Konzepte sozialraumorientierter Unterstützung von Selbstsorge, Selbstorganisation und Vernetzung im demografischen Wandel – Erfahrungen aus einem Praxisentwicklungs- und Forschungsprojekt

Jutta M. Bott

Das Bundesministerium für Bildung & Forschung hat zu Beginn des Jahres 2009 die Förderlinie SILQUA-FH gestartet, die sich vor allem an staatliche und kirchliche Fachhochschulen richtet, die ein Lehrangebot im Bereich der Sozialen Arbeit, Gesundheit und Pflege anbieten. Durch das Programm „Soziale Innovationen für Lebensqualität im Alter“ (SILQUA) sollen neue Erkenntnisse und übertragbare innovative Lösungsansätze gewonnen werden, die dazu beitragen, für die aus der Veränderung des Bevölkerungsaufbaus resultierenden Folgen adäquate Wege zu finden [1]. Das Potsdamer Projekt „Gut Leben im (hohen) Alter – Konzepte sozialraumorientierter Unterstützung von Selbstsorge, Selbstorganisation und Vernetzung im demographischen Wandel“ [2] hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität älterer und hochbetagter Bewohnerinnen und Bewohner in einer ländlichen und einer städtischen Region in Brandenburg zu untersuchen und sozialräumlich Einfluss zu nehmen. Es sollen Konzepte für ein zufriedenstellendes Leben Älterer und für das Zusammenwirken von jungen, älteren und neu zugezogenen Bewohnerinnen und Bewohnern entwickelt werden, die zur Selbstsorge, Selbstorganisation und Vernetzung beitragen. Dazu zählt vor allem die Förderung nachbarschaftlicher, selbstorganisierter, auf Austausch setzender Hilfe für und mit älteren und hochbetagten Menschen.

1. Hintergrund – Entwicklungen in Flächenländern wie Brandenburg

Auf Grund der allgemeinen gesellschaftlichen Lebensumstände in den westlichen Industrieländern und des medizinischen Fortschritts, ist heutzutage in Deutschland jeder Fünfte über 60 Jahre alt. Schon 2030 wird im Land Brandenburg jeder Dritte im Rentenalter sein (Landesamt für Bauen und Verkehr 2006). Durch die strukturellen Probleme der Nachwendezeit (ehemals durch Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften geprägt, Nicht-Weiterbestehen der großen Industriezentren) ist in vielen Regionen zudem der Anteil der Menschen ohne Beschäftigung im mittleren Alter nicht unerheblich. Die Abwanderung von jungen Menschen („Brain-Drain West“, insbesondere jüngerer gut ausgebildeter Frauen – Berlin Institut 2007, 10) verschärft die Problemlagen der alten und hochbetagten Menschen in den ländlichen Kommunen. Je ferner die Lebensorte von den Mittel- und Ballungszentren desto ausgedünnter die Angebote sozialer Dienste. Ebenso leidet mit den Entfernungen und dem Wegzug oft die private Sozialstruktur. Weitere Entwicklungstendenzen oder schon Tatsachen in den ländlichen Regionen sind: Schließung vieler Einrichtungen die mit jungen Menschen zu tun haben (Schulen, Kitas); Verlust einer nahen haus- und fachärztlichen Versorgung, keine Gemeindeschwestern mehr; eingeschränkte Einkaufsmöglichkeiten bzw. Abhängigkeit vom PKW; geringe Dichte des ÖPNV oder Verlust der öffentlichen Nahverkehrsanbindung; Gebietsreformen nach der Wende die bei einem nicht geringen Anteil der älteren Menschen Unverständnis und Ablehnung hinterlassen haben. Zudem findet sich oft eine Reserviertheit gegenüber Dienstleistungen, die man im Alter brauchen kann („Man hilft sich selbst solange es eben irgendwie geht …“).

2007 hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung für Brandenburg ein „Gutachten zum demographischen Wandel im Land Brandenburg“ vorgelegt (Berlin-Institut 2007; Auftraggeber: Der Brandenburgische Landtag). Das Institut hat eine schonungslose Analyse erarbeitet und äußerst konstruktive, innovative und für ein traditionelles Staats- und Politikverständnis sicherlich provokative Empfehlungen ausgesprochen. Zum Aspekt der „Altenversorgung: Der Generationsvertrag droht zu platzen“ merkt das Institut an:

„In manchen Brandenburger Dörfern wird die Bevölkerung 2030 mehrheitlich aus Alten und Hochbetagten bestehen, die dann prinzipiell einander pflegen müssten. Es werden kaum junge Menschen da sein, die diese Arbeit leisten – und es ist unklar wer dafür aufkommt. Denn schon heute gibt es weder genug potenzielle Mitarbeiter noch ausreichend ökonomischen Spielraum für angemessene Pflegedienste.“ (ebd., 12)

Die starke Abwanderung junger Frauen und die insgesamt hohe Quote an Frauen die selber pflegen wird neben dem demografischen Echo in absehbarer Zeit zu einem Engpass führen, weil zum einen der Nachwuchs fehlt, zum anderen die Pflegenden selber in den nächsten Jahren zu den Älteren gehören werden. Die Pflegequote [3] von über 75-Jährigen liegt in Brandenburg bereits heute deutlich über dem deutschen Bundesdurchschnitt. Die Bürgergesellschaft ist in Brandenburg mit 35% ehrenamtlich Engagierten durchaus im bundesweiten Vergleich gut aufgestellt, wobei die Gruppe der 30-59-Jährigen – insbesondere die Frauen – dieses Engagement vorrangig zeigen. (ebd., 61)

