Erving Goffmans Soziologie des Raums

Fraya Frehse

[1]

Einleitung

Betrachtet man die seit dem Jahre 2000 veröffentlichten Reflexionen zur spezifisch soziologischen Auffassung des Raums innerhalb des Faches, so stößt man hauptsächlich im Rahmen der deutschen Soziologie auf erläuternde Bestandsaufnahmen zu der Art, wie verschiedene Autoren, ältere und zeitgenössische, den Raum soziologisch konzeptualisieren (vgl. u. a. Sturm 2000; Löw 2001; Löw 2005, S. 241-242; Schroer 2006; 2008, S. 132-143). In dieser Diskussion nimmt der Name Erving Goffmans (1922-1982) eine eigenartige Position ein. Man erkennt ihm eine bahnbrechende Rolle an bei der konzeptionellen Erfassung des „Wie“ der Herstellung von sozialen Räumen mittels des Körpers (Sturm 2000, S. 184; Löw 2005, S. 242; Schroer 2006, S. 17, 215, 284, 294), wobei in diesem Kontext seine Konzeptualisierung des „Territoriums des Selbst“ besonders hervorgehoben wird. Nichtsdestotrotz stellen Goffmans Raumvorstellungen keinen eigenständigen Wissensgegenstand dar. Sie werden lediglich mit Bezug auf das Giddens’sche Raumkonzept thematisiert, welches an Goffmans Begriffe der „Regionen“ und der „totalen Institution“ anknüpft, um das Konzept der Regionalisierung zu entwickeln (Löw 2001, S. 41; Schroer 2006, S. 108f., 118).

Diese Fokussierungen entsprechen einer Auffassungstendenz, die sich schon länger in der angloamerikanischen sozialwissenschaftlichen Literatur wiederfinden lässt. Im Rahmen einer Forschung über die Art und Weise, wie die Anthropologie die Beziehungen zwischen Gesellschaft, Kultur und gebauter Umgebung behandelt, wurde die Wichtigkeit von Goffmans auf dem Konzept der „Territorialität interpersoneller Beziehungen“ basierendem „dramaturgischem Ansatz“ für die „psycho-kulturelle“ Auffassung der Raumbeziehungen hervorgehoben (Low/Lawrence 1990, S. 480). Aus einer eigens soziologischen Perspektive wiederum wurde (Tickamyer 2000, S. 807) die Bedeutung der Goffman'schen „Regionen“ als eines der konditionierenden Elemente persönlicher Begegnungen für eine spezifisch soziologische Erörterung des Raums betont. Nun handelt es sich in diesen Fällen eher um kurze Anmerkungen zu Goffman'schen Raumbegriffen. Sie gehen Hand in Hand mit anderen Recherchen in denen die Konzepte Goffmans dazu verhelfen, die Beziehungen der Individuen mit bestimmten „Orten“ besser zu verstehen (Henderson 1975; Bell 1997, S. 820ff.).

Von dieser eher fragmentären Präsenz Erving Goffmans in der soziologischen Debatte zum Raum ausgehend, möchte ich in diesem Beitrag die Konturen von Goffmans Soziologie des Raums präzisieren, wobei letztere hier nicht mit „Raumsoziologie“ als bestimmte soziologische Teildisziplin gleich gesetzt werden kann, welche die „Konstitution von Räumen“ untersucht (Löw 2001, S. 57). Mit Soziologie des Raums beziehe ich mich allgemein auf die Palette soziologischer Ansätze, die sich theoretisch mit der physisch-materiellen Dimension des sozialen Lebens beschäftigen und in diesem Zusammenhang konzeptionell auf die Rolle des „Raums“ in sozialen Verhältnissen und Interaktionen verweisen. Mein Argument ist zweiteilig: das Goffman'sche Werk der 1950er, 1960er und vom Anfang der 1970er Jahre ist von soziologischen Reflexionen zum Raum durchzogen, die chronologisch betrachtet ein für die soziologische Debatte alternatives, mehrdimensionales Raumkonzept in den Vordergrund bringen.

Um dieses Statement zu entwickeln, möchte ich die Fragestellung angehen, wie Goffman theoretisch eine Problematik angeht, die unausweichlich ist für die verschiedenen sich konzeptionell mit dem Raum beschäftigenden SoziologIinnen. Ich meine den physischen Raum. Dieser wird in der Soziologie in Abhängigkeit von den jeweiligen theoretischen Perspektiven zum Raum unterschiedlich erfasst: u. a. als Territorium (Durkheim 1893), als geografischer Raum und gebaute Umwelt (Simmel 1903, 1908), als Natur, Kosmos und Materialität (Lefebvre 2000/1974), als Verteilung von Gütern, Dienstleistungen, Akteuren und Gruppen (Bourdieu 1991), als materielle Umwelt von menschlichen Artefakten, Naturgegebenheiten und dem physischen Organismus des handelnden Menschen (Löw 2001), als „Vorfindbares“, d. h. Produkt der Handlungen anderer oder natürliche Bedingung (Ipsen 2002), und jüngst auch – eine Neuigkeit in der Diskussion – als eine besondere, „physische“ Art der Raumbestimmung (Weidenhaus 2015, S. 38-40). Wenn diese Problematik das soziologische Denken seit langem herausfordert, dann meines Erachtens auch u. a. deswegen, weil die physische Materialität der Welt durch ihre empirische Prägnanz einen geeigneten empirischen Ausgangspunkt darstellt für die erkenntnistheoretische Suche nach einem für die Soziologie konzeptionell fruchtbaren Raumbegriff. Von dieser Annahme ausgehend erkenne ich inmitten der Auffassungsvielfalt des physischen Raums in der Soziologie eine Gemeinsamkeit: Die Anwendung des Begriffs richtet sich auf die physisch-materielle Umgebung des sozialen Lebens unter Menschen.

Auf dieser Definition heuristischer Natur beziehe ich mich hier, um Goffmans theoretische Auslegung des physischen Raums zu untersuchen. Es handelt sich um eine weitere faszinierende und vielseitige Dimension seines Werkes, die aber dennoch bisher ungenügend bekannt ist.

Denn auch unter den Goffmanexperten wird die theoretische Rolle des physischen Raums in der Soziologie des Autors wenig behandelt. Mehr als dreißig Jahre nach seinem Tod fehlt es nicht an Monografien und Aufsatzsammlungen, die im Rahmen aktueller empirischer und theoretischer Problematiken der Sozialwissenschaften theoretische und methodologische Thematiken dieses Soziologen und Anthropologen aufgreifen und sie konzeptionell behandeln (Treviño 2003a; Gastaldo 2004; Sheff 2006; Martins 2008). Nebenbei ist aber auch auf eine relativ rezente synthetische Darstellung zu Goffmans Biografie und seinen wichtigsten theoretischen und methodologischen Ansätzen (Smith 2006) zu verweisen. Im Lichte dieser Arbeiten, aber auch anderer, älterer Publikationen [2], neben aus den USA auch aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Portugal und Brasilien, konnte ich feststellen, dass ein verwunderliches Missverhältnis besteht zwischen dem Interesse des Autors für den Raum einerseits und der Aufmerksamkeit andererseits, die diejenigen, die sein Werk studieren, dieser Tatsache gewidmet haben. Selbstverständlich betont man Goffmans Verdienst, die Relevanz der „Wesenszüge der räumlich nahen Beziehungen“ für die Soziologie rückgewonnen zu haben (Lyman 1973, S. 360-366) [3]. Goffmans Forschungsgegenstand, die Face-to-Face-Interaktionen, sei relevant für ein anthropologisches Verständnis des Stadtlebens und der Stadterfahrung (Hannerz 1980, S. 221), auch wenn Goffman sich nicht spezifisch mit diesen Themen beschäftigt habe. Andere ForscherInnen wiederum heben hervor, dass Goffman auf der Suche nach den Eigenschaften der „öffentlichen Ordnung“ mit seiner „Mikroanalyse“ zu diversen Beispielen von Interaktionen gelangt sei, die an den so genannten „öffentlichen Orten“ der dort herrschenden sozialen Ordnung unter einander Fremden eigen sind (Lofland 1998, S. 4; vgl. auch Lofland 1973; Cahill 1994). Die Fokussierung der normativen Logik in „physischen Bereichen“ hat Goffmans Werk zu einer grundlegenden Orientierung für die so genannte „soziale Mikroökologie“ gemacht, eines Ansatzes, der sich als Erbe der Chicagoer Stadtökologie versteht (Joseph 2000/1998, S. 56ff.). Darüber hinaus werden die Texte über die Interaktionen an öffentlichen Orten immer wieder in Recherchen mit den verschiedensten theoretischen Ansätzen aufgegriffen – und dies sowohl in der nordamerikanischen (Smith 2006, S. 39) als auch in der französischen (Joseph 1984, 1998), deutschen (Salewski 1993; Schroer 2006, S. 245; Wehrheim 2009) und portugiesisch-brasilianischen Forschungsszene (Pais 1986; Martins 1999; Frehse 2011; 2013).

