet 2009: 73, Kreuzer 2006: 82–89). Durch diese beiden Zugänge zum Material konnten einerseits die gesellschaftliche Teilhabe der befragten Personen differenziert erfasst und andererseits die jeweiligen sozialräumlichen Bedingungen für die verschiedenen Formen gesellschaftlicher Teilhabe dargestellt werden.

Triangulation der Ergebnisse aus den Teilerhebungen

In der vorliegenden Studie wurde jede Teilerhebung separat ausgewertet. Die Ergebnisse wurden entlang der Kategorien gesellschaftlicher Teilhabe und für die Zielgruppe wichtiger sozialräumlicher Themen trianguliert. Diese Kategoriensysteme wurden zu Beginn aus der Literatur extrahiert, in der Teilerhebung ’Stadtteilbegehung mit älteren Menschen’ erweitert und validiert und schliesslich als Bezugspunkt in der Triangulation verwendet. [12] Triangulation bedeutet, dass ein Forschungsgegenstand aus mehr als einer Perspektive betrachtet wird (Flick 2008: 12). Die Kombination der unterschiedlichen hier eingesetzten qualitativen Methoden ermöglichte die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven (vgl. Flick 2008: 49). Ziel ist dabei nicht die gegenseitige Validierung der Ergebnisse, sondern ein breiteres und tieferes Bild des Gegenstandes zu erhalten (vgl. Flick 2008: 49). Es handelt sich also um komplementäre Ergebnisse aus den Teilerhebungen (vgl. Kelle/Erzberger 2009: 304), welche einen Erkenntnisgewinn ermöglichen (sollen) im Vergleich zu nur einem Zugang (vgl. Flick 2008: 12). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die unterschiedlichen Methoden nicht den gleichen Gegenstand abbilden, sondern ihren Gegenstand jeweils konstruieren (vgl. Flick 2008: 17). Deshalb wurde an dieser Stelle jede einzelne Methode transparent und nachvollziehbar dargestellt und das Vorgehen in der Triangulation erläutert.

Diskussion der Ergebnisse in Focusgroups

Abschliessend wurden die Ergebnisse der Sozialraumanalyse in ausgewählter Form in zwei Focusgroups (vgl. Bohnsack 2000: 372–274, Flick 2010: 259–263) vorgestellt und in Anlehnung an Flick (2008: 46-48) diskutiert. Die eine Focusgroup bestand aus vier älteren Menschen, welche schon lange in den Quartieren wohnen und durch aktive Mitgliedschaften in quartier- und altersspezifischen Organisationen viele Menschen im Gebiet kennen. [13] Die zweite Focusgroup wurde aus den wichtigsten Institutionsvertreterinnen und -vertretern beider Quartiere zusammengestellt (N = 5). Ziele beider Focusgroups waren eine Einschätzung der Ergebnisse (Validierung und Gewichtung) und das Aufspüren möglicher Ansatzpunkte für Kooperationen in den Quartieren beim Aufbau sozialräumlicher Altersarbeit. Nach dem Vorstellen der Ergebnisse wurde nach Zustimmung, Widerspruch und Ergänzungen gefragt. In einem zweiten Schritt wurden Ideen und Wünsche (bei der Gruppe der Quartierbewohner und Quartierbewohnerinnen) und Ansatzpunkte für Projekte und Kooperationen (bei der Gruppe der Institutionsvertreter und Institutionsvertreterinnen) diskutiert.

3. Ergebnisse

Räumliche Beschreibung der Quartiere St.Fiden und Krontal [14]

Das Gebiet St.Fiden liegt etwas erhöht östlich der Innenstadt. Die Rorschacherstrasse [15] und die nördlichen Gebietsteile liegen im Tal, die südlich der Rorschacherstrasse gelegenen Wohngebiete weisen zuerst eine sanfte und dann stark ansteigende Hanglage Richtung Hagenbuchwald auf. Außer der Hauptverkehrsachse ist fast das gesamte Gebiet durch Tempo–30–Zonen verkehrsberuhigt (vgl. Stadt St.Gallen o.J.a). Nördlich der Rorschacherstrasse befinden sich gemischte Wohn- und Gewerbezonen und reine Wohnzonen (ungefähr im Verhältnis 2:1) mit einem kleineren Bereich Industriezone im Harzbüchel. Der südliche Teil besteht ebenfalls aus gemischten Wohn- und Gewerbezonen und reinen Wohnzonen, hier aber in einem Verhältnis von ca. 1:2. Im Bereich Bruggwiesen befindet sich eine weitere reine Industriezone. Entlang der Hauptverkehrsachse liegen die meisten Geschäfte und Restaurants. Das Gebiet St.Fiden verfügt über eine diversifizierte Versorgungsstruktur. Neben Geschäften zur Versorgung mit Alltagsgütern haben sich auch viele spezialisierte Fachgeschäfte angesiedelt. Zwischen St.Fiden und Krontal befindet sich das Gewerbezentrum ’Grossacker’ mit dem markanten Gebäude ’Silberturm’. Die ganze Anlage erregte wegen ihres futuristischen Aussehens bei der Erbauung Mitte der 1970er Jahre grosses Aufsehen. Der ’Grossacker’ beherbergt viele Fachgeschäfte, eine Migros [16], eine Poststelle, Restaurants, einen Kiosk und verschiedenste Dienstleistungen (u. a. viele Arztpraxen). Im Gebiet befinden sich weiter ein Alters- und Pflegeheim (mit Tagesstätte), der Stützpunkt der Spitex Ost mit Krankenmobilienmagazin, drei Schulhäuser, sechs Kindergärten, eine Tagesstätte und Wohngruppe für Säuglinge und Kleinkinder, eine Tagesschule für körperbehinderte Kinder, eine betreute Wohngemeinschaft für Menschen mit einer Behinderung, das Solidaritätshaus [17] sowie das Ostschweizer Kinderspital. Das Bürgerspital [18], welches im Westen an das Gebiet grenzt, verfügt über einen öffentlich zugänglichen Park. Im ganzen Gebiet gibt es vier öffentliche Kinderspielplätze, welche auch mit Sitzbänken ausgestattet sind. Die katholische Kirche St.Fiden, die evangelische Kirche Grossacker, je mit Pfarreiheim, die Stadtmission mit ihrem grossen Neubau und die freie evangelische Kirche sind in St.Fiden und Krontal vertreten, wobei das Einzugsgebiet der beiden letztgenannten über das untersuchte Gebiet hinausgeht. Im Quartier Krontal befindet sich das ’Paul-Grüninger’ – Sportstadion [19], welches den traditionsreichen SC Brühl beheimatet.