Ein zweites Problemfeld stellen Regionen dar, in denen viele soziale Problemlagen kumulieren (hoher Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, hoher Anteil von Menschen, die staatliche Transferleistungen empfangen, Armutslagen, Alleinerziehende, Arbeitslosigkeit, familiäre Gewalt u. ä.). In städtischen Zentren der ehemaligen DDR finden sich solche Quartiere meist in den heutzutage überwiegend sanierten Plattenbausiedlungen. Die Mieten liegen im unteren bis mittleren Bereich des Mietspiegels, so dass alle, die über geringe Einkünfte verfügen und im Stadtgebiet bleiben möchten hierher ziehen (müssen). Hier trifft ein Großteil ehemaliger „Erstbezieher“ – nun ältere oder alte Menschen – auf die neu Hinzugekommenen, die neben Studierenden und Menschen mit geringem Arbeitseinkommen den beschriebenen Gruppen mit sozialen Problemlagen angehören. Die Erstbezieher sind meist hoch identifiziert mit ihrem Wohnquartier und haben die Veränderung der Sozialstruktur, häufig einhergehend mit einer geringeren Reputation des Quartiers, hinnehmen müssen. Die Vereinzelung, ggf. Vereinsamung und Abschottung verschiedener Gruppen gegeneinander hat in den Plattenbausiedlungen noch einmal andere Hintergründe als in den ländlichen Regionen.

In beiden strukturellen – und überall in Deutschland anzutreffenden – gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen drängt sich die Frage nach der Lebensqualität und Versorgung der größer werdenden Anzahl alter und hochaltriger Menschen auf. Dies kann aber nicht losgelöst von der Lebensqualität und den Chancen der jungen Generation und dem anstehenden Verteilungskampf um die dem Staat und den Sozialleistungssystemen zur Verfügung stehenden Ressourcen betrachtet werden.

Die Kommunen werden in Zukunft finanziellen und personellen Problemlagen gegenüberstehen, so dass es notwendig sein wird auch auf Eigeninitiative in den Regionen zu setzen. Dazu zählt z.B. Selbsthilfe zu unterstützen, nachbarschaftlich-bürgerschaftliches Engagement zu stärken und die Vernetzung mit professionellen und kommunalen Diensten, Angeboten der Altenhilfe weiter zu entwickeln.

Das Fachkonzept Sozialraumorientierung hat seit Beginn der 90er Jahre zunächst durch kommunale Umbau- und Steuerungsprozesse in der Jugend- und Erziehungshilfe die Soziale Arbeit insgesamt wesentlich beeinflusst. Häufig im Zusammenhang mit Entwicklungsprojekten aus dem Programm „Soziale Stadt“ werden städtebauliche, stadtplanerische, ökonomische und sozialstaatliche Ressourcen, ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagements gebündelt. Im Sozialraum als Ort des physisch-materiellen Lebens und der Konstruktion subjektiver Wirklichkeiten wird der Fokus darauf gelegt, dass Menschen in prekären Lebenslagen ihre Lebenswelten so beeinflussen können, dass sie nicht nur zurechtkommen, sondern wesentlicher Akteur und Gestalter ihrer Lebenssituationen sind. Wesentliche Prinzipien sind dabei:

Dabei sind die Prinzipien der Sozialraumorientierung keine grundlegende Neuerfindung, sondern greifen auf Ansätze der Gemeinwesenarbeit und des Empowerments zurück. Hinzu kommen Arbeitsformen und Methoden aus dem Quartiersmanagement. In ihrer Konsequenz und vor allem mit der Forderung, dass soziale Dienste, Träger, Institutionen u.a. kooperieren müssen, dass finanzielle Steuerungsmodelle die Vernetzung und Zusammenarbeit stützen - was dazu führt, dass das Quartier insgesamt profitiert - bringt die Sozialraumorientierung einen neuen Fokus in das Spiel der Kräfte ein.

2. Der dritte Sozialraum

Der Sozialpsychiater, Soziologe und vehemente Kritiker von Heimen, Klaus Dörner, vertritt, dass die zu bewältigende Aufgabe des demografischen Wandels nicht mehr „mit den früher erfolgreichen Mitteln der Institutionalisierung und Ökonomisierung des Helfens … zu lösen ist“ (Dörner 2007, 9). Die Krise ist für ihn nicht nur ein Demografie- und damit Versorgungsproblem der Älteren, sondern begann 1980 als Kostenkrise – heute bezeichnet er es als Marktversagen –, die eine „Verbetriebswirtschaftlichung des Sozialen“ nach sich zog und gleichzeitig die ersten Initiativen, Trends und Bewegungen einer „solidaritäts-orientierten Bürgerbewegung“ auslöste (ebd., 55 ff). Als Lösung sieht er:

„Um es mit einem (nicht zu ernst zu nehmenden) Zahlenspiel auszudrücken: Insbesondere zur Beantwortung der Altenfrage bedarf es des Erfindens eines dritten Weges (zwischen Heim und eigener Wohnung), was wesentlich nur unter Beteiligung des dritten Sektors (zwischen Staat und Markt) gelingen kann, der zu diesem Zweck den dritten Sozialraum (zwischen privat und öffentlich) der Nachbarschaft wiederbelebt, dabei mit der Brüderlichkeit (= Solidarität) dem dritten Ideal der Französischen Revolution folgt, sich besonders auf die Bürger im dritten Lebensalter stützt, während die Bürger in der Breite mit der Pflege eines sozialen Netzes (neben gesetzlicher und privater Finanzierung) sich eine dritte Säule der Altersvorsorge geschaffen haben.“ (ebd., 55; Hervorhebung JMB)

Der dritte Sozialraum ist räumlich nicht festgelegt. Er hat etwas mit analogen Räumen, empfundener Nähe und Vertrautheit mit dem Lebensumfeld als einer natürlichen Größe zu tun. Wie weit die selbstorganisierte Hilfe greift, ob es ein Kiez, ein Quartier, ein Stadtviertel, eine Dorfgemeinschaft, ein Ausbau, ein Amt ist, ist offen (Dörner 2008a, 23). Hier werden sich gewohnte und neue Strukturen, Reichweiten von professionellen Diensten oder auch die Struktur von Verwaltungseinheiten ihren Weg suchen.