Nun hat mich mein soziologisches und anthropologisches Interesse für die räumliche Dimension des sozialen Lebens zu einer intensiven Leserin Goffmans gemacht, aufmerksam gegenüber allem, was er bezüglich des „Raums“ erwähnt. Meine Lektüre der von ihm zwischen den 1950er und den 1980er Jahren veröffentlichten Artikel, Aufsätze und Bücher [4], aber auch der Analysen der vorhin zitierten Kommentatoren, ließ mich anhand eines bestimmten Korpus von Schriften in englischer Originalversion aus den 1950er, den 1960er und dem Anfang der 1970er Jahre erkennen (Goffman 1951; 1967/1956; 1959; 2005/1961; 1961; 1963a; 1971), dass in ihnen zwar eine explizite Definition des physischen Raums fehlt, dass es aber trotzdem keineswegs an räumlichen Verweisen mangelt – wenngleich viele davon sich auch auf „Orte“ („places“) beziehen, die wiederum nicht explizit definiert werden. Diese ganzen Andeutungen erfüllen, so den ersten Teil meiner These, im Werk Goffmans eine nicht nur deskriptive, sondern auch eine interpretative Rolle [5]. In der Tat vermitteln die räumlichen Verweise Definitionen über die physisch-materielle Umgebung des sozialen Lebens, die theoretisch sehr bedeutsam in dem konzeptuellen Schema sind, das Goffman entwickelt hat, um die normative Struktur der nicht strikt konversationellen Face-to-Face-Interaktionen zu verstehen – was er „öffentliche Ordnung“ oder „öffentliches Leben“ und in seinem diesbezüglich letzten (und posthum publizierten) Aufsatz (1983) „Interaktionsordnung“ („interaction order“) genannt hat.

Diese Tatsache deutet darauf hin, dass Raum für diesen Soziologen eine Komplexität darstellt, die sich nicht eindeutig in ein einziges der in der Soziologie üblichen Raumkonzepte einplatzieren lässt. Denn bei Goffman ist der Raum weder nur ein soziales Konstrukt, abhängig von sozialen Interaktionen und kollektiven Repräsentationen [6]; noch ist er nur eine Umgebung, die sich durch Dynamiken der Selektion, der Verteilung und der Akkommodation auszeichnet, welche die Beziehungen der Menschen mit dem Raum und der Zeit „beeinflussen“: der Raum als ökologische Variable [7]. Was aber auch nicht bedeutet, dass Goffmans Raumkonzept einem dritten in der Soziologie bahnbrechenden Begriff entspricht: dem des dialektischen Raums, der sich als eine Mediation, eine Vermittlung essenziell widersprüchiger Praxis auszeichnet [8]. Last but not least ist er ist auch nicht deckungsgleich mit rezenteren Ansätzen, die die drei genannten Konzeptionen kreativ und (mehr oder weniger) kritisch miteinander verknüpfen [9] und ihrerseits noch rezentere Theoretisierungen inspirieren, wie die des „relationalen“ Raums [10].

Im folgenden werde ich die Grundlagen der Komplexität der Goffman’schen Soziologie des Raums in drei Schritten darlegen. Zuerst beschäftige ich mich mit der Tatsache, dass Goffmans Ansatz zur Interaktionsordnung von im Wesentlichen räumlichen Auffassungen von Sozialstruktur und Interaktion getragen wird, welche theoretische Implikationen für sein Verständnis der sozialräumlichen Beziehungen haben. In einem zweiten Moment kann ich mich dann insbesondere mit dem Goffman’schen physischen Raum auseinandersetzen. Dann wird klar, dass dieser materielle Substanz von gleichzeitig vier Raumbegriffen ist. Darauf basierend werde ich im Fazit auf die Art der Beziehung verweisen, die meines Erachtens zwischen dem sozialen, dem interaktionellen und dem physischen Raum in der Reflexion des Autors besteht. Von diesem bestimmten Verhältnis durchzogen, bietet Goffmans Werk der soziologischen Debatte eine alternative interpretative Darlegung der physisch-materiellen Dimension des sozialen Lebens, welche, so den zweiten Teil meiner These, auf ein sechsdimensionales Raumkonzept hinweist, dessen alternative Rolle in der soziologischen Debatte es am Ende des Beitrags zu spezifizieren gilt.

Zwei räumliche Voraussetzungen für die Behandlung des physischen Raums

Wenn man sich dem Goffman der „Interaktionsordnung“ auf der Suche nach Verweisen auf Räumliches zuwendet, dann begegnet man bereits in dem ersten akademischen Aufsatz des Autors (1951, S. 292) einer theoretischen Fragestellung von Simmel’scher Inspiration: Die individuellen Verhaltensweisen bildeten „Zeichen sozialer Positionen“, die als „Statussymbole“ fungieren, wenn sie zu „Mitteln“ werden, die die Individuen gesellschaftlich lokalisieren. Die Perspektive entstammt den Simmel’schen Ausführungen im Essay über die Mode (1904/1895) in seiner übersetzten Fassung, einer der beiden Hinweise auf den deutschen Denker, die sich in Goffmans ersten Schriften finden (Gerhardt 2003, S. 146).

Letzteres bezeugt die Relevanz, die eine spezifische Dimension in Simmels Denken für Goffman hatte: diejenige nämlich, die sich mit den sozialen Distanzen befasst, welche die „Formen der Vergesellschaftung“ durchziehen, d. h. die Formen des Prozesses der Ausübung wechselseitiger Beeinflussungen und Determinierungen zwischen den Individuen (Simmel, 2006/1917, S. 17; vgl. auch Waizbort 2001/1999, S. 100).

Wenn jedoch von Entfernungen die Rede ist, so kommt auch Raum mit ins Spiel; ein Raum allerdings, der aufgefasst wird als eine durch Interaktionen konstituierte Konfiguration. Es handelt sich hier um eine theoretisch–methodologische Abstraktion, eine metaphorische Konstruktion des Soziologen, um zu verstehen, was die Individuen sozial in Gruppen trennt und miteinander vereint. Somit erlangt ein spezifischer Raumbegriff Relevanz: derjenige des sozialen Raums [11].