Mit einem Wohnungsbestand von rund 35 % aus der Bauperiode vor 1919, rund 18 % aus der Zeit von 1919 – 1945, weiteren rund 32 % aus der Zeit 1946 – 1970 und rund 15 % aus der Zeit 1971 – 2000 liegt das Gebiet St.Fiden etwa im Mittel im Vergleich zur gesamten Stadt St.Gallen. Der Anteil an Liegenschaften, welche von Eigentümerinnen und Eigentümern selbst bewohnt werden, beträgt ca. 8 %, gegenüber rund 14 % im städtischen Durchschnitt. Die Wohnfläche pro Person beträgt über 10m2 weniger als im Durchschnitt der Stadt St.Gallen. Im innerstädtischen Vergleich verfügen die beiden Quartiere über durchschnittliche Nettomieten, ausser bei den Wohnungen ab 4 Zimmern, welche im Vergleich leicht günstiger sind. In St.Fiden und Krontal sind knapp die Hälfte Ein–Personen–Haushalte. In 24 % der Haushalte leben Paare ohne Kinder, in 20 % Paare mit Kindern, und 9 % sind andere Haushalte. Wie in fast allen Quartieren der Stadt St.Gallen hat die ständige Wohnbevölkerung in den zwei Jahrzehnten zwischen 1980 – 2000 auch in den Quartieren St.Fiden und Krontal abgenommen, in den 80er Jahren um 4 % und in den 90er Jahren um 7 % (vgl. Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen 2006: 22-28, Quelle: Eidg. Volkszählung 2000). Seit 2008 wächst die Wohnbevölkerung in St.Fiden und Krontal wieder, im Vergleich zur Gesamtstadt sogar überdurchschnittlich. Fast jede vierte Person, welche in St.Fiden und Krontal lebt, wohnt weniger lang als 5 Jahre in der Stadt St.Gallen, was etwas über dem gesamtstädtischen Durchschnitt liegt. Rund 27 % der Quartierbevölkerung leben zwischen 5 und 20 Jahren, weitere 27 % mehr als 20 Jahre und die restlichen rund 21 % seit ihrer Geburt in der Stadt St.Gallen (vgl. Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen 2012).

Bevölkerung

Jede zehnte Einwohnerin/jeder zehnte Einwohner von St.Gallen wohnt im Gebiet St.Fiden, was 7’646 Personen entspricht. Davon sind 20.7 % über 60 Jahre alt, was etwas weniger als dem gesamtstädtischen Durchschnitt von 22.92 % entspricht. 386 Personen sind über 80 Jahre alt. [20] Drei von vier Personen im Gebiet St.Fiden besitzen die Schweizer Staatsbürgerschaft. Die ausländische Wohnbevölkerung in St.Fiden und Krontal ist mehrheitlich unter 40 Jahre alt. [21]

3.1 Sozialräumliche Bedingungen für gesellschaftliche Teilhabe in St.Fiden und Krontal

Mobilität im öffentlichen Raum

Da Mobilität eine wichtige Voraussetzung für viele Formen gesellschaftlicher Teilhabe ist (vgl. Kreuzer 2006: 82, Mollenkopf/Flaschenträger 1996: 3), wirken sich Barrieren im Bereich des Verkehrs (und hier vor allem des Fussverkehrs) auf die Möglichkeiten der Menschen im fragilen und pflegebedürftigen Alter be- resp. verhindernd aus. Sehr hinderlich sind die fehlenden Trottoirabgänge an den Orten, wo Fussgänger und Fussgängerinnen die Strasse überqueren müssen. Auffallend sind weiter die wenigen Sitzgelegenheiten im Gebiet, die es erlauben würden, bei längeren Wegen Pausen einzulegen. Ebenso sind die drei Unterführungen der Rorschacherstrasse für Personen mit Einschränkungen nicht benutzungsfreundlich gestaltet und werden gemieden. [22]

Bei der Gestaltung der Fusswege im öffentlichen Raum ist zudem nicht nur auf Barrierefreiheit, welche die selbständige Mobilität unterstützt, zu achten. Öffentlicher Raum soll auch eine kleinteilige und differenzierte Gestaltung aufweisen (z.B. der Grünflächen entlang der Wege) und ausreichend Sitzgelegenheiten bieten, um älteren Menschen auch ein anregendes und erholsames Erleben ihres Nahraums zu ermöglichen. Der öffentliche Nahraum hat demnach nicht nur eine Wegfunktion, sondern auch eine Aufenthaltsfunktion (als Raum für soziale Kontakte, als Aktivitätsraum, als Erholungsraum). Beide Funktionen können durch ausreichend Sitzgelegenheiten gefördert werden (vgl. Kreuzer/Scholz 2008: 94f.). Aneignungsmöglichkeiten im sozialen Raum sind gerade in Lebensphasen, welche nicht von institutionalisierten Rollen geprägt sind, entwicklungsnotwendig (vgl. Böhnisch 2012: 277).

Orte der Versorgung

Es besteht generell eine gute Versorgung durch den öffentlichen Verkehr in St.Fiden und Krontal, jedoch weisen die öffentlichen Verkehrsmittel, was den Ein- und Ausstieg betrifft, recht hohe Barrieren auf. Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs, Service public und medizinischen Leistungen ist gut ausgebaut, diversifiziert und in Fußdistanz möglich. Bauliche Massnahmen im Bereich Verkehr (siehe oben) könnten den Zugang erleichtern. In der Untersuchung wurde deutlich, dass Orte der Versorgung je nach Angebot und Gestaltung auch Orte sozialer Interaktion sein können und als Ziele täglicher Spaziergänge bezeichnet werden. [23] Orte der Versorgung erfahren somit von älteren Personen in der fragilen und pflegebedürftigen Lebensphase eine multifunktionelle Aneignung. Am Beispiel des Migros-Restaurants (welches im Herbst 2011 geschlossen wurde) zeigte sich, dass solche Orte über spezifische Bedingungen verfügen müssen, damit sie diese Multifunktionalität und besonders den Treffpunktcharakter erfüllen können. [24] Aus den Aussagen der alten Menschen kann geschlossen werden, dass die Attraktivität eines Treffpunktes von folgenden Merkmalen abhängt:

Orte der Natur

Die Naherholungsgebiete rund um St.Gallen sind für die Menschen in der fragilen und pflegebedürftigen Lebensphase aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität nicht selbständig erreichbar. Damit scheiden sie für regelmässiges Aufsuchen im Alltag aus. Das Gebiet St.Fiden verfügt über vier Kinderspielplätze (von denen zwei zu kleinen öffentlichen Parks erweitert sind) sowie an seiner westlichen Grenze über den öffentlich zugänglichen Park des Bürgerspitals und an der Ostgrenze über die Grünanlagen des Friedhofs Ost.

Die Begehungen mit der Zielgruppe haben gezeigt, dass ein grosses Bedürfnis nach Erleben der Natur besteht. Orte der Natur können als „Oft-Orte“ bezeichnet werden (Früchtel et al. 2010: 138), also Orte, die häufig aufgesucht werden. [27] In den Stadtteilbegehungen mit älteren Menschen zeigte sich, dass sie sich Orte mit funktionaler Zuschreibung nicht aneignen (Park des Bürgerspitals für Patienten/Patientinnen und Besucher/Besucherinnen, Park mit Spielplatz für Kinder und Familien).