Dörner hält das Potential der Freiwilligen noch nicht für ausgeschöpft. Das zeigen auch die Freiwilligensurveys. Bei den Umfragen zum freiwilligen Engagement gibt ein Drittel an, tätig zu sein, ein Drittel weist es von sich und ein Drittel mit steigender Tendenz [4] antwortet sinngemäß: „‚Ja, ich könnte mir schon vorstellen etwas zu tun, aber mich hat bisher noch niemand gefragt!’.“ Diese realistische Einschätzung der Ambivalenz des Helfens – jeder hat auch andere Ideen für seine Zeit – hält Dörner für eine gute Voraussetzung für Verbindlichkeit, „weil ohne Selbstbetrug“. Das, was dann in der Regel erfahren werde sei, dass dem Helfer durch das Helfen die „vermehrte ‚Bedeutung für Andere’ auch ganz gut tut.“ (Dörner 2008b, 57)

Dörner engagiert sich für eine Belebung des „dritten Sozialraums“ [5] und versucht davon zu überzeugen, dass Profihilfe und Bürgerengagement zusammen ein tragfähiger Lösungsansatz sein können. Es reicht nicht nur, nicht ins Heim zu wollen und auf die skandinavischen Staaten und die Niederlande zu schielen, die es besser schaffen, Menschen mit Handicaps vielfältiger Art – also auch alte, hinfällige und/oder demente Menschen – im normalen Alltag präsent sein zu lassen und adäquat zu betreuen. Jenseits von unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen setzt Dörner in Bezug auf das Engagement für andere auf Sinngebung und einen Wandel in der Einschätzung, was im Leben tragen könnte:

„Besaßen unsere Vorfahren in der Vormoderne zu viele Verpflichtungen und hatten sie daher gegen Unfreiheit und lähmende Abhängigkeiten rebelliert, so sind wir heute hinsichtlich der Beanspruchung ‚sich wegzugeben und das Andere ganz da-sein zu lassen’ (Gadamer) eher verarmt, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, sich vom Anderen bestimmen zu lassen. Uns hier wieder maßvoll anzureichern, könnte der gesuchte Förder-Schwerpunkt sein, würde unsere Leistungen sozial sinnvoller und unsere privaten Beziehung vielleicht belasteter, aber auch liebevoller machen – was auch etwas mit Gesundheit zu tun hat.“ (Dörner 2008, 53)

Dörner bringt auf erfrischende Weise auf den Punkt, worüber der abstrakte gesellschaftliche Diskurs parliert, wenn von „gesellschaftlicher Kälte, Vereinsamung, Abgeschobensein“ und ähnlichen Probleme der postmodernen Gesellschaft gesprochen wird. Dörners besonderes Augenmerk gilt den Professionellen, die die Bürgerhelfer mit Argwohn betrachten, da sie im weitesten Sinne in einem Konkurrenzverhältnis um „soziale Arbeit“ stehen. [6] Die Zukunft kann angesichts des demografischen Wandels nur in einem Bürger-Profi-Mix bestehen. Zu dieser Perspektive gehört in unserer demokratischen Zivilgesellschaft bislang, dass die „Engagementprozesse“ nicht verordnet bzw. als Pflicht eingefordert werden. Alle Bemühungen die Freiwilligen-Engagementquote zu steigern – gleichgültig welcher Zielgruppe, auch wenn die jungen Alten bzw. Älteren derzeit sehr umworben werden – setzen auf eine Erhöhung der Motivation und Überzeugung, sich zu engagieren.

Wenn das Altwerden und die Pflege in möglichst selbst bestimmten und inklusiven Lebensräumen von einer immer größer werdenden Anzahl von Menschen im dritten Sozialraum von Kommunen funktionieren sollen, stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen selbstorganisiertes Engagement zugunsten von älteren Personen zustande kommt. Kann auf bürgerschaftliches Engagement alleine gesetzt werden, muss es Moderatoren geben, die steuernd und stützend eingreifen? Was trägt zur Nachhaltigkeit bei und wie lässt sich die Vernetzung mit professionellen Diensten herbeiführen? Bei dem Wandel der Lebensformen (weniger Kinder, bewusster oder nicht gewollter, aber sich ergeben habender Singlestatus u.a.) und der Ausrichtung des Lebensortes nach den Arbeitsmöglichkeiten wird in vielen Fällen auf familiäre Netzwerke nicht gesetzt werden können. In der Verknüpfung von fachlichen Hilfen und selbstorganisiertem freiwilligem Engagement werden innovative Potentiale des dritten Sozialraums gesehen, um mit den vielfältigen Anforderungen des demografischen Wandels zurechtzukommen. Hierzu wird gehören, dass Unterstützung und Solidarität in Netzwerken von nicht verwandten Menschen für einander erbracht wird.

