Nadelmethode
Ulrich Deinet, Richard Krisch
Die Nadelmethode ist ein Verfahren zur Visualisierung von bestimmten Orten und Plätzen (wie z.B. Wohngegenden oder Treff- und Streifräumen), die jederzeit in der Jugendarbeit angewandt werden kann und augenblicklich zu Ergebnissen führt. Bei dieser aktivierenden Methode, die von Norbert Ortmann entworfen wurde, werden von Kindern, Jugendlichen oder anderen Zielgruppen auf Karten von Stadtteilen/Sozialräumen bestimmte Orte mit Hilfe farbiger Stecknadeln markiert.
Werden entsprechend bestimmter Kriterien, wie Alter oder Geschlecht, Nadeln in unterschiedlichen Farben verwendet, sind nach Abschluss des Projektes differenzierte Aussagen - beispielsweise über von Mädchen präferierten oder von jüngeren Jugendlichen gemiedenen Orte - möglich.
Ein typisches Thema für den Einsatz der Nadelmethode wäre die Frage nach informellen Treffpunkten von Jugendlichen in einem Stadtteil/Sozialraum. Entscheidend für den Erfolg ist die Fragestellung und die damit verbundenen Kriterien, die in der Regel in unterschiedlichen Nadelfarben repräsentieren, ob Mädchen oder Jungen unterschiedlicher Altersstufen die informellen Orte markiert haben. Mit der Frage nach bestimmten Orten und informellen Treffpunkten kann auch eine erste Einschätzung der Qualitäten verbunden werden, wenn z.B. nach Angsträumen oder unheimlichen Orten gefragt wird. Selbstverständlich kann das Verfahren mittels weiterer Stellwände und zusätzlichen Nadeln durch andere inhaltliche Fragestellungen und Positionierungen wie z.B. bevorzugte Freizeitaktivitäten o.ä. erweitert werden.
Die Nadelmethode ist sowohl in Institutionen, z.B. in Jugendeinrichtungen und Schulen anwendbar, als auch im öffentlichen Raum oder sogar als Mobile Nadelmethode (vgl. Krisch 2009, S. 85), etwa so, dass PassantInnen auf bestimmte Orte in einem Stadtteil/Sozialraum angesprochen werden und diese dann auf einer mitgeführten Karte markiert werden. Der Stadtplan ist dann auf einer mobilen Stellwand oder auf einer Styroporplatte befestigt und soll somit dazu dienen, Informationen über spezifische Orte zu ermöglichen und solcherart einen kommunikativen Zusammenhang zu schaffen, denn wie bei anderen Analyse- und Beteiligungsmethoden geht es natürlich auch hier um die Gespräche, die entstehen wenn Jugendliche, Kinder oder Erwachsene ihre Nadeln stecken und es zu einer Kommunikation mit den FeldforscherInnen/Fachkräften kommt. Dafür muss auch das Setting stimmen, d. h. die Standorte und Situationen, in denen die Zielgruppen ihre Nadeln stecken, müssen gut ausgewählt sein, um Gespräche zu ermöglichen.
Die Nadelmethode gibt einen guten Überblick, hat aber wenig Erkenntnistiefe in Bezug auf die Qualitäten einzelner Orte. Es können aber wichtige Hinweise für weiterführende Methoden entstehen, etwa für strukturierte Stadtteilbegehungen, um die Orte z.B. durch Befragungen näher zu erforschen.
Auch wenn es möglich ist, die Nadeln auszuzählen und z. B. Vergleiche zwischen Jungen und Mädchen zu ziehen, so handelt es sich doch um eine qualitative Methode, bei der es vorrangig um Einschätzungen von Orten und Räumen geht, um deren Qualitäten, um Gespräche über solche Orte und Hinweise für FeldforscherInnen/Fachkräfte, um z. B. dann solche Orte aufzusuchen und weiter zu forschen. Das Auszählen der Nadeln sollte deshalb nur ein erster Schritt sein, der den qualitativen Aspekt der Methode nicht überlagern darf. Andererseits können mit der Nadelmethode in relativ kurzer Zeit viele Personen einbezogen werden, ähnlich wie in einer kurzen Befragung. Auch hier bieten sich natürlich Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Methoden an; die Nadelmethode hat sich in zahlreichen Projekten aber als ideale Einstiegsmethode bewährt. Zu empfehlen ist es, sie mit anderen Methoden zu kombinieren und nicht nur in Einrichtungen, sondern auch im öffentlichen Raum anzuwenden. Zielsetzungen und Fragestellungen sollten präzise formuliert sein.
Die Nadelmethode kann besonders einen aktivierenden Charakter haben, wenn etwa Jugendliche in ein Projekt einbezogen werden, bei dem es um die Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum geht. Sie ist eine ideale Einstiegsmethode einer Sozialraumanalyse, weil damit die Zielgruppen sehr niederschwellig angesprochen werden, d. h. ohne großen Aufwand lassen sich Kinder, Jugendliche und weitere Personen dazu motivieren, bestimmte Orte in einem Sozialraum zu kennzeichnen. Sie ermöglicht die aktive Einbeziehung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und führt mit einem geringen Aufwand zu schnellen Ergebnissen.
Ulrich Deinet: Analyse und Beteiligungsmethoden. In: Ulrich Deinet (Hrsg.): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden 2009. S.68 f.
Richard Krisch: Sozialräumliche Methodik der Jugendarbeit. Aktivierende Zugänge und praxisleitende Verfahren. Weinheim und München 2009. S. 78 - 87
Zitiervorschlag
Deinet Ulrich und Richard Krisch (2009): Nadelmethode. In: sozialraum.de (1) Ausgabe 1/2009. URL: https://www.sozialraum.de/nadelmethode.php, Datum des Zugriffs: 20.11.2024