In den Anfängen des Goffman’schen Werks koexistiert diese Vorstellung mit einer zweiten, die vom Autor theoretisch ausführlicher entwickelt wurde. Ich meine den interaktionellen Raum. Im Dialog mit der Durkheim’schen These (1994/1912), dass kollektive, auf das Individuum gerichtete Rituale das Sakrale des sozialen Lebens zelebrieren, aber auch mit der Auffassung Alfred R. Radcliffe-Browns (1952/1939) vom Ritual als einer von der Gesellschaft ihren Mitgliedern auferlegte Respektshaltung gegenüber einem Objekt, assoziiert Goffman (1967/1956, S. 47-63) die in den Face-to-Face-Interaktionen herrschenden Verhaltensregeln mit „Vermeidungs-“ und „Vorstellungsritualen“, welche Bestandteile der zeremoniellen Aktivität der gegenseitigen Achtung („deference“) seien, einer wichtigen rituellen Höflichkeitsgesten zwischen den Individuen während der Interaktion im Alltagsleben. Diese Perspektive impliziert, zwischen „positiven“ und „negativen Riten“ zu unterscheiden, durch welche „zeremonielle Distanzen“ zwischen den Individuen abgesteckt werden. Die Grundlage dazu findet der Autor in der nordamerikanischen Übersetzung des Textes von Simmel über die Diskretion (1950/1908): Vermeidungsrituale anzuwenden bedeutet, auf eine Form der Achtungsbezeugung zurückzugreifen, welche die jedes Individuum umgebende „ideale Sphäre“ unangetastet lässt, denn ist diese einmal durchstoßen, zerstöre dies den „Persönlichkeitswert des Individuums“ (Goffman 1967/1956, S. 62). Und somit kehrt der Raum zurück in die Szene. Aber diesmal handelt es sich um einen interaktionellen Raum, symbolisch konfiguriert durch die Verhaltensregeln, an denen sich die Individuen in Kopräsenz („co-presence“) orientieren. Zwar wird dieser Raum, je nach der betreffenden „soziologischen Distanz“, von Beziehungen der „symmetrischen Vertrautheit“ oder der „Asymmetrie“ durchzogen (Goffman 1967/1956, S. 64), doch unterscheidet er sich vom sozialen Raum – wenngleich er diesen enthüllt.

Durch das Prisma dieser beiden Begriffe betrachtet, erklärt sich der Dialog Goffmans mit Simmel und Durkheim aus der Tatsache, dass letztere ihm theoretisches Rüstzeug für seine Reflexion über den – abstrakten – Raum liefern, den die sozialen Interaktionen über die – abstrakte – Sozialstruktur ausbreiten. Dieselben Verweise auf beide Autoren tauchen erneut in der endgültigen Version von Goffmans erstem Buch (1959, S. 69) auf. Und die beiden Räume ebenfalls: Diejenigen „Anreize“, welche das „Aussehen“ des interagierenden Akteurs erzeugen, gäben Aufschluss über seinen „sozialen Status“; jene hingegen, die sich auf die „Verhaltensweisen“ („manners“) des Akteurs beziehen, gäben Auskunft über die „Interaktionsrolle“, die er in der Situation des Face-to-Face-Kontakts auszuführen erwarte (ebd., S. 24).

Obgleich in den daraufhin folgenden Goffman’schen Texten die Verweise auf Simmel und Durkheim nicht mehr explizit erscheinen, durchziehen die beiden an diesen Autoren inspirierten Raumbegriffe aber faktisch das ganze Werk Goffmans. Im Jahre 1961 wird der Begriff der „Rollendistanz“ als Gegenpunkt zur klassischen soziologischen Debatte über soziale Rollen vertieft (Goffman 1961, S. 83-152). Es handelt sich hier darum, in die Analyse die Möglichkeit mit einzuschließen, dass die Individuen bei ihrer „performance“ in der Interaktionssituation sich von den Rechten und Pflichten ihrer sozialen Rolle distanzieren können. Auch diese Formulierung setzt den Begriff eines interaktionellen Raums voraus, in dem sich die Individuen in Kopräsenz bewegen. Explizit ist von einem solchen Bezugsuniversum die Rede anlässlich der Beobachtung, dass Face-to-Face-Interaktionen „ideale Projektionsfelder“ sind, an deren Strukturierung die Teilnehmer unvermeidlich mithelfen (ebd., S. 102; meine Hervorhebung). Als räumliche Abstraktionen besäßen die Interaktionen „Grenzen“, die durch eine metaphorische „Membran“ gewahrt werden, welche ihrerseits die den Interaktionen externen Ereignisse u. a. „Transformationsregeln“ unterwirft (ebd., S. 29-34, 65-66). Zwei Jahre später ändern sich die Metaphern, neue Begriffe werden getestet, doch die Reflexion schreitet weiter voran mit theoretischen Entwürfen z. B. über die Rolle, die im nordamerikanischen Kontext die Zwangsregel des „fit in“ spiele, einer Regel, deren räumliche Konnotation die Relevanz aufzeige, die in dieser Gesellschaft die Einfügung des Individuums durch sein Verhalten in den abstrakten Raum der Interaktionen hat (1963a, S. 11). Ein wichtiger analytischer Kontrapunkt ist diesbezüglich der Einfluss der „situationellen Unangemessenheiten“ („situational improprieties“) auf die Markierung interaktioneller und sozialer Distanzen (ebd., S. 225–229). Im Jahre 1971 dagegen hebt Goffman hervor, das Macht und soziale Position die Form der „Territorien des Selbst“ beeinflussen, d. h. der „physischen, situationellen Abgrenzungen oder von den interagierenden Individuen gehandhabten Gegenstände, die das Selbstbild, das sie mittels ihrer Interaktionen mit anderen Individuen aufbauen, bewahren sollen“ (Goffman 1971, S. 41). Darüber hinaus gelte es im Sinne einer „Soziologie des Ortes“ in Betracht zu ziehen, dass abweichendes Verhalten ein solches ist, dessen Träger nicht seinen „Ort“ in der Gruppe, der er angehört, beibehält. Dies würde auf eine direkte Beziehung zwischen dem Selbst und der normativ bestimmten Position des Individuums im Innern der Gruppe, seinem „sozialen Ort“, hindeuten (ebd., S. 340–357) – und damit auf die theoretische Relevanz, die für Goffman die Lokalisierung des Individuums in denjenigen Sphären besitzt, die von mir jeweils als interaktioneller und sozialer Raum bezeichnet wurden.

Solche Beobachtungen hinterlassen den Eindruck, dass mit dem Fortschreiten der Reflexion Goffmans der durch Positionen abgegrenzte soziale Raum in theoretischer Hinsicht immer mehr dem durch Ansammlungen („gatherings“) abgegrenzten interaktionellen Raum unterworfen wird. Das, was man über die sozialen Distanzen aussagen kann, scheint in steigendem Maße davon abzuhängen, was man über die interaktionellen Distanzen aussagen kann. Diese offenbaren jene und fordern somit klassische soziologische Distinktionen heraus [12].

In Anbetracht dieser Aspekte könnte man denken, dass bei Goffman der Raum im wesentlichen eine Metapher theoretisch–methodologischer Abstraktionen ist, welche in den (ebenfalls im Wesentlichen) theoretischen Vorstellungen der Interaktion und Sozialstruktur eingebettet sind. Es handelt sich in allen diesen Fällen um konzeptionelle Konstrukte, wie sie in der Soziologie von ihren Anfängen an gängig waren – wobei Simmel und Durkheim in dieser Hinsicht Pioniere waren.

Es steht allerdings noch weitaus mehr Raum in Frage. Goffmans Schriften über die nicht-konversationellen Interaktionen deuten darauf hin, dass der interaktionelle und der soziale Raum in Wirklichkeit jeweils zwei maßgebliche Voraussetzungen des Interpretationsschemas darstellen, das der Autor zum Verständnis der normativen Struktur der Interaktionen entwickelt hat.