3. Zielstellung und Vorgehensweise

Für das SILQUA-Projekt wurde ein Plattenbau-Stadtteil in Potsdam (ca. 9.000 Bewohner/-innen) und fünf Dörfer im Havellandkreis (je ca. 150 – 350 Bewohner/-innen) ausgewählt. Ziel des Projektes war es, Konzepte und praktische Lösungen zu entwickeln, so dass ältere Menschen länger in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können, was bei den meisten Menschen hohe Priorität hat. Dazu gehört aber trotzdem, sich frühzeitig mit neuen Wohnformen und Wohnkonzepten auseinanderzusetzen, falls das Alleinwohnen nicht mehr möglich sein wird. Durch solche Aktivitäten kann zunehmender Vereinzelung, Vereinsamung und Abschottung entgegen gewirkt werden, denn Leben und Teilhabe ist mehr als dass kurze Pflegeeinsätze und das Vorbeibringen einer warmen Mahlzeit vorrangig den Tag strukturieren. Exemplarisch sollten neue Lebens- und Unterstützungssysteme vor Ort geschaffen, aber auch bestehende Unterstützungsformen stabilisiert werden, um professionelle Hilfe von zusätzlichen Aufgaben, die häufig auf Grund des Zeitdrucks von ambulanten Hilfen nicht wirklich geleistet werden können, zu entlasten. Ressourcen der in den ausgewählten Regionen lebenden Menschen, Ressourcen der Quartiere und Orte sollten erkundet, auf das Zusammenwirken mit nachbarschaftlichen bzw. quartiersbezogenen Hilfeformen hingearbeitet werden. Das Projekt wurde mit regionalen Partnern vor Ort umgesetzt. Das konnten kommunale Strukturen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, aber auch Anbieter sozialer Dienstleistungen vielfältiger Art sein. Darüber hinaus sollten ältere und junge Menschen, Initiativen und Netzwerke gewonnen werden, die in der Region aktiv sind, sich engagieren und die Entwicklungen in der Region mit gestalten wollen. Als aktive Kooperationspartner im Sinne einer „letters of intent“-Bindung konnte der „Förderverein Akademie 2. Lebenshälfte im Land Brandenburg e.V.“ und der Verein „Soziale Stadt Potsdam e.V. / Haus der Generationen und Kulturen“ gewonnen werden.

Das Projekt arbeitete mit drei wissenschaftlichen Mitarbeitern (Dipl.-Soziologin, Dipl.-Sozialarbeiterin, Dipl.-Psychologe – jeweils eine halbe Stelle) und studentischen Hilfskräften. In die Erhebungsphase zur Lebensqualität, Bedarfe, Bedürfnisse der Menschen in den beiden Regionen wurden Studierende der Werkstatt „Kieze, Quartiere, Nachbarschaften“ [7] einbezogen, die in der ländlichen Region drei Tage bei Bewohnern der fünf Dörfer wohnten. In der städtischen Region war dies nicht umsetzbar, weil die Bewohner häufig an Wohnraum gerade das haben, was sie brauchen oder auch zurückhaltender gegenüber Fremden sind. Das Projekt konnte auch bei guter Öffentlichkeitsarbeit nicht die Bekanntheit in dem Quartier mit 9.000 Bewohner/-innen in etwa 5.000 Wohnungen herstellen, die notwendig gewesen wäre, um ein „Innewohnen von Studierenden“ umzusetzen. Hier wurde der Weg über die Gästewohnung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft gewählt. Ziel des Vor-Ort-Seins war nicht nur über Quartiere und Lebenswelten im Studium zu reden, sondern sie auch – jenseits des persönlichen Hintergrunds – zu allen Tageszeiten zu „erfahren“, ein Gefühl für das Leben auf dem Lande und in einem Stadtteil mit einem hohen Anteil an prekären Lebenslagen zu entwickeln.

Fokus des Praxisentwicklungsprojektes war nicht nur, die Prozesse der Selbstorganisation, Selbstsorge und sozialräumlichen Vernetzung zu Gunsten der Lebensqualität der älteren Menschen in beiden Regionen exemplarisch zu fördern und zu entwickeln, sondern auch dabei Erkenntnisse zu sammeln, was solche Prozesse fördert und wenn sie nicht gelingen oder sich nur mühsam entwickeln, welche Faktoren hemmen. Im Folgenden werden somit die Aktivitäten vor Ort kurz und die Erkenntnisse zur Prozessentwicklung genauer beschrieben.

Allgemein beschrieben umfasste das sozialraumorientierte Vorgehen Analysen über die regionalen Bedingungen, Experteninterviews und Bewohnerbefragungen zur Lebensqualität der älteren Bevölkerung, die Rückmeldung und Diskussion in öffentlichen Veranstaltungen, daraus ableitend Aktivitäten vor Ort, in denen das Team Hilfestellung gab oder auch die Initiativen auf den Weg brachte, leitete und gleichzeitig auf Beteiligung und Übergabe in die Hände der vor Ort lebenden Bürgerinnen und Bürger achtete. Anders ausgedrückt, Leitlinie des Handelns vor Ort war, Projekte und Aktivitäten kleinteilig, flexibel, individuell und partizipativ durchzuführen.

Beispiele aus der ländlichen Region:

Beispiele aus der städtischen Region:

In beiden Regionen wurde eine Filmreihe durchgeführt, damit schwierigere Themen des Alterns und Alters leichter besprechbar werden, um ggf. daraus eigene Initiativen auf den Weg zu bringen: Ein Umzug im Alter – neue Wohnformen (in die Nähe von Verwandten, in ein Heim); Liebe, Partnerschaft und Sexualität im Alter; Sterben, Sterbebegleitung durch nachbarschaftliche / lokale Unterstützungsformen ohne ein ambulanter Hospizdienst zu werden; die Verwirklichung von Träumen und die Freiheit der „Alten“ (im Sinne von weniger Rücksicht auf Konventionen, Erwartungen und Tabus).

