Editorial zur Ausgabe 2/2021
Liebe Leser:innen,
mit der vorliegenden Ausgabe 2/2021 erscheinen 15 neue Beiträge zum sozialräumlichen Denken und Handeln in der Sozialen Arbeit und den Sozialwissenschaften. Anhand der thematischen Bandbreite der Texte spiegelt auch diese Ausgabe die Vielfalt und die unterschiedlichen Reflexions- und Handlungsbezüge des sozialräumlichen Diskurses sehr vielschichtig wider. Nachdem bereits im Juni eine Special Issue 1/2021 von sozialraum.de erschien, liegt mit der Ausgabe 2/2021 die für dieses Jahr zweite Ausgabe vor.
In der Rubrik „Grundlagen“ beginnt Felix Manuel Nuss mit einem Beitrag zur theoretischen und ethischen Begründbarkeit des Begriffs der Willensorientierung mit dem er an einer in letzter Zeit besonders kontrovers diskutierten Fragestellung der Sozialraumorientierung anknüpft. Herbert Schubert beleuchtet in seinem Beitrag das Verhältnis von Quartierentwicklung, öffentlich Sicherheit und Lebensqualität und gibt dabei konkrete Hinweise für die sozialräumliche Gestaltung von Planungsprozessen. Annkathrin Schwerthelm formuliert in ihrem Beitrag ein Plädoyer für eine angesichts des Zusammenspiels von virtuellen und realweltlichen Räumen nötige theoretische Begriffserweiterung für die Betrachtung von Raumphänomenen. Und Martin Becker betrachtet die Auswirkungen und Bewältigungsformen der Covid-19-Pandemie im Kontext des Handlungskonzeptes der Sozialraumorientierung und leitet dabei weitere Schlüsse ab.
Im Methodenkoffer stellen Katharina Kirsch-Soriano da Silva und Senada Bilalic dar, wie sie Methoden der Biographiearbeit für die Gestaltung von Reflexionsprozessen und die Involvierung von Bürger:innen in der Gemeinwesenarbeit einsetzen. Michael Fehlau und Anne van Rießen erörtern in ihrem Beitrag, wie sozialräumliche Analyse- und Beteiligungsmethoden im Kontext der Digitalisierung weiter entwickelt und konzeptualisiert werden können. Bianca Jahnke und Elvira Schulenberg widmen sich in ihrem Beitrag den mobilen Methoden der Sozialraumanalyse mit hochaltrigen Menschen und stellen dabei die Methode der „E-Mobile-Along-Interviews“ vor, bei der räumliche Settings gemeinsam auf Fahrradrikschas erkundet werden.
Als Gast der Ausgabe konnten wir mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 1265 „Re-Figuration von Räumen“ einen großen Forschungsverbund gewinnen, der derzeit die Raumtheorie und die raumtheoretische Forschung im Rahmen seiner transnational und transferbezogenen Grundlagenforschungsprojekte in besonderer Weise konzeptionell voran bringt. Mit diesem Gast schlagen wir auch eine thematische Brücke zur Special Issue 1/2021, die von vier Kolleg:innen aus dem Kreis des SFB 1265 als Gasteditor:innen erstellt wurde.
In der Rubrik Projektestellen Hendrik Trescher und Teresa Hauck vor, wie sie anhand ethnographischer Sozialraumbegehungen die raumbezogenen Dimensionen von Teilhabe und Ausschluss empirisch geleitet erschließen und rekonstruieren können. Marion Einsiedler, Ursula Müller und Patricia Pfeil legen dann dar, wie sie das Thema Inklusion im raumbezogenen Projekt „Modellregion Inklusion Kempten“ im Kontext verschiedener Institutionen erforschten. Katharina Gosse präsentiert die zentralen Ergebnisse einer diskursanalytischen Studie zu institutionenbezogenen Raumdeutungen im Kontext von Ganztagskooperationen zwischen Schulen und der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Anja Pannewitz betrachtet in ihrem Beitrag zu einem empirischen Projekt die raumbezogenen Aspekte von Gewaltausübung in familialen und öffentlichen Räumen. Und Felix Seidel arbeitet in seiner Studie heraus, welche Subjektivierungsweisen Menschen im öffentlichen Raum rund um den Bremer Hauptbahnhof entwickeln, die in öffentlichen Aufwertungsdispositiven problematisiert werden und berichtet dabei von der „Unmöglichkeit, nicht nicht da zu sein“.
In der Rubrik Praxis widmen sich Lothar Stock und Hester Butterfield dem US-amerikanischen Organizer Shel Trapp und schildern sehr anschaulich dessen fachliche Haltungen und Strategien. Diana Lölsdorf berichtet von Praxiserfahrungen aus der postmigrantisch geprägten Arbeit mit Fotos im öffentlichen Raum, bei der Familienkulturen auf digital erweiterten Litfaßsäulen in einem Hamburger Quartier thematisiert und sichtbar gemacht wurden.
Wir wünschen nun viel Freude beim Lesen und eine anregende Beschäftigung mit den Beiträgen dieser Ausgabe.
Bremen, Düsseldorf, St.Gallen, Wien im Oktober 2021
Christian Spatscheck, Ulrich Deinet, Christian Reutlinger, Richard Krisch