In den Focusgroups konnte diese Erkenntnis jedoch nicht bestätigt werden, demnach wird insbesondere der Park des Bürgerspitals von allen Altersgruppen rege frequentiert. Der Friedhof wird trotz funktionaler Zuschreibung gerne aufgesucht. Er ist gut erreichbar (nahe und mit öV erschlossen) und ermöglicht Natur zu erleben. Im Gegensatz zu den kleinen Parks können hier Spaziergänge gemacht werden. [28] Der Schlösslipark mit Spielplatz liegt im Quartier St.Fiden und wurde vor einigen Jahren neu gestaltet. Da er in sehr kurzer Distanz zum Alters- und Pflegeheim liegt, wurde damals auf einen möglichst barrierefreien Zugang und genügend Sitzgelegenheiten geachtet. Er wird denn auch von Gruppen des Alters- und Pflegeheims regelmäßig aufgesucht. [29] Die Ausgestaltung des Schlössliparks bietet jedoch für ältere Menschen wenig Anregung oder Aktivitätsmöglichkeiten.

3.2 Formen gesellschaftlicher Teilhabe in St.Fiden und Krontal [30]

Aktivitäten zur Vorbereitung auf Beziehungsaufnahme (Informationsbeschaffung)

Möglichkeiten zur unverbindlichen Informationsbeschaffung bieten im Gebiet St.Fiden vor allem die Quartierzeitung des Quartiervereins und die Informationsblätter der katholischen und der evangelischen Kirchgemeinde. [31] Diese Informationsträger sind an eine Mitgliedschaft gebunden. In den Tages- resp. Wochenzeitungen erscheinen eher wenige quartierbezogene Informationen. In den Quartieren St.Fiden und Krontal gibt es keine Gelegenheit, sich kostenlos und niederschwellig (Leseraum, Internetzugang, Quartierbüro) zu informieren. Gezielte quartierbezogene Informationen bzw. Beratung sind beim gemeinsamen Sozialdienst der beiden Kirchen erhältlich. [32] Unverbindliche Informationsbeschaffung allgemeiner Art ist somit privat organisiert und mit Kosten verbunden (Internet, Presse, Mitgliedschaft), im Restaurant über aufliegende Tagespresse möglich oder auf Anfrage beim Sozialdienst bzw. Institutionen im Gebiet. Informationsbeschaffung ist Voraussetzung, um sich über Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe kundig zu machen (vgl. Mollenkopf/Flaschenträger 1996: 3). Wie die Stadtteilbegehungen mit alten Menschen gezeigt haben, sind sie über die verschiedenen, vor allem über die regelmäßigen Angebote informiert, obwohl der Zugang zu diesen Informationen nicht niederschwellig gestaltet ist.

Unter Menschen sein (alleine)

Diese Form gesellschaftlicher Teilhabe nimmt bei der Zielgruppe einen grossen Stellenwert ein und wird vorwiegend beim Einkaufen oder beim Aufsuchen von Orten der Natur erlebt. [33] Versorgungsorte und Orte in der Natur werden regelmässig und gerne aufgesucht, obwohl es räumliche Hindernisse (Randsteine, Unterführungen, starker Verkehr) zu überwinden gilt und teilweise Angst-Orte (vgl. auch Schneider-Sliwa 2004: 74) umgangen werden müssen. [34] Die durchgeführten Begehungen haben gezeigt, dass für das Aufsuchen von Orten der Versorgung oder der Natur ein erhöhter Aufwand, zum Beispiel in Form von Umwegen oder Taxikosten, in Kauf genommen wird. [35]

Sozialer Kontakt, Interaktion ohne bestimmtes Ziel

Räume für verschiedene Aktivitäten können in den Pfarreiheimen beider Kirchgemeinden genutzt werden. Beide Pfarreiheime weisen jedoch Barrieren für Personen mit Rollstuhl oder Rollator auf. [36] Ebenso das ’Offene Haus’ an der Greithstrasse, welches von der Katholischen Kirche geführt wird und weitere Räume zur Verfügung stellt. Einer dieser Räume wird wöchentlich von einer Gruppe von bis zu 60 älteren Personen mit italienischem Migrationshintergrund genutzt. Das Organisationskomitee aus Freiwilligen organisiert Kaffee, Kuchen, Spiele, Besichtigungen und weitere Aktivitäten. Im Zentrum stehen Geselligkeit und Gespräche. [37] Das Alters- und Pflegeheim und das Bürgerspital führen je eine öffentliche Cafeteria, welche über behindertengerechte Infrastruktur verfügt.

Obwohl diese Orte bekannt sind, werden sie von den befragten alten Menschen nicht aufgesucht. Barrieren sind hier eine funktionale Zuschreibung (nur für Bewohner/Bewohnerinnen und deren Besucher/Besucher-innen) oder der Wunsch, nicht ausschliesslich unter alten Menschen zu sein. [38] Die Rückmeldungen in beiden Focusgroups ergaben hier ein etwas anderes Bild. Vor allem das Café des Bürgerspitals mit seiner Dachterrasse und Aussicht auf den Park werde auch von der Zielgruppe rege genutzt.

Verschiedenste Angebote bieten nebst Möglichkeiten zur Interaktion auch Möglichkeiten zur Versorgung oder Anregung für ältere Menschen. Diese Angebote umfassen insbesondere zwei regelmässige Mittagstische zu günstigen Preisen und die ökumenischen Seniorenprogramme ’Ost’ und ’Time out’, welche spezifische Angebote für jüngere und ältere Seniorinnen und Senioren bieten. [39] Einige ehrenamtlich geführte Vereine und Gruppen ergänzen diese Angebote. An der offenen und unverbindlichen ’Blätzwerkstatt’ beteiligen sich rund 80 Frauen aus den Kirchgemeinden. Alle befragten Personen der Zielgruppe sind Mitglied einer Kirchgemeinde, ein Teil nimmt regelmäßig an Gottesdiensten teil. Die Teilnahme wird auch durch Abholdienste ermöglicht. Keine der befragten Personen der Zielgruppe nimmt jedoch eines der hier beschriebenen Angebote wahr. [40]

Die älteren Personen, welche an den Stadtteilbegehungen teilgenommen haben, berichteten von intensivem Kontakt zu Kindern, Enkeln und Geschwistern und bestätigen damit die Befunde von Höpflinger und Stuckelberger 1999, sowie Höpflinger 2009c. Teilweise ist dieser intensive Kontakt verknüpft mit ausgedehnter Hilfe der älteren Generation für die jüngere. Generationen übergreifende Kontakte außerhalb der Familie finden in geringem Ausmaß statt und beschränken sich in den meisten Fällen auf unverbindliche und zufällige Kontakte. Die befragten älteren Personen wünschen auch keinen häufigeren oder intensiveren Kontakt zu jüngeren Personen ausserhalb der eigenen Familie. [41] Freundinnen und Freunde gehören der gleichen Generation an, der Kontakt wird regelmäßig, aber zeitlich nicht intensiv gepflegt. Nachbarschaftliche Kontakte werden ebenfalls mit Personen der gleichen Generation gepflegt.