Wenn sich die interagierenden Individuen so ausdrücken und die Eindrücke ihrer Interaktionspartner über sie so zu steuern versuchen, dass sie ein bestimmtes Selbstbild aufrecht erhalten können, lokalisieren diese Ausdrücke und Eindrücke das Individuum in der eigenen Interaktion und in der Sozialstruktur, da sie es im interaktionellen und sozialen Raum lokalisieren. Wesentlich ist jedoch dabei, dass dieser Lokalisierungsprozess in den raum-zeitlichen Grenzen der Interaktion durch kommunikative Mittel erfolgt. Und damit gelangen wir zum physischen Raum.

Vier physische Räume im interaktionellen Raum

Wenn man bedenkt, dass Goffman in Chicago promovierte und Everett Hughes, einen Schüler Parks mit einer hohen ethnographischen Sensitivität für die Stadtforschung als seinen wichtigsten Lehrer ansah (Smith 2006, S. 31), dann verwundert die Aufmerksamkeit nicht, die Goffman dem physischen Raum im Laufe seines ganzen Werkes gewidmet hat. In der Tat sieht mancher Autor (Abbott 1997, S. 1153) in der Betonung von „Zeit und Ort“ das charakteristische Merkmal der Chicagoer Arbeiten der Jahre zwischen 1910 und 1930. Dagegen habe die „zeitgenössische Soziologie“ es befremdet, dass soziale Fakten „lokalisiert“ würden.

Was das Goffman’sche Werk angeht, so wird es oft, und nicht nur in Brasilien, mit den so genannten „totalen Institutionen“ (insbesondere klinischen Zentren und psychiatrischen Krankenhäusern) assoziiert. „Totale Institutionen“ gehören zu den empirischen Bezugsorten, die im Brennpunkt des ersten in Brasilien aber auch in Deutschland veröffentlichten Buches des Autors (2005/1961) stehen. Solche Institutionen sind Beispiele dafür, was Goffman (1959, S. xi) zwei Jahre vorher als „konkrete gesellschaftliche Einrichtungen“ bezeichnet hatte, um seinen ersten Forschungsgegenstand zusammenzufassend zu benennen: die Art des sozialen Lebens, das sich innerhalb der physischen Grenzen dieser Einrichtungen abspielt, seien sie häuslicher, industrieller oder kommerzieller Art. Die Formulierung lässt auf eine große Anzahl von physisch-materiellen Umgebungen von sozialem Leben schließen; im hier vorgeschlagenen Sinne, auf eine vielschichtige Palette physischer Räume.

Werden diese explizit als „Orte“ bezeichnet oder nicht, es handelt sich auf jeden Fall um hauptsächlich städtische Umgebungen. Diese Tatsache steht im Einklang mit dem Profil, das Goffman von sich selbst als Forscher propagiert: das eines „Hughes’schen Stadtethnografen“ [13]. Der Autor vertiefte sich in städtische Kontexte nach achtzehn Monaten der Forschung zu seiner Doktorarbeit innerhalb der „Gemeinschaft“ einer der Shetland-Inseln (Winkin 1988, S. 66–70). Nach dieser ethnografischen Erfahrung folgten drei Jahre teilnehmender Beobachtung in den Sektionen der Forschung im Bereich Pharmakologie und Schizophrenie am National Institute of Health Clinical Center und am psychiatrischen Krankenhaus St. Elisabeths. Im Anschluss daran beschäftigte er sich mit „anderen Personen und Orten“ (Treviño 2003b, S. 31–32): chirurgische Teams in den Operationssälen des Herrick Memorial Hospital; Spieler und Drogendealer in den Casinos von Las Vegas und Nevada; ein Diskjockey in einem Radiosender von Philadelphia.

Auf Grund dieser Laufbahn konnte Goffman eine zugleich umfassende und detaillierte Ethnografie der sozialen Interaktionen und Beziehungen in verschiedenen physischen Räumen der „westlichen Gesellschaft“ entwickeln. Schließlich analysierte er das soziale Leben auf dem Land und in der Stadt; und in den Städten untersuchte er „gesellschaftliche Einrichtungen“, in deren „physischen Grenzen“ Interaktionen stattfinden, die aufgrund der Regeln, die sie leiten, die Normalitätsmuster der Gesellschaft herausfordern, insbesondere diejenigen „unserer westlichen Gesellschaft“, der „angloamerikanischen“ (Goffman 1959, S. 106; 2005/1961, S. 16; 1963a, S. 132). Wenn 1956 das psychiatrische Krankenhaus ein „Ort profaner Handlungen und Einsichten“ ist, wo die „moderne Gesellschaft“ die Übertreter der zeremoniellen Ordnung hinschickt (1967/1956, S. 94), so weist Goffman 1959 auf andere Orte hin: u. a. auf Kirchen, Erdgeschosse von Handelsgeschäften, Fabriken, Bestattungsfirmen, Dienstleistungswerkstätten, Tankstellen, die Zimmer des Shetland-Hotels, Radio- und Fernsehsender, Wohnungen (1959, S. 109, 114–120, 134–135). Weitere zwei Jahre vergehen, und nun sind au?er dem psychiatrischen Krankenhaus (2005/1961) Spieltische, Kinderkarusselle und Operationssäle an der Reihe (1961). Im Jahre 1963 hingegen werden „öffentliche Orte“ hervorgehoben, d. h. „Gebiete in einer Gemeinschaft, die allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft frei zugänglich sind“ (1963a, S. 9). Der Begriff umfasst verschiedene Orte außer dem „genuinen öffentlichen Raum“ des unbeschränkten legalen Zutritts wie Straßen und öffentliche Plätze (Lofland 1998, S. 4, Anm. 7).

Angesichts der weit reichenden Palette physischer Räume, die diese verschiedenen Forschungsfelder beherbergen, könnte man – ein in der Anthropologie geläufiges Wortspiel paraphrasierend – behaupten, dass wir es bei Goffman mit einer Soziologie im Raum zu tun haben, anstatt mit einer Soziologie des Raums. Die „physischen Grenzen“ der „gesellschaftlichen Einrichtungen“ markierten im Wesentlichen lediglich empirische Bezugsszenarien für die Analysen und mehr nicht.

Nun enthalten verschiedene, im Werke Goffmans verstreute Abschnitte Indizien, dass noch mehr Dinge in Betracht zu ziehen sind. Im Jahre 1961 betont der Autor, als Unterscheidungsmerkmal von Ansammlungen gegenüber sozialen Gruppen, die „Zuweisung der räumlichen Position“ der Individuen bei der Interaktion (1961, S. 11). Dies ist ein Argument, das nahe legt, dass das Verhältnis der Individuen zum physischen Raum interpretative Relevanz für eine Interaktionssoziologie besitzt. Zwei Jahre später nimmt der physische Raum in Goffmans erster detaillierten theoretischen Auseinandersetzung mit der „öffentlichen Ordnung“ (1963a, S. 17) den Erklärungsstatus eines physischen Mediums an, das die Kommunikationsweisen in den Face-to-Face-Interaktionen konditioniert: „Die physische Distanz, im Rahmen derer eine Person die andere mit den bloßen Sinnen erfahren kann – und somit meint, dass der andere sich ‚in Reichweite? befindet –, verändert sich in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren: von dem jeweils betroffenen Sinnesorgan, von eventuellen Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, sogar von der Raumtemperatur“. Diese Hinweise lassen z. B. in informellen Unterhaltungen die Schwierigkeiten erkennen, die durch physische Distanzen und durch den Einfluss der „Möbelanordnungen“ entstehen können (ebd., S. 98); und in einer späteren Schrift kommt die Behauptung hinzu, dass es möglich sei, Ansammlungen zweier oder mehrerer Individuen auf den Straßen unter dem Aspekt des „with“ zu betrachten: letzten Endes würden diese Menschen unter sich in einer Art „ökologischer Nähe“ bleiben (1971, S. 19).