4. Hoffnungsträger Selbstorganisationsprozesse im demografischen Wandel – Einflussfaktoren für ein Gelingen

Die Erfahrungen des Potsdamer SILQUA-Projektes „Gut leben im (hohen) Alter“ basieren auf zweieinhalb Jahren praktischer Arbeit, in denen Selbstorganisationsprozesse in den exemplarischen Regionen initiiert und unterstützt wurden. Das Ziel, tragfähige Netze der Sorge füreinander im Sozialraum zu entwickeln, ist nur teilweise erreicht worden. Ob das, was an Engagement und Netzwerkleistungen sich einstellte, längerfristig halten wird, bleibt offen. Vielfältiger sind dagegen die Erfahrungen und Erkenntnisse zu den Selbstorganisationsprozessen im Dienste des demografischen Wandels. Die Gewinnung von freiwillig Engagierten, die längerfristig in einem neu zu etablierenden Netzwerk für Ältere nachhaltig aktiv bleiben, ist schwierig. Gefordert sind Verbindlichkeit, Verlässlichkeit einerseits und Einbringen von Freizeit und eine gewisse Bindung an den Sozialraum andererseits. Die Gründe dafür, warum es so schwierig ist, Menschen „bei der Stange zu halten“ sind komplex und durchaus nachvollziehbar. Oft starten Menschen mit einem hohen Engagement und Enthusiasmus. Auf kürzere Phasen von Engagement folgen Frustration und Wegbrechen der Aktivitäten, wenn das Engagement der Mitbürger/-innen ausbleibt bzw. die Anzahl klein ist oder die Beteiligung ständig variiert, so dass verlässliche Entwicklungen es sehr schwer haben. Im Gegensatz zu den Professionellen können diejenigen, die versuchen, mit anderen „etwas auf die Beine zu stellen“, leichter aufgeben, das Engagement einstellen. Sie sind niemandem verpflichtet. Die Beteiligung setzt das Kennen und eine Akzeptanz der Initiatoren voraus. Gut ist, wenn dafür Personen gewonnen werden können, die von anderen anerkannt werden und eine eher integrierende Kraft haben. Beziehungsarbeit und Vertrauensaufbau brauchen Zeit. Für die Entwicklung von selbstorganisierten Projekten braucht es daher einen langen Atem. Häufig werden kurzfristig erreichbare positive Ergebnisse kontinuierlichen Aktivitäten mit langfristigen Perspektiven deutlich vorgezogen. Die Ergebnisse / Projekte müssen einen konkreten (erkennbaren) Nutzen für die Beteiligten haben. Konkreter Nutzen kann dabei auch „nur“ Spaß sein. Wenn das deutlich wird, gibt es eine Beteiligung (z.B.: Tanzveranstaltungen, Marktplatzdebatte über die Situation der Älteren im Quartier u.v.m.). Allein die Fokussierung auf „Selbstsorge und Selbstorganisation“ stellte für Interessierte in unserem Projekt ein Hindernis dar, da sich viele Engagementwillige eher strukturierte Angebote wünschen, bei denen sie nicht eine subjektiv als groß empfundene Verantwortung tragen müssen.

Viele Aktive oder potentiell Interessierte sind bereits ausgelastet mit dem Alltag und anderen Engagements. Die Beanspruchungen durch das Pendeln zur Arbeit, die eigene Familie und das eigene Haus sind nicht zu unterschätzen. Es ist also in kleineren Quartieren oder Dörfern oft nur eine begrenzte Anzahl von Menschen erreichbar und aktivierbar. Immer wieder ist zu beobachten, dass in Quartieren, die als sog. soziale Brennpunkte gelten, die meistens durch verschiedene Maßnahmen der sozialen Stadtentwicklung gegangen sind, die vorhandenen sozialen Träger z.T. um die wenigen aktiven und aktivierbaren Personen konkurrieren. Parallelprojekte, Abgrenzungsprobleme, „wer macht eigentlich was im Quartier“, Mehrfachansprache der Bewohner/-innen sind hier zu nennen. Bisweilen ist in solchen Stadtteilen eine Aktivierungsmüdigkeit festzustellen. Die vielen partizipativen Projekte, die die Bewohner/-innen über die Jahre „bei ihren Interessen abgeholt“ und die sicher durchaus zu Verbesserungen der Lebenssituationen im Quartier beigetragen haben, haben den Charme des Neuen verloren. Neu Hinzugezogene lassen sich oft gewinnen, bei anderen mögen Überlegungen sie zurückhalten wie, „ist es jetzt wirklich wichtig, dass ich teilnehme, wird sich dadurch grundsätzlich etwas verändern?“

In den ausgewählten Gebieten spielte eine gewisse Politikverdrossenheit eine Rolle. Das Engagement und die Zuwendung durch die jüngeren Projektmitarbeiter haben Erfahrungen nach der Wende, eine Selbstwahrnehmung als „Lückenbüßer in die Bresche springen zu sollen, wenn der Politik nichts mehr einfällt“, nicht wirklich kompensieren können. Es wirkt so, als müssen die Geschichten immer wieder erzählt werden; trotzdem gibt es dadurch keine Katharsis, die eine Bindung und ein Engagement für gesellschaftliche Prozesse, für die Lösungen gesucht werden, ermöglicht. Subjektiv gibt es oft mehr gute Gründe, etwas nicht zu machen als es zu machen, auch wenn die Sache an sich „für ganz gut“ eingeschätzt wird. Sprachbereitschaft ist eben nicht gleich Engagementbereitschaft und Engagementbereitschaft ist nicht gleich Durchhalten bei sich einstellenden Schwierigkeiten. Menschliche Vorbehalte, langjährige Erfahrungen miteinander – insbesondere aus der Zeit vor der Wende resultierend – stehen einem dauerhaften Engagement häufig entgegen. All diese Hinderungsgründe bedeuten allerdings nicht, dass nicht doch im Einzelfall oder Notfall einander individuell geholfen wird. Ein anderer Aspekt ist, dass, wenn Netzwerke für ältere sich auf ältere Menschen stützen, die eigene gesundheitliche Situation oder die von nahen Angehörigen, Pflege- oder Todesfälle im eigenen Lebensbereich häufiger ein Engagement beenden. Ein Rückzug ins Private kann sehr unterschiedliche Gründe haben.