Für diese Kontakte ist die Schließung des Migros-Restaurants im Grossacker einschneidend. Dieses Restaurant bot älteren Menschen einen Rahmen für unverbindliche soziale Kontakte im Quartier. Das Migros-Restaurant fungierte auch in der Wahrnehmung der sozialen Institutionen im Quartier als ein informeller und niederschwelliger Treffpunkt, besonders für ältere Personen. Die Befragungen der älteren Personen ergaben, dass sie nun auf den Kaffee und das Gespräch nach dem Einkauf verzichten. Keine der befragten Personen zieht (bis jetzt) einen anderen Treffpunkt in Betracht.

Mit anderen etwas tun, kooperieren auf ein bestimmtes Ziel hin

Regelmäßige Angebote dieser Kategorie bestehen von den Kirchen (Chor, Bibelgruppe) und der Pro Senectute (Altersturnen [42]). Keine der befragten Personen im fragilen und pflegebedürftigen Lebensalter nimmt an kulturellen oder politischen Veranstaltungen teil, an  einem Bildungsangebot oder einem der oben genannten Angebote. Ebenso ist keine der befragten älteren Personen Mitglied in einem Verein. Als Gründe für die Nicht-Teilnahme nennen sie: gesundheitliche Einschränkungen (kann keine regelmäßige Teilnahme zusagen), keine Zeit (z.B. wegen Enkelbetreuung), soziale Gründe (’möchte sich nicht in einer Gruppe von alten Menschen aufhalten’, ’im Alter muss ich das nicht mehr’) oder die kirchliche Trägerschaft. [43]

Da in dieser Studie die älteren Menschen nicht nach früheren politischen, kulturellen oder generell Vereinsaktivitäten gefragt wurden, kann nicht gesagt werden, ob die aktuelle Nicht-Teilnahme in diesem Bereich auf einen Rückzug zurückzuführen ist. Die oben zitierten Begründungen deuten dies jedoch an. Dass ein markanter Rückzug, vor allem ab dem Alter von ca. 85 Jahren stattfindet, bestätigt auch die Untersuchung von Schneider-Sliwa (2004: 91) für kulturelle und soziale Aktivitäten. Das Bundesamt für Statistik stellte für das politische Engagement (2000: 42f.) und allgemein Vereinstätigkeit (ebd.: 40f.) keinen markanten Rückgang im Alter fest, wobei hier die Gruppe aller Pensionierten mit der Gesamtbevölkerung verglichen wurde. Alle befragten Personen im fragilen und pflegebedürftigen Alter gaben an, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit ihre Wohnung in der Regel nicht mehr verlassen. Ausnahmen sind Anlässe, die sie in Begleitung ihrer Kinder besuchen. [44]

Anderen helfen

Die befragten älteren Menschen im fragilen Alter leisten in großem Umfang Hilfe für Ehepartner und Ehepartnerinnen, welche im pflegebedürftigen Alter sind, und für die jüngere Generation. Die Hilfe an die jüngeren Generationen umfasst Mittagstische und Betreuung der Enkelkinder sowie Betreuung erkrankter eigener Kinder. Die Hilfe wird mit großer Verbindlichkeit, Regelmäßigkeit und zeitlich ausgedehnt geleistet. [45] Dies steht in einem gewissen Widerspruch zu den Aussagen, dass Formen regelmäßiger und verbindlicher gesellschaftlicher Teilhabe nicht wahrgenommen werden. Es ist zu vermuten, dass bei Hilfeleistungen für Familienmitglieder deutlich weniger Rücksicht auf die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden genommen wird als bei anderen Formen gesellschaftlicher Teilhabe. Nachbarschaftliche Hilfe bzw. Hilfe außerhalb der Familie wird punktuell bei besonderem Bedarf geleistet und nicht auf regelmäßiger Basis. [46]

Die Hilfeleistungen für die Ehepartnerin/den Ehepartner werden erschwert durch den eigenen eingeschränkten Gesundheitszustand und wesentlich auch durch bauliche Hindernisse im Sozialraum. So bedeuten die Absätze zwischen Trottoir- und Straßenniveau, dass für das Schieben des Rollstuhls ein großer Kraftaufwand notwendig ist, bzw. dass die Wege im Rollstuhl weitgehend auf den Quartierstraßen (nicht Trottoirs) zurückgelegt werden müssen, da Ab- und Aufgänge fehlen. [47] Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die straßenbaulichen Gegebenheiten die Selbständigkeit und die Mobilität von älteren Personen mit Mobilitätsproblemen massiv einschränken, teilweise regelrecht verhindern und die Hilfeleistungen deutlich erschweren.

Sich von anderen helfen lassen [48]

Die befragten älteren Personen im fragilen Lebensalter benötigen Hilfe zur Erledigung bestimmter Aufgaben. Diese umfasst regelmäßige Haushilfe, administrative Hilfe, Mahlzeitendienst und/oder punktuelle Hilfe durch Kinder (schwere Einkäufe erledigen), Freunde oder Nachbarn/Nachbarinnen (z.B. Hund ausführen). Auffallend ist, dass die Hilfeleistungen der Kinder an die betagten Eltern deutlich geringer ausfallen, als die Hilfe der alten Menschen nicht nur für ihre Enkelkinder, sondern auch für die in Notlagen sich befindende mittlere Generation. Die befragten älteren Personen im pflegebedürftigen Alter werden von ihren Ehepartnerinnen/Ehepartnern (zum Teil selber im fragilen Alter) in Kooperation mit professionellen Dienstleistern (Spitex, Tagesstätte im Quartier St.Fiden, Pro Senectute) betreut. Ihr Alltag ist durch die Pflegezeiten der professionellen Helfenden vorstrukturiert. Für gesellschaftliche Teilhabe außer Haus sind sie auf ihre Ehepartner/Ehepartnerinnen angewiesen.