Solche Argumente aus den Jahren 1963 und 1971 verweisen auf einen Raumbegriff, der untrennbar ist von den Chicagoer ökologischen Reflexionen. Der Raum fungiert als eine physische Umgebung von sozialen Beziehungen, die notwendigerweise räumlich sind. Je nach den jeweils vorherrschenden räumlichen Bedingungen sind diese oder jene Interaktionen möglich. Der Raum fungiert also nicht nur als bloßes physisches Setting, sondern er wirkt auch auf das soziale Leben ein als physisches Konditionierungsmedium von Interaktionen [14].

Durch solche Aspekte gekennzeichnet, erlauben es diese Raumbegriffe – neben den ersten beiden zum abstrakten Raum der Interaktion und der Sozialstruktur – keineswegs, irgendeine Originalität am Goffman’schen Ansatz im Hinblick auf die soziologische Raumreflexion zu erkennen, wie diese am Anfang der vorliegenden Studie umrissen wurde. Wenn der interaktionelle und der soziale Raum an die Simmel’schen und Durkheim’schen Perspektiven anknüpfen, so fügen sich der Raum als Setting und der Raum als Konditionierungsmedium jeweils in die ethnografische und ökologische Chicagoer Tradition ein.

Doch es gibt noch mehr zu untersuchen. In einem seiner ersten Aufsätze erkennt Goffman in den Handlungen oder Ereignissen der interagierenden Individuen „Zeichenträger“, die „zeremonielle Botschaften“ über die jeweiligen Selbste während deren Kopräsenz vermitteln (1967/1956, S. 55). Diese Handlungen oder Ereignisse könnten sprachlicher oder gestischer Natur, aber eben auch „räumlich sein, wenn z.B. eine Person vor einer anderen durch die Tür geht oder wenn sie sich an seine rechte und nicht an seine linke Seite setzt“ (ebd.; meine Hervorhebung). Von dieser Perspektive aus betrachtet verleiht Goffman dem physischen Raum die Rolle eines Zeichens.

Der Autor hat diesen theoretischen Ansatz anschließend vertieft. In der Endversion seines ersten Buches (1959, S. 22) deutet sich dieser Begriff in der – dramaturgischen – Charakterisierung des „settings“ an, d. h. des „Standard-Teils“ der „Fassade“, die die Menschen sich gegenseitig präsentieren, wenn sie sich in physischer Kopräsenz befinden. Dieses Setting umfasse Mobiliar, Dekoration, körperliche Erscheinung und andere „Kulissenelemente“, die zusammen die „Landschaft und das Bühnenzubehör“ für die Fülle der dort inszenierten Handlungen lieferten. Aber dieses geschieht genau deswegen, weil das Selbst in der intentionalen oder nichtintentionalen Ausdruckshaftigkeit der Menschen verankert ist, welche essenziell semiotischer Natur ist (ebd., S. 2). Diese semiotische Substanz macht einschließlich aus der materiell-physischen Umgebung „szenische Mittel“, die die Lebensart der Mittelklasse von derjenigen der unteren Klassen unterscheiden (ebd., S. 123). Auch wenn in später herausgegebenen Texten der hier analysierten Schriftensammlung die dramaturgische Metapher durch andere, den Kommunikationswissenschaften (1963a) und der Verhaltensforschung (1963a; 1971) entliehenen Bezügen ersetzt wird, so bleibt doch die semiotische Auffassung des physischen Raums bestehen. In der durch die Face-to-Face-Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Individuen begrenzten räumlichen Umgebung sind die Körper dieser Individuen nicht nur physische, sondern auch kommunikative Instrumente (1963a, S. 23). Ihre Position und ihre Bewegungen im physischen Raum gehören zum „Körperidiom“ (ebd., S. 33). Der Autor erkennt somit „räumliche Konventionen“ in informellen Face-to-Face-Begegnungen konversationeller Art: einerseits die Abhängigkeit von maximal einigen Fußlängen physischer Distanz und andererseits die Schwierigkeit des direkten Gesprächs, wenn die Individuen weniger als anderthalb Fußlängen voneinander entfernt sind (ebd., S. 98f.). Die physischen Distanzen zwischen den Individuen kommunizierten genau so viel wie die „individuellen Distanzen“ oder „Flugdistanzen“ bei den Vögeln (ebd., S. 156-161). Diese Erklärungslogik bleibt auch bestehen wenn Goffman, seinen Dialog mit der Verhaltensforschung vertiefend, daraufhin zielt zu zeigen (1971, S. 195), dass die individuellen bei der Interaktion ausgesendeten Informationen auf die größere oder geringere Nähe der sozialen Beziehungen verweisen: Eines der „Zeichen der gegenseitigen Verbindung“ zwischen Interaktionen und Beziehungen sei die räumliche Entfernung zwischen den Körpern.

Indem das Werk Goffmans auf den semiotischen Charakter des physischen Raums bei den Interaktionen aufmerksam macht, wendet es sich sowohl von dem ökologischen Begriff als auch von dem Argument ab, dass der Raum eine „Umgebung“ mit einer Fülle an „Mitteln“ für die sozialen Aktivitäten sei (vgl. Anm. 14). Weder ermöglicht der Raum im praktischen Sinne die kommunikativen Face-to-Face-Aktivitäten, noch ist er ein Instrument für ihre Ausführung. Der Raum kommuniziert. Und dies, weil er ein von kommunizierenden Menschen angewandtes Zeichen ist.

Aber eben weil der physische Raum ein kommunikativer Raum ist, besteht er aus mehr als einem Zeichen. Als solcher erkennbar aufgrund der Existenz von Körpern, die die physisch-materielle Umgebung einnehmen und so diese und sich selbst in Zeichen verwandeln können, ist der Raum überdies eine Umgebung von Zeichen. Dies ist der vierte und letzte Raumbegriff, welchen ich im Rahmen der gegenwärtigen Untersuchung herausstellen möchte.

Die Einsicht, dass es nicht möglich sei, über die normative Ordnung der Interaktionen zu reflektieren, ohne deren „Umgebung“ zu problematisieren, tritt schon in den ersten Goffman’schen Schriften zu Tage. Im Jahre 1956 behauptet der Autor, dass vom Standpunkt der zeremoniellen Komponenten der Aktivitäten interagierender Menschen aus betrachtet, „Umgebung“ ein „Ort“ sei, „an dem es einem leichter oder schwerer fällt, das rituelle Spiel, ein Selbst zu haben, zu spielen“ (1967/1956, S. 91). Drei Jahre später und mit der dramaturgischen Metapher bei der Hand, bringt Goffman das bereits erwähnte Setting in seine Analysen ein. Dieses bestehe aus der „festen Ausrüstung an Zeichen“ eines größeren räumlichen Ganzen: der „Region der Fassade“, wo das Selbst sich präsentiert und welche gemeinsam mit der „Region des Hintergrunds oder der Kulisse“ und der „Außenseite“ die so genannte „Region“ bildet, welche durch Wahrnehmungsbarrieren begrenzt ist. In der empirischen Realität folgten die in den Regionen ablaufenden Interaktionen der Logik des Verhaltens-Setting („behavior setting“) der damals jungen ökologischen Psychologie Roger Barkers und Herbert Wrights. In der Tat verweist Goffman in verschiedenen Momenten auf Barker, wenn es darum geht zu betonen, dass bestimmte Verhaltensweisen in spezifischen physischen Räumen stattfinden [15]. Goffman folgend (1959, S. 106) umfassen die Interaktionen Sinnesassoziationen zwischen Verhaltenserwartungen und „Orten“. Die Formulierung deutet auf die Erkenntnis hin, dass der physische Raum weitgehend mehr als ein handhabbares Zeichen ist. Je nach seinen physischen Eigenschaften – ob „Fassadenregion“, „Kulisse“ oder „Außenseite“ –, wird der Raum zur Umgebung, in der unterschiedliche Eindrücke gehandhabt werden. Und die physischen Merkmale selbst werden für Zeichen gehalten – ohne dass die Möglichkeit auszuschließen ist, dass die Regionen manchmal unterschiedliche Bedeutungen aufweisen (ebd., S. 126).