Die Anforderungen des demografischen Wandels liegen für viele noch zu weit in der Zukunft, auch wenn sie objektiv betrachtet schon zu den Älteren gehören. Das Thema Alter ist auch für Ältere nicht unbedingt attraktiv. Wer fühlt sich wirklich davon angesprochen? Die frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Alter und der Frage, wie man dann leben möchte, wird verdrängt und findet zum Teil bewusst nicht statt. Auch eine ratlose oder anders verdrängende Haltung ist anzutreffen, die darauf setzt, dass die Systeme für die eigene Generation noch tragen werden und was danach kommt, müssen die nächsten Generationen selbst lösen.

Bedarfe bei der älteren Bevölkerung nach (mehr) Unterstützung aus der Nachbarschaft scheinen (noch) nicht oder nur begrenzt vorhanden. Man muss sich die Frage stellen, ob Nachbarschaft als „soziale Versorgungs- und Unterstützungsinstitution“ für Ältere eine relevante Rolle spielen kann. Nachbarschaft ist eher zufällig und individuell. Ihre Beeinflussbarkeit und ihr Aktivierungspotenzial haben Grenzen. Vieles funktioniert durchaus kleinräumig, individuell, selbstverständlich, leise und zumindest gegenwärtig weitgehend ohne formale Organisation oder „Hilfe von außen“. Nachbarschaftshilfe im Allgemeinen wird bevorzugt informell unter Bekannten geleistet.

Die Vorstellung, dass Bedarfe oder Mangel auf der sozialen Ebene relativ leicht geäußert werden, wenn die Möglichkeit geboten wird, ist nicht richtig. Das Zugeständnis, dass man etwas braucht, etwas vermisst, „eine organisierte Hilfe“ in Anspruch nehmen würde, wird durch Scham und zurückhaltende Mentalitäten verhindert. Manchmal hilft bei der Überwindung solcher Grenzen, wenn es aus dem eigenen Umfeld jemanden gibt, der ermutigt, vermittelt, vielleicht zunächst begleitet. Aber auch dann gehört eine innere Einstellung dazu, Grenzen zu überwinden und Dinge einmal anders zu machen als bisher. Diese Grundhaltung wird früher im Leben erworben und ist kaum im Alter durch „gutes Zureden“ zu erzielen. Es ist eher die Logik einer jüngeren Generation, dass man Angebote nur gut genug und / oder mit Hilfe von Schlüsselpersonen in die Gemeinde tragen muss, damit Ältere sie annehmen. Die Generationen, die auf Internetplattformen nach bestimmten Angeboten, Hilfen, Kontakten suchen, stellen jetzt noch nicht die Gruppe der alten und hochbetagten Menschen. Deutlich mehr als erwartet war bei älteren Menschen eine Akzeptanz anzutreffen, dass mit dem Altwerden eben „die Dinge bescheidener werden“, weniger erlebt wird, vieles nicht mehr geht, weil man abhängig ist von der Hilfe anderer, denen man nicht zur Last fallen will [9]. Im Verlauf des Projektes kamen wir zu der Überzeugung, dass die Prämisse unter der das Projekt gestartet war, „das Leben ist mehr als zwei Pflegeeinsätze am Tag, das Essen auf Rädern und die Glotze“, vielleicht eine falsche Grundannahme war. Wenn Menschen sich individuell unterschiedlich damit abfinden und akzeptieren, dass „die Ereignisse im Leben weniger werden“, dann ist eben eine funktionierende Grundversorgung und die Unterhaltung durch das Fernsehen vielleicht mehr, als man denkt.

Es stellt sich auch die Frage, wie man die unbekannten Älteren erreichen kann, die einsam vor sich hin leben und vielleicht gerne etwas hätten. Anonymität ist nicht einfach zu überwinden. Ohne Eigeninitiative und Willen der Bewohner/-innen selbst ist fast nichts machbar. Wer sie am ehesten kennt sind Ärzte und die Mitarbeiter/-innen von Pflegediensten. Einerseits besteht Schweigepflicht und andererseits sind Pflegedienste „am Markt“ positioniert und bieten gegen Geld Module wie Hausarbeit, Spazierengehen u.ä. an. Hier ergibt sich gegenüber ehrenamtlichen Netzwerken – sofern diese nicht direkt an einen Pflegedienst „angedockt“ sind – eine gewisse Konkurrenzsituation.