Einen Beitrag für die Gesellschaft/Gemeinschaft leisten

Im Gebiet St.Fiden gibt es einige Organisationen, welche in ihrem Zweck die Hilfe für Bewohnerinnen und Bewohner des Gebietes, für spezifische Anliegen verschiedener Personengruppen oder für die beiden Quartiere St.Fiden und Krontal im Allgemeinen vorsehen. Darüber hinaus verfügt die Stadt St.Gallen über ein breites Vereinsangebot zu unterschiedlichsten Themen und Interessen. Alle Organisationen, Vereine und Angebote werden in einer jährlichen Beilage des ’St.Galler Tagblattes’ aufgeführt bzw. publiziert. Alle befragten Personen der Zielgruppe gaben an, in keinem Verein Mitglied zu sein und sich in dieser Form gesellschaftlicher Teilhabe nicht zu betätigen. Ein beträchtlicher Teil der ehrenamtlichen Arbeit wird zwar von Personen im Pensionsalter geleistet. Diese Personen stehen allerdings in der Phase des gesunden Rentenalters. [49]

4. Diskussion und Ausblick

Für St.Fiden und Krontal ist die sehr gute Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs positiv hervorzuheben. Negativ fallen insbesondere bauliche Hindernisse auf und die einseitige Ausrichtung der Parks auf Kinder und Familien. Als wichtigste und dringendste Maßnahme muss die altersgerechte Gestaltung des öffentlichen Raumes (Wege, Parks) bezeichnet werden, da Mobilität in vielen Fällen Voraussetzung für selbständige gesellschaftliche Teilhabe ist. Hervorzuheben ist auch der deutliche Befund, dass Orte der Natur häufig und gerne aufgesucht werden. Altersgerechter Zugang und eine auch für alte Menschen anregende Gestaltung von Parks können wesentlich zur Lebensqualität im Quartier beitragen, bieten Raum für unterschiedlichste Kontakte und können Ansporn für Spaziergänge sein. Weiter stellt sich aus den Ergebnissen die Frage nach einem niederschwelligen Treffpunkt in den Quartieren St.Fiden und Krontal. Die Sozialraumanalyse konnte Hinweise für attraktive Rahmenbedingungen eines solchen Angebotes geben. Wo und in welcher Form ein solcher Treffpunkt sinnvoll wäre, müsste Gegenstand weiterer Abklärungen sein.

Diese Empfehlungen beruhen auf den Ergebnissen der Sozialraumanalyse. Diese Wissensgrundlage kann nun Ausgangspunkt des weiteren kooperativen Prozesses sein. Sie ist demnach nicht als Diagnose zweier Quartiere zu verstehen, auf die nun eine von professioneller Seite definierte Intervention folgt. Denn in der sozialräumlichen Arbeit hat die Aktivierung der Menschen Vorrang vor betreuerischen Lösungen. Dies bedeutet, gerade angesichts der vielen in dieser Studie aufgezeigten Barrierewirkungen struktureller Bedingungen, dass ein gleichzeitig unterstützendes und partizipatives Vorgehen notwendig sein wird. So kann sichergestellt werden, dass neue Lösungen auch tatsächlich den Bedürfnissen der alten Menschen im fragilen und pflegebedürftigen Alter entsprechen.

Partizipatives Vorgehen befördert dabei auch die Aneignung des Sozialraumes und die Erkenntnis, dass der öffentliche Raum für alle, also auch für alte Menschen, Lebensraum sein soll und kann. Denn sozialräumliche Altersarbeit steht vor der Herausforderung, mit und für eine Zielgruppe zu arbeiten, welche kaum je ’offensichtlich’ in den Sozialraum drängt. Die sozialräumlichen Defizite werden deshalb nicht als soziales Problem bzw. als politisches Handlungsfeld mit Entwicklungsbedarf wahrgenommen. Für ein verstärktes Interesse an altersgerechten sozialräumlichen Entwicklungen sprechen jedoch die demografische Entwicklung, der Wunsch vieler alter Menschen, möglichst lange zu Hause wohnen zu können und die in der Regel tieferen Kosten ambulanter Hilfen. Jede Einbuße von Selbständigkeit im Alter, die durch eine altersgerechter gestaltete Umwelt funktional ausgeglichen werden könnte, ist deshalb weder aus ökonomischer noch aus sozialpolitischer Perspektive gesellschaftlich tragbar.

Durch unterschiedliche Teilerhebungen innerhalb der Sozialraumanalyse war es möglich, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und diese zueinander in Beziehung zu setzen. Dieses Vorgehen hat sich als zielführend erwiesen. Es ist dem Projektteam gelungen, eine breite und in einzelnen Aspekten auch vertiefte Beschreibung der Quartiere St.Fiden und Krontal fokussiert auf die Fragestellung zu erarbeiten.

Aber die Aussagekraft der Befunde hat zwei wesentliche Begrenzungen. Einerseits war bei den Stadtteilbegehungen mit älteren Menschen aus Kapazitätsgründen nur eine kleine Stichprobe möglich. Die Ergebnisse wurden zwar in den Focusgroups validiert. Trotzdem genügt dies für eine gewisse Repräsentativität oder für Aussagen zum tatsächlichen Bedarf nicht. Das explorative und damit zeitlich aufwändige Vorgehen hat hingegen ermöglicht, diese Perspektive in einer gewissen Tiefe zu beleuchten. Weiter stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse dieser Sozialraumanalyse auch auf andere Quartiere der Stadt St.Gallen übertragbar sind. Diese Frage ist mit einem ’eher nein’, allenfalls mit einem vorsichtigen ’ja, aber’ zu beantworten. Viele strukturelle Bedingungen sind in den Quartieren ähnlich (fehlende Trottoirabgänge, Angebot der Spitex etc.) andere sind sehr verschieden (Versorgung mit Gütern des Alltags, soziale Angebote und Treffpunkte), und auch die sehr unterschiedliche Topografie in den einzelnen Quartieren spielt eine Rolle.

Sollen die Bedingungen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe für alte Menschen in weiteren Quartieren betrachtet werden, muss genau abgeklärt werden, inwieweit die Quartiere vergleichbar sind. In jedem Fall wird sozialräumliche Altersarbeit jedoch verpflichtet sein, die Stimmen der älteren Quartierbewohnerinnen und Quartierbewohner aufzunehmen und einzubeziehen.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Alisch, Monika (2008): Von der Gemeinde zur Grossstadt und zurück: Methodologische und systematische Traditionen der Analyse sozialer Räume. In: Alisch, Monika/May, Michael (Hrsg.). Praxisforschung im Sozialraum. Fallstudien in ländlichen und urbanen Räumen. Opladen & Farmington Hills. Verlag Barbara Budrich. S. 21-44.

Böhnisch, Lothar (2012): Sozialpädagogik der Lebensalter. Eine Einführung. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. 6., überarbeitete Auflage.

Böhnisch, Lothar/Schröer, Wolfgang (2010): Soziale Räume im Lebenslauf. In: sozialraum.de (2) 1/2010, online unter: http://www.sozialraum.de/soziale-raeume-im-lebenslauf.php Datum des Zugriffs: 19.06.2011

Bohnsack, Ralf (2000): Gruppendiskussion. In: Flick, Uwe/von Kardoff, Ernst/Steinke, Ines (Hrsg.). Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 7. Auflage. S. 269-384.

Deinet, Ulrich (2006): Der qualitative Blick auf Sozialräume als Lebenswelten. In: Deinet, Ulrich/Krisch Richard. Der sozialräumliche Blick der Jugendarbeit. Methoden und Bausteine zur Konzeptentwicklung und Qualifizierung. Wiesbaden: VS Verlag. S. 31-44.