Nachdem diese Dimension des physischen Raums erst einmal theoretisch formuliert war, wurde sie danach entfaltet, um den analytischen Nuancen eines jeden Moments gerecht zu werden. Um zu verstehen, wie „Aktivitäten des intimen Lebens“ der Patienten des St. Elisabeths-Krankenhauses „sich ereignen“ konnten, hat sich Goffman, angeleitet durch die Verhaltensforschung (2005/1961, S. 188), u. a. mit der „Umgebung“ beschäftigt, die aus „Orten“ oder „Regionen“ bestehe, die er als – mehr oder weniger durch Drittpersonen kontrollierte – „Räume“ und – Einzelnen oder Gruppen der Internierten zugehörige – „Territorien“ bezeichnet (ebd., S. 188-203). Auf der Suche hingegen nach der normativen Struktur der Face-to-Face-Interaktionen an öffentlichen Orten im Allgemeinen – ein entscheidender Schritt in der Richtung seiner Theorie der sozialräumlichen Beziehungen –, konzentrierte sich der Autor (1963a, S. 18) auf die „angemessenen öffentlichen Verhaltensweisen“ in „Situationen“, die er dann als „räumliche Umgebungen“ (meine Hervorhebung) definierte, in denen entweder neu Hinzukommende zu Mitgliedern einer schon vorhandenen Ansammlung werden oder eine solche erst bilden. Geprägt durch einen räumlichen Gehalt eröffnet der Situationsbegriff einen Zugang zu anderen, ebenfalls auch räumlich geprägten Begriffen. Ich denke einerseits insbesondere an denjenigen der „sozialen Situation“, welche Goffman als Umgebung mit Möglichkeiten der Monitorierung (folglich der Kommunikation) auffasst, die aus jedem neu Hinzukommenden den Teilnehmer an einer Ansammlung machen (ebd., S. 243); Andererseits denke ich an den Begriff der „sozialen Gelegenheit“ („social occasion“), die Goffman als „Geschäft, Unternehmen oder Ereignis“ definiert, „welches, orts- und zeitgebunden und typischerweise durch einen festen Ausrüstungsbestand ermöglicht, den strukturierenden sozialen Kontext zur Bildung, Auflösung und erneuten Bildung von Situationen und ihren Ansammlungen bietet“; all dies im Rahmen eines „‚kontinuierlichen Verhaltensmusters“ – wieder im Sinne Barkers (ebd., S. 18).

Wenn es dem Autor aber, nun in engstem Dialog mit der Verhaltensforschung, um die Verbindungen zwischen „öffentlichem Leben“ und sozialen Beziehungen geht, dann werden die „Territorien des Selbst“ theoretisch bedeutsam. Die Individuen versuchen um jeden Preis, den Besitz, die Kontrolle, die Nutzung und die Verfügbarkeit diese „Felder“ aufrechtzuerhalten, deren Grenzen entweder durch physische Orte, durch deren Ausrüstung, durch deren Gegenstände oder durch die Gegenstände markiert sind, die den Individuen gehören und sie im allgemeinen physisch begleiten (Goffman 1971, S. 28). Betrachtet man die „öffentliche Ordnung“ durch das Prisma dieser Territorien, so entdeckt man wieder räumliche Zeichen und eine Umgebung von Zeichen. Aber letztere ist in gewisser Hinsicht physisch eingeschränkter. Durch die „unmittelbare Welt“ des interagierenden Individuums begrenzt (ebd., S. 250), stellt sie eine potentielle Gefahr für das Selbst dar. Um einen physischen Raum zu konnotieren, der durch „Alarmzeichen“ im ethologischen Sinne definiert ist, bezeichnet Goffman sie als „Umwelt“ und greift so zu einem deutschen Ausdruck der Verhaltensforschung der 1930er Jahre (ebd., S. 252).

Mit dieser doppelten Dimension versehen – einerseits einer situationellen Umgebung und andererseits einer Umgebung des Selbst –, nimmt der Goffman’sche physische Raum seine theoretisch am weitesten entwickelte Gestalt an. Mehr als ein Setting, mehr als ein konditionierendes physisches Medium oder als ein Zeichen für die Interaktionen ist der physische Raum eine Umgebung von Zeichen für diese Interaktionen. Was allerdings aus dem Raum keineswegs eine „Umgebung“ im Sinne des Blumer’schen symbolischen Interaktionismus macht, den Goffman kritisiert hat (Gonos 1977). Für Herbert Blumer (1969, S. 11) definiert sich eine Umgebung ausschließlich durch die Objekte, an denen die Menschen einen Sinn (wieder)erkennen, wobei eine einzige „räumliche Stelle“ („spatial location“) verschiedene Umgebungen besitzen kann. Die Goffman’sche Umgebung wiederum beschränkt sich nicht auf Objekte mit Sinn, denn der Raum beschränkt sich nicht auf ein symbolisches Konstrukt des Menschen. Dabei weist er jedoch er Eigenschaften auf, die sich bei den Interaktionen in Zeichen verwandeln.

Somit nähert sich der Goffman’sche physische Raum bis zu einem gewissen Grad hin dem relationalen Raumkonzept. Denn konzeptionell relevant für die Definition von Raum sind u. a. sowohl in diesem wie in jenem Ansatz relationale Anordnungen von Dingen und Menschen. Wenn in der relationalen Perspektive aber diese eher phänomenologische Dimension des Handelns konzeptionell präzisiert wird und mit der strukturellen Dimension desselben verknüpft wird, so liegt Goffmans Schwerpunkt lediglich darin, die expressive Dimension des physischen Raums in den Interaktionen zu betonen.

Dann allerdings haben wir es mit einer expressiven Umgebung zu tun. So wie der Körper ist der physische Raum ein Idiom.

Die Möglichkeit dieser Assoziation stellt nun für die soziologische Debatte über den Raum eine Neuigkeit dar. Semiotische Interpretationen des Raums bestehen schon seit langem, wenn auch nicht spezifisch in der Soziologie [16]. Unterdessen hat Goffman etwas anderes anzubieten. Indem er die Face-to-Face-Interaktionen durch den Situationsbegriff verräumlicht, verleiht er dem physischen Raum eine innovative Rolle im Hinblick auf ein soziologisches Verständnis der Interaktionen. Dieser Raum ist eines der Idiome, dessen sich die Individuen bedienen, wenn sie dort interagieren. Ein solches Idiom geht Hand in Hand mit dem körperlichen Idiom und ist ihm doch gleichzeitig unterworfen – aufgrund dessen, dass der Körper, vom Blickwinkel der Interaktionsordnung aus betrachtet, ein mächtiger Raumerzeuger ist [17].

Dadurch verliert das räumliche Idiom seinen bloß instrumentalen Charakter. Sein Wesen ist expressiv, kommunikativ.

Fazit: Eine Interaktion, sechs Räume

Die bloße Tatsache, dass Goffman ein breites Spektrum physisch-materieller Umgebungen auf dem Land und in der Stadt ethnografisch durchwandert hat, ist meines Erachtens bereits Grund genug, um auf die Rolle des Raums in seiner Soziologie aufmerksam zu werden. Nicht oft findet man in der Geschichte dieses Faches theoretische Beiträge, die so intensiv auf empirischen ethnographischen Beobachtungen des sozialen Lebens an derart verschiedenen Orten basieren.