Aktivierung und Selbstorganisation benötigen Bedingungen die man nicht einfach „machen“ oder erwarten kann. Tatsache ist, dass, wenn in Orten keine Traditionen der eigeninitiierten und selbstorganisierten Hilfen herrschen oder diese – durchaus aus gutem Grunde – aufgegeben wurden, es ein langer Prozess ist, solche Traditionen erneut zu etablieren, bei dem Rückschläge meist dazu gehören [10]. Die Ergebnisse des Potsdamer SILQUA-Projektes bezüglich des Funktionierens von Selbstorganisationsprozessen sind in gewisser Weise ernüchternd. In manchen Orten funktioniert etwas, in anderen genau das wiederum nicht, d.h. „Patentrezepte“ gibt es nicht. Unrealistisch ist jedoch dass auf professionelle Steuerung, Moderation und / oder Beratung gänzlich verzichtet werden kann. Gerade weil die Prozesse so labil sind, förderliche und hinderliche Faktoren im individuellen Fall betrachtet werden müssen, braucht es haupt- oder ehrenamtliche, längerfristig sich bindende, anerkannte Einzelpersonen. Diese Personen müssen bestimmte persönliche Qualitäten und Fähigkeiten mitbringen. Der Hoffnungsträger „Dritter Sozialraum“ – „Das bürgerschaftliche Engagement wird die Auswirkungen des demografischen Wandels zusammen mit der Profihilfe auffangen oder deutlich abmildern“ – der allzu leicht idealisierend zur Vereinnahmung einlädt, ist eher eine zarte Pflanze, die einer guten Pflege bedarf. Dazu gehört auch, dass es kontinuierliche Anerkennungsformen für bürgerschaftliches Engagement gibt. Verbindliche ehrenamtliche Aufgabenübernahme erfordert zudem leichte Zugänglichkeit, die von Professionellen und einer entgegenkommenden Haltung in Verwaltung und anderen Institutionen hergestellt werden muss. Unterschiedliche Engagementformen (dauerhaft, sporadisch) sollten neben- oder miteinander existieren. Dies allein dem freien Spiel der Kräfte der Selbstorganisation zu überlassen ist unrealistisch, so dass die Politik gefordert bleibt, „Netzwerker / Koordinatoren“ für solche Aufgaben zu ermöglichen, d.h. zu finanzieren. Auch eine gewisse finanzielle Be- oder Entlohnung für verbindliche Dienstleistungen sollte in der „Freiwilligenengagementdebatte im dritten Sozialraum“ kein Tabu darstellen – Geld bindet nun einmal und ermöglicht vieles. Angesichts der erwarteten Zunahme von Altersarmut ist ein kleiner Zuverdienst durch Dienstleistungen für ältere Menschen doch nichts Unanständiges.

Eine wirkliche Alternative wäre das Bürgergeld, damit einhergehend ein notwendiger Umbau des Steuersystems, was bislang keine der traditionellen Parteien ernsthaft in Erwägung zieht. Hierdurch würden viele Bürger/-innen in der Hartz-IV-Schleife mit weniger Verbitterung und Ausgrenzung akzeptabler in unserem Land leben können, die dann vielleicht in weitaus höherer Anzahl bereit wären, sich für verschiedenste gesellschaftliche Gruppen zu engagieren. Hier kann und muss auch durch die Soziale Arbeit und ihre Projekte im Sozialraum der Diskurs weiter vorangetrieben werden. Die Folgen des demografischen Wandels in den modernen Industriegesellschaften können derzeit nicht vorrangig durch Ehrenamts- / Freiwilligenarbeit in Selbstorganisation gelöst werden. Die Berücksichtigung und Einbeziehung von Erfahrungen, wie denen des hier vorgestellten SILQUA-Projektes, können helfen, einen realistischeren Diskurs darüber zu führen, was vor dem Hintergrund unserer individualistischen und freiheitsbezogenen, sehr heterogenen Lebensstile, Bedürfnisse und Interessen möglich ist.

Literatur

Berlin-Institut (2007) (Hrsg.): Gutachten zum demografischen Wandel im Land Brandenburg – Expertise angefertigt im Auftrag des Brandenburgischen Landtages. Berlin. URL: http://www.berlin-institut.org/studien/gutachten-zum-demografischen-wandel-im-land-brandenburg.html;http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user _upload/Studien/Brandenburg_Webversion.pdf [Zugriff 12.11.2008].

Bestmann, Stefan 2012: Die Kirche im Dorf lassen? Das Fachkonzept Sozialraumorientierung und die Rolle der Kirchengemeinden. In: Sozialraum.de (4), 1/2012. URL: http//www.sozialraum.de/die-kirche-im-dorf-lassen.php, [Zugriff 19.04.2012].

Dörner, Klaus (2007): Leben und sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem. Neumünster: Paranus Verlag.

Dörner, Klaus (2008a): Leben und Sterben: Die neue Bürgerhilfebewegung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 4/2008, 21.01.2008. Berlin: bpb, 21-25.

Dörner, Klaus (2008b): Helfende Berufe im Markt-Doping. Wie sich Bürger- und Profi-Helfer nur gemeinsam aus der Gesundheitsfalle befreien. Neumünster: Paranus Verlag.

Hinte, Wolfgang & Treeß, Helga (2007): Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ-integrativen Pädagogik. Weinheim, München.

Landesamt für Bauen und Verkehr (2006):Bevölkerungsprognose des Landes Brandenburg für den Zeitraum 2005 bis 2030. Potsdam. URL: http://www.lbv.brandenburg.de/623.htm. [Zugriff 01.10.2007].

tns infratest München (2010): Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009. Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Bürgerschaftlichem Engagement. Zusammenfassung. URL:       http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/3.Frei willigensurvey-Zusammenfassung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de, rwb=true.pdf [Zugriff 15.07.2012].

 


Fussnoten

[1] Die hier gewählten Formulierungen machen deutlich, dass es keineswegs nur um „Probleme“ geht, die aus dem sog. demografischen Wandel resultieren. Es gibt Konsequenzen und Fakten, die problematisch sein können, aber sie bergen auch Chancen für einen veränderten gesellschaftlichen Umgang, was die Bürger/-innen eint bzw. trennt, eben einen erneuten Diskurs über gesellschaftliches Selbstverständnis und Werte.