Deinet, Ulrich (2007): Lebensweltanalyse – ein Beispiel raumbezogener Methoden aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit. In: Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian: Sozialraum. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag. S. 57-72.

Deinet, Ulrich (2009): Analyse- und Beteiligungsmethoden. In: Deinet, Ulrich (Hrsg.) Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS Verlag. S. 65-86.

Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen (2006): Wohnen in der Stadt St.Gallen. Stadtstatistik aktuell Nr. 3.

Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen (2010): Anzahl Personen der ständigen Wohnbevölkerung, nach Altersklassen und Quartier Juli 2010, unveröffentlicht.

Fachstelle für Statistik Kanton St.Gallen (2012): Auskunft zur Quartierbevölkerung im Gebiet St.Fiden-Krontal per Mail erhalten am 23.01.2012. Stichtag 31.12.2011, unveröffentlicht.

Flick, Uwe (2008): Triangulation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag, 2. Auflage.

Flick, Uwe (2010): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt. 3. Auflage.

Früchtel, Frank/Budde, Wolfang/Cyprian, Gudrun (2010): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook: Methoden und Techniken. Wiesbaden: VS Verlag, 2., durchgesehene Auflage.

Gredig, Daniel/Sommerfeld, Peter (2010): Neue Entwürfe zur Erzeugung und Nutzung lösungsorientierten Wissens. In: Otto, Hans-Uwe/Polutta, Andreas/Ziegler, Holger (Hrsg.) What works – Welches Wissen braucht die Soziale Arbeit? Zum Konzept evidenzbasierter Praxis. S. 83-98.

Helfferich, Cornelia (2009): Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS Verlag, 3., überarbeitete Auflage.

Hinte, Wolfgang (2006): Geschichte, Quellen und Prinzipien des Fachkonzepts „Sozialraumorientierung“. In: Budde,Wolfgang/Früchtel, Frank/Hinte, Wolfgang (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Wege zu einer veränderten Praxis. Wiesbaden: VS Verlag. S. 7-24.

Höpflinger, François (2009a): Wandel des Alters – neues Alter für neue Generationen. Online unter www.hoepflinger.com/fhtop/Wandel-des-Alters.pdf Datum des Zugriffs: 26.07.2011

Höpflinger, François (2009b): Age Report 2009. Einblicke und Ausblicke zum Wohnen im Alter. Zürich, Genf: Seismo Verlag.

Höpflinger, François (2009c): Soziale Beziehungen im Alter – Entwicklungen und Problemfelder. Online unter: www.hoepflinger.com/fhtop/Soziale-Kontakte.pdf Zugriff am 26.07.2011

Höpflinger, François/Stuckelberger, Astrid (1999): Alter Anziani Vieillesse. Hauptergebnisse und Folgerungen des Nationalen Forschungsprogrammes NFP 32. Bern, Online unter www.snf.ch/SiteCollectionDocuments/nfp_resultate_nfp32_d.pdf Zugriff am 19.07.2011

Kelle, Uwe/Erzberger, Christian (2009): Qualitative und quantitative Methoden: kein Gegensatz. In: Flick, Uwe/von Kardoff, Ernst/Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, 7. Auflage. S. 299-309.

Keller, Stefan (1994): Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich: Rotpunktverlag, 3. Auflage.

Knopp, Reinhold (2009): Sozialraumerkundung mit Älteren. In: Deinet, Ulrich (Hrsg.): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS Verlag. S. 155-164.

Kreuzer, Volker (2006): Altengerechte Wohnquartiere. Stadtplanerische Empfehlungen für den Umgang mit der demografischen Alterung auf kommunaler Ebene. Dortmund: Institut für Raumplanung (IRPUD) Fakultät Raumplanung. Blaue Reihe: Dortmunder Beiträge zur Raumplanung (125).

Kreuzer, Volker/Scholz, Tobias (2008): Handlungsfelder einer altersgerechten Stadtentwicklung. In: Kreuzer, Volker/Reicher, Christa/Scholz, Tobias (Hrsg.): Zukunft Alter. Stadtplanerische Handlungsansätze zur altersgerechten Quartierentwicklung. Dortmund: Institut für Raumplanung (IRPUD) Fakultät Raumplanung. Blaue Reihe: Dortmunder Beiträge zur Raumplanung (130). S. 83-102.

Krisch, Richard (2006): Methoden einer sozialräumlichen Lebensweltanalyse. In: Deinet, Ulrich/Krisch, Richard: Der sozialräumliche Blick auf Jugendarbeit. Methoden und Bausteine zur Konzeptentwicklung und Qualifizierung. Wiesbaden: VS Verlag. S. 87-154.

Levasseur, Melanie/Richard, Lucie/Gauvin, Lise/Raymond, Emile (2010): Inventory and analysis of definitions of social participation found in the aging literature: Proposed taxonomy of social activities. In: Social Sciences & Medicine (71) S. 2141–2149. Online unter: www.saencedirect.com/science/article/pii/S0277953610007185 Zugriff am 02.10.2011

Löw, Martina (2001): Raumsoziologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim und Basel: Beltz, 11., akt. und überarb. Auflage.

Mollenkopf, Heidrun/Flaschenträger, Pia (1996): Mobilität zur sozialen Teilhabe im Alter. Discussion Paper FS-III 96-401. Wissenschaftszentrum Berlin. Online unter http://bibliothek.wz-berlin.de/pdf/1996/iii96-401.pdf Zugriff am 27.07.2011.

Mollenkopf, Heidrun/Oswald, Frank/Wahl, Hans-Werner/Zimber, Andreas (2004): Räumlich-soziale Umwelten älterer Menschen: Die ökogerontologische Perspektive. In: Kruse, Andreas/Martin, Mike (Hrsg.): Enzyklopädie der Gerontologie. Alternsprozesse in multidisziplinärer Sicht. Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe. S. 343-361.

Nideröst, Sibylle/Gredig, Daniel/Baur, Roland (2007): Forschungsbasierte Interventionsentwicklung zur HIV/Aids-Prävention. Entwicklung und Implementierung eines Handungskonzeptes zur Präventionsarbeit mit Männern. In: Sommerfeld, Peter/Hüttemann, Matthias (Hrsg.): Evidenzbasierte Soziale Arbeit. Nutzung von Forschung in der Praxis. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. S. 116-132.

Paul Grüninger Stiftung. Online unter: http://www.paul-grueninger.ch/pagine/stiftung/werwar.html Zugriff 29.11.2011.

Riege, Marlo/Schubert, Herbert (2005): Zur Analyse sozialer Räume – Ein interdisziplinärer Integrationsversuch. In: Riege, Marlo/Schubert, Herbert (Hrsg.): Sozialraumanalyse. Grundlagen – Methoden – Praxis. Wiesbaden: VS Verlag, 2. Auflage. S. 7-70.