Auf der Suche nach dem Verständnis der normativen Logik der Face-to-Face- Interaktionen an diesen unterschiedlichen Orten und überzeugt davon, dass diese Logik in den Interaktionen selbst beschlossen liegt – die ein durch „Konjunktionsnormen“ organisiertes „Aktivitätenfeld“ „erzeugen“ (1971, S. ix) –, hat Goffman eine Soziologie im Raum betrieben. Indem er aber früh im physischen Raum eine Variable zu erkennen scheint, die auf die Interaktionen – und somit auf ihre normative Logik – einwirkt, beginnt Goffman über diese Logik zu reflektieren und den Raum dabei soziologisch zu problematisieren. Damit betritt Goffman als Soziologe des Raums die Szene.

Die hier unternommene Analyse lässt zunächst erkennen, dass Goffmans Interaktionsbegriff selbst eine starke räumliche Dimension aufweist. Auch die schlichteste „Präsentation des Selbst im Alltagsleben“, wie der Titel seines ersten Buches wörtlich übersetzt lautet [18], bringt es mit sich, dass die Individuen sich und diejenigen, die mit ihnen interagieren, interaktionell und gesellschaftlich in dem begrenzten Zeit-Raum der Situationen lokalisieren. Interagieren bedeutet unausweichlich, soziale Orte in Frage zu stellen: nämlich diejenigen, die bei der Interaktion und in der Sozialstruktur okkupiert sind – wobei Goffmans Begriff von Sozialstruktur deutlich von Durkheim und Radcliffe-Brown her inspiriert ist. Durch diese Perspektive erlangen die Räume, die ich interaktioneller und sozialer Raum genannt habe, den Status theoretischer Voraussetzungen der Goffman’schen Soziologie des Raums.

Überdies hat die Analyse gezeigt, dass der physische Raum nicht nur ein physisches Setting von Interaktionen bildet. Er ist zudem physisches Konditionierungsmedium, Zeichen und Idiom von Interaktionen, welche die Individuen auf verschiedene Art und Weise interaktionell und somit auch gesellschaftlich lokalisieren.

Mit diesen Begriffen, die das Werk Goffmans vermittelt, bietet es der soziologischen Debatte über den Raum eine umfassende interpretative Auslegung der sozialräumlichen menschlichen Beziehungen. Indem die Individuen im physischen Raum interagieren, lokalisieren sie sich und die mit ihnen Interagierenden im interaktionellen und im sozialen Raum. So gelangen zwei Dimensionen des abstrakten Raums, der in der Soziologie gemeinhin als Bezugspunkt für das Verständnis sozialer Beziehungen und Interaktionen fungiert, in den Vordergrund. Da in der Interaktionssituation die interaktionelle und soziale Lokalisierung der Individuen durch ihre Expressivität erfolgt, so ist der physische Raum nicht nur ein Setting. Er bedingt physisch die Interaktion, doch von einem anderen Blickwinkel aus fügt er sich in die Interaktion als Zeichen ein, wobei er gleichzeitig als Umgebung dieser Zeichen und darüber hinaus als Umwelt des Selbst eines jeden interagierenden Individuums fungiert.

Diese komplexe Dynamik verweist uns letztendlich auf sechs synchrone Dimensionen des Raums und somit auf ein sechsdimensionales Raumkonzept. Dieses bleibt aber als solches in Goffmans Soziologie weniger wichtig als die menschlichen Interaktionsregeln, deren konzeptionelle Erschließung dieses Konzept begünstigt.

Damit verlieren einige in der Soziologie des Raums üblichen Unterscheidungen ihre Relevanz. Für Interpretationen der Interaktionsordnung als autonomer Analyse- und Reflexionseinheit scheint es weniger wichtig zu sein, ob der Raum ein soziales Konstrukt, eine ökologische Variable, ein Vermittlungsmedium sozialer Praxis oder eine Anordnung von Dingen und Menschen ist. Aus der Perspektive der sozialen Situationen, in denen der Alltag abläuft – Welt der „Momente und ihrer Männer“ (1967, S. 3) – interessiert es lediglich, dass der Raum gleichzeitig Setting, konditionierendes Medium, Zeichen und Idiom für verschiedene Arten zu handeln und zu denken ist. Angesichts einer solchen Komplexität besteht die Aufgabe der SoziologInnen darin, die empirische Realität ethnografisch so zu erfassen, dass er analytisch, konzeptionell und somit theoretisch die Verhaltensregeln differenziert, die diese Interaktionen leiten. Dazu hat uns Goffman eine Palette von Begriffen hinterlassen.

Diese relativ lockere, konzeptionell flexible Art mit Raum umzugehen, macht Goffman meines Erachtens zu dem bemerkenswerten Vertreter einer raumbewussten Soziologie, der es aber genau aufgrund dieser Raumbewusstheit wichtig ist, auch forschungsstrategisch „raumnah“ zu bleiben. Es handelt sich somit um eine empirisch engagierte Soziologie des Raums, in deren Mittelpunkt interagierende Menschen stehen. Im Hinblick auf die Erfassung der in der Interaktionssituation herrschenden Verhaltensregeln, nichts wie gleichzeitig raus und rein in den Raum – wobei Raum jeweils zu dem wird, was forschungsstrategisch gerade relevant ist, um die Interaktionsordnung konzeptionell zu erkunden.

Angesichts von so viel Raum bleibt fast kein Platz für die Zeit. Zwar umschreibt Goffman, wenn er „Situation“ in Verbindung mit dem Begriff der „sozialen Gelegenheit“ definiert (1963a), diese auch zeitlich. Doch es handelt sich hier um die flüchtige Zeitspanne der Interaktionen, welche nicht mit den Zeiträumen umfangreicherer sozialer Prozesse verwechselt werden darf. Der Autor scheint sich dessen bewusst zu sein, denn er unterscheidet bei den „Aktivitäten“, die im Rahmen der Situationsforschung wichtig sind, „situierte Ereignisse“ von dem „rein situierten Aspekt der situierten Aktivität“, wobei letzterer wesentlich von den Bedingungen abhänge, die innerhalb der Situationen vorherrschten (ebd., S. 21–22). Goffmans gesamte Laufbahn wurde von der Suche nach den „situierten“ Dimensionen des sozialen Lebens bestimmt. Davon zeugt noch eine seiner letzten Bemerkungen über die „Mikroanalyse“, in deren Rahmen es „unmöglich [sei], irgendetwas hinsichtlich Untersuchungen in großem Maßstab auszusagen“ (1983/1982, S. 198–199). Auf jeden Fall erkannte Goffman in jenem Moment, dass es notwendig sei, nach der Untersuchung der Interaktionsordnung zu den „Zusammenhängen zwischen der Ordnung der Interaktion und anderen Ordnungen des sozialen, wirtschaftlichen, politischen Lebens [überzugehen]“ (ebd., S. 202). Offen bleibt allerdings, inwiefern es tatsächlich möglich ist, Alltagssituationen soziologisch zu erfassen, wenn man die umfassenderen sozialen Prozesse, die Geschichte, ausklammert. Dialektische Ansätze der Interpretation dieses gleichen Alltagslebens behaupten, dies sei unmöglich [19].

Wenngleich Goffman der Zeit nicht viel Aufmerksamkeit schenkt, so ist es doch aufschlussreich, dass in seinem Werk der Raum so viel Platz einnimmt. Dies gilt zumindest bis sich der Autor (1974; 1979; 1981) endgültig der „frame analysis“ verschreibt, d. h. der Analyse der kontextuellen und normativen Rahmen der in der Alltagserfahrung einbegriffenen Sinnstrukturen, wobei diese Rahmen nicht mit dem Situationsbegriff zu verwechseln seien (Gonos 1977, S. 864, Anm. 18). Indem Goffman den Raum in weitem Maße in seine theoretischen Reflektionen über die Interaktionen einbezieht, eröffnet er uns die Möglichkeit, die theoretische Reichweite seines Ansatzes zu hinterfragen. Sind seine Konzepte lediglich auf „unsere säkulare Stadtwelt“ anwendbar (Goffman 1967/1956, S. 47)? Wenn ja, welchen Stellenwert haben dann Goffmans ethnografische Daten, die den verschiedensten soziohistorischen und keineswegs nur westlichen Kontexten entstammen?