[2] Das BMBF fördert das Projekt an der FH Potsdam im Fachbereich Sozialwesen von Mai 2009 – nach Verlängerung – bis Februar 2013. „demographischen“ – 2008 sic!

[3] „Die sog. ‚Pflegequote’ gibt Aufschluss darüber, wie viele Personen je 10.000 Einwohner als pflegebedürftig gelten. Als pflegebedürftig im Sinne des SGB XI gelten Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung mindestens 6 Monate nicht in der Lage sind, die regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten des täglichen Lebens auszuführen und denen von der Pflegekasse oder einem privaten Versicherungsunternehmen eine Pflegestufe zugewiesen wurde.“ http://www.stala.sachsen-anhalt.de/apps/StrukturKompass/indikator/zeitreihe/24 [Zugriff 01.10.2012].

[4] Die Freiwilligensurveys werden im Abstand von fünf Jahren durchgeführt. Von 2004 auf 2009 stieg die Bereitschaft von 32 auf 37% an, was die Untersucher so werten: „Der Haupttrend der Periode ist somit eine immer aufgeschlossenere Einstellung der Bevölkerung zum Engagement und weniger eine Zunahme des tatsächlichen Engagements. Besonders auf eine freiwillige Tätigkeit hin ansprechbar sind jene 11% der Bevölkerung, die sich bestimmt engagieren wollen. Junge und kürzerfristig regional mobile Menschen sind für diese Gruppe besonders typisch. Aber nicht nur in der aktuell nicht engagierten Bevölkerung, sondern auch bei den bereits Engagierten gibt es weiteres Potenzial („internes Potenzial“): Der Anteil derjenigen, die sich vorstellen können, ihr Engagement auszuweiten, ist seit 1999 deutlich gestiegen, ganz besonders bei jungen Engagierten.“ (tns infratest 2010, 9).

[5] Dörner 2008 a, b; ihn zeichnet eine rege Veröffentlichungs- und vielfältige Vortragstätigkeit im deutschsprachigen Raum aus.

[6] Das Buch „Helfende Berufe im Markt-Doping“ (2008b) widmet sich insgesamt diesem spannungsreichen Thema. Beteiligungs- und Hilfe(austausch)prozesse werden die Soziale Arbeit der Zukunft stark beeinflussen. Ihre Funktion wird sich dabei in Richtung Organisation, Koordinierung und Betreuung der Engagementwilligen bzw. der Koordinierung und Begleitung eines Profi-Bürgermix verschieben.

[7] Das Werkstatt-Konzept des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Potsdam gilt für die ersten beiden Semester. Es werden unterschiedliche Themenfelder als „Werkstatt“ angeboten (max. 15-20 Stud. pro Werkstatt), unter denen die Studierenden wählen können. Von hier aus wird „das Feld Sozialer Arbeit“ in der Praxis zu Beginn des Studiums aufgerollt. Neben Hospitationen, Besuchen, Fragen an die Praxis, inhaltlich-theoretischer Auseinandersetzung mit dem Themenschwerpunkt, werden Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens, eine Einführung in empirische Forschungsmethoden vermittelt, kleinere Forschungsarbeiten in Arbeitsgruppen von drei bis fünf Studierenden durchgeführt und letztlich für einen sog. „Sozialreport“ schriftlich ausgearbeitet. Ebenso gehören eine Zwischen- und Endpräsentation der Ergebnisse der Werkstatt vor der Fachbereichsöffentlichkeit dazu.

[8] Der Name „Generationentandems“ wurde von der Mitarbeiterin bewusst gewählt, da es nicht um ein Patenschaftsverhältnis geht, in dem vorrangig eine Seite etwas „empfängt und bekommt“. In den Aktivitäten liegt ein Verhältnis auf gleicher Augenhöhe vor, gleichgültig, wie die „Austauschprozesse“ vorübergehend gewichtet sind.

[9] Man sollte die psychologischen Entwicklungstheorieansätze „Aktivitätsmodell“ versus „Disengagement“ erneut überdenken.

[10] In den östlichen Ländern kann regional nur sehr bedingt auf Traditionen wie Nachbarschaftshilfe in der Kirchengemeinde zurückgegriffen werden, wie z.B. in südlichen Bundesländern. Frühere DDR-Initiativen wie „Timo und sein Trupp“ (Kinder und Jugendliche, die regelmäßig Älteren zu helfen hatten), sind nach der Wende aufgegeben worden. Die Volkssolidarität ist heute ein Wohlfahrtsverband wie andere auch und hat ihre Klientel. Staatlich verordnet, sich um andere – hier Ältere – kümmern zu müssen, kollidiert mit unserem Freiheits- und Sozialstaatsverständnis. Es ist auch eine Errungenschaft, dass Menschen in der derzeitigen Gesellschaft nicht verpflichtet werden können zum freiwilligen Engagement.


Zitiervorschlag

Bott, Jutta M. (2016): Konzepte sozialraumorientierter Unterstützung von Selbstsorge, Selbstorganisation und Vernetzung im demografischen Wandel – Erfahrungen aus einem Praxisentwicklungs- und Forschungsprojekt. In: sozialraum.de (4) Ausgabe 2/2012. URL: https://www.sozialraum.de/konzepte-sozialraumorientierter-untersttzung-von-selbstsorge-selbstorganisation-und-vernetzung-im-demografischen-wandel.php, Datum des Zugriffs: 19.04.2024