Schneider-Sliwa, Rita (2004): Städtische Umwelt im Alter. Präferenzen älterer Menschen zum altersgerechten Wohnen, zur Wohnumfeld- und Quartiergestaltung. Basel: Kommissionsverlag Wepf. Geografisches Institut der Universität Basel: Basler Stadt- und Regionalforschung (26).

Solidaritätsnetz Ostschweiz: Solidaritätshaus. Online unter http://www.solidaritaetshaus.ch/solidaritaetshaus Zugriff am 29.11.2011.

Spatscheck, Christian (2009): Methoden der Sozialraum- und Lebensweltanalyse im Kontext der Theorie- und Methodendiskussion der Sozialen Arbeit. In: Deinet, Ulrich (Hrsg.): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS Verlag. S. 33–44.

St.Gallen (o.J.a). Tempo–30–Zonen. Onlie unter http://www.stadt.sg.ch/home/soziales_und_sicherheit/stadtpolizei/verkehr/tempo_30_zonen.html Zugriff am 29.11.2011.

St.Gallen (o.J.b). Stadtplan. Online unter http://stadtplan.stadt.sg.ch//frame.php?site=stgallen_internet&lang=de&group=public&resol=2&map=bp_stadtplan.map&tool=coord&objID=&val1=746200&val2=254400&zoom=2600 Zugriff am 11.04.2012.


Fussnoten

[1] Pro Senectute ist die grösste Fach- und Dienstleistungsorganisation für alte Menschen in der Schweiz. Sie ist in allen Regionen der Schweiz vertreten und gestaltet ihre Angebote je nach lokalem und regionalem Bedarf unterschiedlich. Der Auftrag zu dieser Sozialraumanalyse wurde von der Pro Senectute der Stadt St.Gallen erteilt, welche bereits eine Sozialberatung, Kurse und Gruppenaktivitäten sowie einen Haushilfedienst für alte Menschen anbietet.

[2] Sind alle drei Personen involviert, wird im Folgenden vom ’Projektteam’ gesprochen. Der zeitliche Aufwand des Projektteams betrug rund 600 Arbeitsstunden, wobei ca. 2/3 von der Autorin und 1/3 von den Fachmitarbeitenden der Pro Senectute geleistet wurden.

[3] Höpflinger und Stuckelberger nennen da u.a. verschiedene Berufs- und Bildungsschichten, Einkommen, Wohnqualität.

[4] Diese Phasen werden häufig auch als ’Hochaltrigkeit’ oder ’Viertes Lebensalter’ bezeichnet. Der funktionale Zugang relativiert die Wichtigkeit der Lebensjahre und fokussiert die gesundheitsbedingten Einschränkungen. Zur Definition der vier Lebensphasen im Alter wird verwiesen auf Höpflinger 2009a: 5/Höpflinger 2009b: 24f./Knopp 2009: 156.

[5] Levasseur et al. haben 43 Definitionen von ’social participation’ aus den Bereichen Public Health, Rehabilitation, Gerontologie, Psychologie, Soziologie, Soziale Arbeit und Bildung ausgewertet, welche in den Jahren 1981 – 2009 publiziert wurden. Dabei stellten sie fehlende Übereinstimmung in den Definitionen sowie eine Vielzahl von Konzeptualisierungen und Skalierungen zur Messung von gesellschaftlicher Teilhabe fest. Aufgrund ihrer Analyse kommen sie zum Schluss, dass die meisten Definitionen von ’gesellschaftlicher Teilhabe’ auf die Teilnahme von Personen an Aktivitäten fokussieren, welche eine Interaktion mit anderen Personen in der Gesellschaft oder Gruppe/Gemeinschaft (community) bieten.

[6] Levasseur et al. unterscheiden innerhalb dieses Schemas ’social participation’ (3 – 6) von ’participation ’ (1 – 6) und ’social engagement’ (5 und 6) (vgl. Levasseur et al. 2010: 2145).

[7] Der Begriff „Spitex“ bedeutet „spitalexterne Pflege und Hilfe“ und umfasst Pflege und Betreuung zu Hause, wobei die Pflege in der Regel durch die Krankenversicherungen bezahlt wird. Hilfen, wie Mahlzeitendienste, Begleitungen für Besorgungen oder Hilfen im Haushalt müssen von den Betroffenen überwiegend selber finanziert werden.

[8] Die Konzepte der ökologischen Gerontologie aus der Altersforschung und diejenigen des Sozialraums aus der Raumsoziologie und Sozialen Arbeit fokussieren beide dieses Verhältnis von Person und Umwelt bzw. Lebenswelt und Sozialraum.

[9] Die methodische Entwicklung der Studie oblag der Forscherin. Alle Vorschläge wurden in regelmässigen Besprechungen im Projektteam diskutiert und entschieden. Die Erhebungen wurden gemeinsam durchgeführt, wodurch forschungsmethodischen Kriterien wie auch Fragen der Praxisrelevanz und des Aufbaus von Kooperationen für die weiterführende sozialräumliche Altersarbeit in den Quartieren Rechnung getragen werden konnte. Zur Konzeption von kooperativer Wissensbildung und zur Zusammenarbeit von Forschung und Praxis wird auf die Ausführungen von Gredig/Sommerfeld (2010: 93–96) und Nideröst/Gredig/Baur (2007: 120) verwiesen.

[10] Riege und Schubert sprechen hier von sozialen und sozioökonomischen Strukturen. Gemeint sind beispielsweise Segregationsmuster (nach Klasse, Einkommen, Ethnizität), welche auf baulich-physische Raumstrukturen bezogen werden können. Für die vorliegende Sozialraumanalyse waren nur sehr wenige Daten in diesem Bereich erhältlich. Diese erlaubten keine Differenzierung nach Wohngebieten innerhalb der beiden Quartiere.

[11] Die Einstiegsfrage lautete bei allen Begehungen: ’Wir interessieren uns dafür, welche Orte und Angebote im Quartier Sie nutzen. Wo und zu welchen Anlässen treffen Sie andere Leute im Quartier? Wir bitten Sie deshalb, uns auf Ihre Wege im Quartier mitzunehmen und uns unterwegs zu erzählen, was Ihnen an diesen Orten wichtig ist und auf welche Hindernisse Sie allenfalls auf dem Weg dahin stossen.’

[12] Damit wurde der Perspektive der Betroffenen eine grössere Wichtigkeit gegeben als den anderen Perspektiven (Fachleute, Institutionen). Dies entspricht einer der wichtigsten Handlungsmaximen sozialräumlicher Arbeit, wonach die Interessen der Betroffenen im Zentrum stehen (vgl. Hinte 2006: 9).

[13] An den Stadtteilbegehungen und in den Focusgroups nahmen nicht die gleichen Personen teil.