Obgleich Goffmans Blick sich auf „unsere angloamerikanische Gesellschaft“ konzentriert, lassen seine Konzepte doch räumliche Dimensionen der sozialen Beziehungen erkennen, die keinesfalls ausschließlich der westlichen Gesellschaft zuzurechnen sind. Und da geschieht es, dass die Soziologie der Anthropologie begegnet, der Soziologe Simmel dem Anthropologen Durkheim. So bezeugt das Werk Goffmans, bewusst oder unbewusst, noch das Bestehen eines weiteren Raums: des intellektuellen, in dem sich die Soziologie und die Anthropologie kreativ in der Einheit des Verschiedenen miteinander vereinen lassen.

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Fussnoten

[1] Überarbeitete Version der im Rahmen des Kolloquiums „Space, Place, Power“ der TU Darmstadt am 4. Mai 2010 vorgetragenen und überarbeiteten deutschen Fassung eines in der Revista Brasileira de Ciências Sociais 23 (68) im Jahre 2008 publizierten Beitrags mit dem Titel „Erving Goffman, sociólogo do espaço“. Neben der Alexander von Humboldt-Stiftung, deren finanzielle Unterstützung meines Postdoktorandenaufenthalts in Deutschland (2010) den akademischen und intellektuellen Austausch ermöglicht hat, der im vorliegenden Text zum Ausdruck kommt, danke ich insbesondere Prof. Dr. Martina Löw und Prof. Dr. Renate Ruhne für die Einladung zum Kolloquium, dessen Anregungen ich versucht habe, im begrenzten Rahmen dieses Beitrags gerecht zu werden. Aus dem Brasilianischen übersetzt von Fraya Frehse und lektoriert von Rainer Domschke.

[2] Für eine Zusammenfassung vgl. Chriss (1995).

[3]Ich bin die Autorin aller Übersetzungen fremdsprachlicher Zitate, die nicht von den im Literaturverzeichnis aufgeführten Übersetzerinnen stammen.

[4] Ich denke an bestimmte Arbeiten (Goffman 1951; 1959; 2005/1961; 1961; 1963a; 1963b; 1967; 1971; 1974; 1979; 1981; 1982; 1983).

[5] Ich beziehe mich hier auf eine hilfreiche methodologische Unterscheidung, die Florestan Fernandes (1959, S. 36) zwischen „deskriptiven“ und „interpretativen Darlegungen“ vorgenommen hat.

[6] Für wegbereitende Entwicklungen dieser Perspektive vgl. Simmel (1908/1903, S. 462) und Durkheim (1994/1912, S. 15-16); aber auch, zu deren Relevanz, Schroer (2006, S. 48-81).

[7] Vgl. McKenzie (1967/1925, S. 63ff). Dieser theoretische Ansatz durchläuft auch die ersten Veröffentlichungen Robert Parks und Ernest Burgess’ zur Stadt Chicago (Park/Burgess 1967/1925).

[8] Bahnbrechend war diesbezüglich die Reflexion Henri Lefebvres über die „Produktion des Raums“ (2000/1974).

[9] Vgl. in diesem Sinne Pierre Bourdieus (2000/1972), Anthony Giddens’ (2003/1984) und John Urrys (1990/1985) richtungsweisende Theoretisierungen.

[10] Vgl. diesbzgl. insbesondere Löw (2001).

[11] Diese Vorstellung Simmels hat später in den Werken von Leopold von Wiese (1968/1924), Pitirim Sorokin (1927) und hauptsächlich bei Bourdieu eine weit reichende Fortentwicklung gefunden (vgl. einen der ersten diesbezüglichen Hinweise auf Simmel in Bourdieu 2005/1966, S. 18).

[12] Der Autor äußert 1963: „Mehr als einer Familie oder einem Club, mehr als einer Klasse oder einem Geschlecht, mehr als einer Nation gehört das Individuum Ansammlungen an, und das Beste, was er zu tun hat, ist zu zeigen, dass er ein Mitglied mit guten Ruf ist“ (Goffman 1963a, S. 248). Goffman bleibt dieser Auffassung von der theoretischen Bedeutung der Ordnung – und des Raums – der Interaktionen bis zu seinem letzten und posthum veröffentlichen Text treu: „Dieser Ausgangspunkt von einer Body-to-Body-Situation führt auf einer paradoxalen Art zu der Annahme, dass eine soziologisch sehr zentrale Unterscheidung im Prinzip doch nicht so relevant sein muss: insbesondere der Standardkontrast zwischen Dorf- und Stadtleben, zwischen häuslichen und öffentlichen Szenarien, zwischen intimen, fortdauernden und flüchtigen, unpersönlichen Beziehungen“ (Goffman 1983, S. 2).

[13] In einem 1980 stattgefundenen Interview behauptete Goffman, dass dieses das Etikett sei, das ihm zuzuschreiben wäre, falls er eines erhalten sollte (Treviño, 2003b, S. 7).

[14] Darin zeigt sich übrigens ein Zusammenfließen dieser Konzeption mit derjenigen, die nach Isaac Joseph (in Valladares/Lima 2005/2000, S. 79) den „ökologischen Ansatz“ durchzieht und in deren Rahmen der Raum „eine vollständige Umgebung ist, in welcher die Anpassungs- und Kooperationsaktivitäten der Individuen verschiedener Gruppen die erforderlichen Mittel finden“ (vgl. auch Joseph 2000/1998, S. 57).

[15] Barker war der Begründer der so genannten „ökologischen Psychologie”, die auf detaillierten Beobachtungen der Beziehungen zwischen den menschlichen Verhaltensweisen und den „natürlichen“, „nicht experimentellen Szenarien“ der Forschungsstation basiert, die er und seine Forschungspartner in einer kleinen Stadt im nordamerikanischen Kansas in den 1950er Jahren eingerichtet haben (vgl. u. a. Hall 1969; Carneiro/Bindé 1997).

[16] Ich denke hier u. a. an die Reflexion Benjamins über Paris im 19. Jahrhundert (Benjamin 2006/1938; vgl. auch Bolle 1996) und an zeitlich jüngere Verbindungen zwischen Raum und Zeichen (Bachelard 1996/1957; Cannevacci 2004/1993).

[17] Die Anwendung von „Erzeuger“ zielt hier darauf, den Unterschied dieses interaktionellen Ansatzes zum dialektischen Raumproduktions- und zum relationalen Raumkonstitutionsansatz zu betonen.

[18] Die deutsche Übersetzung erschien erstmals 1959 unter dem Titel Wir alle spielen Theater: Die Selbstdarstellung im Alltag.

[19] Zusammenfassungen der wichtigsten Positionen der Debatte finden sich u. a. in Pais (2001/1986) und Martins (2008/1998). Aus einer anderen theoretischen Richtung kommend kritisiert Richard Sennett (1978/1974, S. 50-51) Goffman für den vermeintlich ahistorischen und statischen Charakter seiner „Bühnen-Gesellschaft“.


Zitiervorschlag

Frehse, Fraya (2016): Erving Goffmans Soziologie des Raums. In: sozialraum.de (8) Ausgabe 1/2016. URL: https://www.sozialraum.de/erving-goffmans-soziologie-des-raums.php, Datum des Zugriffs: 20.04.2024