[14] Die beiden Quartiere St.Fiden und Krontal entsprechen der administrativen Einheit 303 St.Fiden der Stadt    St.Gallen (vgl. St.Gallen o.J.b). Sind beide Quartiere gemeint, wird im Folgenden vom Gebiet St.Fiden gesprochen. Im Gebiet St.Fiden gibt es acht Wohngebiete, fünf davon im Quartier St.Fiden (Grossacker, Flurhof, Birnbäumen, Hagenbuch, St.Fiden) und drei im Quartier Krontal (Bruggwiesen, Harzbüchel und Krontal).

[15] Eine der Hauptverkehrsachsen der Stadt St.Gallen. Sie verläuft in ost-westlicher Richtung.

[16] Schweizer Grossverteiler

[17] Das im Jahr 2011 von einem privaten Verein eröffnete Solidaritätshaus ist ein offener Begegnungsort für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten und Schweizerinnen und Schweizer. Es bietet Veranstaltungen, Kurse und einen Mittagstisch und soll nach dem Wunsch der Initiantinnen und Initianten des Vereins ’Solidaritätsnetz Ostschweiz’ auch ein Treffpunkt im Quartier werden (vgl. Solidaritätsnetz Ostschweiz o.J.).

[18] Das Bürgerspital ist ein auf Altersmedizin spezialisierte Akut- und Rehabilitationsklinik. Es bietet sowohl stationäre wie ambulante medizinische und therapeutische Behandlungen an.

[19] Es ist nach dem St.Galler Polizeikommandanten benannt, welcher jüdischen Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes, trotz vom Bundesrat geschlossener Grenzen, zur Flucht in die Schweiz verhalf und deswegen entlassen und verurteilt (vgl. Keller 1994) und im Jahr 1993 durch die St.Galler Regierung politisch, und im Jahr 1994 durch das St.Galler Bezirksgericht auch juristisch rehabilitiert wurde (vgl. Paul Grüninger Stiftung o.J.).

[20] Quelle: Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen: Anzahl Personen der ständigen Wohnbevölkerung, nach Altersklassen und Quartier Juli 2010, unveröffentlicht

[21] vgl. Fachstelle für Statistik des Kantons St.Gallen 2012. Weitere sozio-demografische Angaben liegen auf Quartierebene nicht vor.

[22] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen, der Institutionenbefragung und den beiden Focusgroups

[23] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[24] Die alten Menschen schätzten, dass sie vor dem Betreten des Migros-Ladens sehen konnten, wer sich im Café aufhält. Entsprechend entschieden sie sich nach dem Einkauf für oder gegen einen Besuch des Cafés, je nachdem, ob sie Bekannte oder Nachbarinnen/Nachbarn bemerkten, zu denen sie sich setzen wollten. (Erkenntnis aus Stadtteilbegehungen mit alten Menschen).

[25] Vor allem Menschen die auf Pflege angewiesen sind, sind in der Alltagsgestaltung oft nicht flexibel. So kann sich beispielsweise die Morgentoilette (inkl. Hilfe durch die Spitex) bis 10.00 Uhr ausdehnen. In der Folge passt ein Mittagstisch um 12.00 Uhr nach einem Frühstück um 10.30 Uhr oder ein Treffpunkt mit Morgenöffnungszeiten nicht in den Tagesablauf.

[26] Ein Ergebnis der Stadtteilbegehungen mit alten Menschen war, dass Angebote nicht besucht werden, weil sie von kirchlicher Seite organisiert sind oder weil sie von der ’anderen’ Konfession (evang./kath.) organisiert sind. Dies, obwohl sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirchgemeinde in St.Fiden eine starke ökumenische Ausrichtung aufweisen.

[27] Vgl. auch Schneider-Sliwa 2004: 98, wonach Orte der Natur von 30 % der über 85-Jährigen mehrmals pro Monat oder öfter aufgesucht werden

[28] Erkenntnis aus Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[29] Erkenntnis aus beiden Focusgroups

[30] Vgl. Kategorisierung nach Levasseur et al. 2010, erweitert um die Kategorie ’sich helfen lassen’

[31] Erkenntnis aus Stadtteilbegehungen mit alten Menschen und der Institutionenbefragung

[32] Erkenntnis aus der Institutionenbefragung

[33] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[34] Angst-Orte werden gemieden, man geht nicht gerne hin. In St.Fiden wurden die Unterführung zum ‘Grossacker‘ und der Friedhof (zu bestimmten Tageszeiten) von den befragten Personen genannt.

[35] Ergebnisse aus  den eigenen Stadtteilbegehungen des Projektteams und denjenigen mit alten Menschen

[36] Ergebnisse aus den eigenen Stadtteilbegehungen des Projektteams und denjenigen mit alten Menschen, sowie der Institutionenbefragung

[37] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehung mit alten Menschen und der Institutionenbefragung

[38] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[39] Ergebnisse aus Stadtteilbegehungen mit alten Menschen, Institutionenbefragung, beiden Focusgroups

[40] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehung mit alten Menschen und der Institutionenbefragung

[41] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[42] Für die befragten alten Menschen haben die Spaziergänge im Quartier auch die Funktion von sportlicher Betätigung. Darüber hinaus wurden keine anderen sportlichen Aktivitäten genannt. Schneider-Sliwa (2004: 91) kommt zum Schluss, dass sich noch 50 % der über 85 Jährigen regelmässig sportlich betätigen. Um welche Aktivitäten es sich dabei handelt, wurde nicht ermittelt.

[43] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[44] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[45] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[46] Diese Befunde decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen des Bundesamtes für Statistik (2000: 26f.) wonach ältere Menschen in großem und regelmäßigem Umfang Hilfe leisten. Gemäß Bundesamt für Statistik wird von älteren Menschen jedoch mehr Hilfe an Freunde und Nachbarinnen geleistet. Diese Aussage konnte in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden. Die befragten älteren Menschen leisten sehr viel Hilfe, aber fast ausschliesslich für Familienmitglieder.  Die Aussagen der befragten älteren Menschen bestätigen jedoch die Ausführungen von Höpflinger, wonach nachbarschaftliche Hilfe eher kurzfristig geleistet wird (vgl. Höpflinger 2009c: 15).

[47] Ergebnisse aus den Stadtteilbegehungen mit alten Menschen

[48] Die Kategorien ’sich von anderen helfen lassen’ und ’anderen helfen’ sind auf der gleichen Ebene angesiedelt. Es wurde keine hierarchische Unterscheidung vorgenommen.

[49] Vgl. Focusgroup mit alten Menschen aus beiden Quartieren


Zitiervorschlag

Allenspach, Monika (2016): Zur gesellschaftlichen Teilhabe fragiler und pflegedürftiger alter Menschen – eine Sozialraumanalyse in den St.Galler Quartieren St.Fiden und Krontal. In: sozialraum.de (5) Ausgabe 1/2013. URL: https://www.sozialraum.de/zur-gesellschaftlichen-teilhabe-fragiler-und-pflegeduerftiger-alter-menschen.php, Datum des Zugriffs: 25.04.2024