Sozialraum Stadtteilplatz – Konfliktfelder und Handlungsstrategien

Annette Harth, Claudia Heinzelmann

Stadtteilplätze sind bedeutsam für die Lebensqualität in Städten. Als Kristallisationspunkt mitunter divergierender Nutzungs- und Aneignungs- sowie Kontrollstrategien stellen sie zudem einen interessanten und vielschichtigen Sozialraum dar. Dennoch finden sich bisher kaum empirische Untersuchungen, die sich intensiv und detailliert mit den dort stattfindenden sozialräumlichen Prozessen beschäftigen. Einzelne Stadtteilplätze geraten aufgrund von eskalierenden Problemen in den Blickpunkt kommunaler Aufmerksamkeit. Dann werden solche Räume genauer betrachtet und es wird nach ortsspezifischen Lösungen gesucht. Doch eine übergreifende Thematisierung dieses Raumtypus hinsichtlich seiner Potenziale und möglicher Konfliktlösungsstrategien steht bislang aus.

In diesem Aufsatz wird daher anhand einzelner Befunde vorliegender Studien sowie einer eigenen kleinen explorativen Pilotuntersuchung[1] versucht, den Sozialraum Stadtteilplatz mit seinen typischen Konfliktfeldern und einigen bisher erfolgversprechenden kommunalen Handlungsstrategien zu beschreiben. Beabsichtigt ist damit auch, eine stärkere Aufmerksamkeit auf diesen wichtigen und oft unterschätzten städtischen Raum zu richten und dessen nähere Beforschung anzuregen.

1. Stadtteilplätze zwischen Aufenthaltsqualität und Unbehaglichkeit

Dezentrale Plätze haben Namen wie: „Lindener Marktplatz“, „Wolfgang-Giesen-Platz“ oder „De-Haen-Platz“ – Bezeichnungen, die auf den Stadtteil, anliegende Straßen, Firmen oder lokale Persönlichkeiten hindeuten. Sie sind Teil des Geflechts urbaner öffentlicher Räume und besitzen eine wichtige Bedeutung für die Identität und das Image von Stadtteilen. Werden sie in ihrem Erscheinungsbild als ansehnlich erlebt und wird ihre Nutzung als angenehm empfunden, so tragen sie zur positiven Wohnumfeldqualität eines Stadtteils und dessen Wertschätzung bei. Insgesamt betrachtet werden Stadtteilplätze recht umfangreich und regelmäßig genutzt: Von denjenigen, die 2009 auf oder direkt an einem Stadtteilplatz befragt wurden, gaben 39 % an, sich ‚öfter‘ auf dem Platz aufzuhalten und weitere 19 % zumindest ‚ab und an‘. Überwiegend handelt es sich auf Stadtteilplätzen um eine Art Stammpublikum; viele suchen den betreffenden Platz mehrfach wöchentlich, manche sogar nahezu täglich auf – etwa um den Hund auszuführen, mit dem Kind nach draußen zu gehen oder im Rahmen eines Spaziergangs. Man ist vertraut mit dem Platz und seinem Publikum.

1.1 Was ist der Reiz eines Stadtplatzbesuches und was macht einen angenehmen Aufenthalt aus?

Ein zentraler Faktor für die Nutzung dieser Räume ist die direkte Erreichbarkeit und Niedrigschwelligkeit. Ohne große Umstände und Vorbereitung und ohne Kosten kann man den Platz aufsuchen, sich dort zwischen Erledigungen eine Verschnaufpause gönnen, sich ein wenig bewegen und andere Leute sehen.

„Wir schlendern da durchaus mal einfach nur lang, um frische Luft zu schnappen, um nach draußen zu kommen, in die Natur zu kommen, soweit es möglich ist in der Stadt – um Bewegung zu bekommen und natürlich auch um Leute zu sehen. Da sind ja auch viele Familien und viele Kinder, und das ist immer spannend.“ (Studentin, 28 Jahre, 1 Kind)

Bewegung gehört in der Regel zu einem angenehmen Stadtplatzbesuch, sei es durch den Weg dahin oder die spielsportliche Betätigung vor Ort. Auch der Aufenthalt zum Betrachten des öffentlichen Lebens, zum Beaufsichtigen des Kindes oder zum Warten auf einen Bus spielt eine bedeutsame Rolle. Besonders für ältere Alleinlebende scheint das unverbindliche Gespräch auf der Sitzbank eine wichtige Bedeutung zu besitzen. Lebhaft erzählt eine 78-Jährige von ihren vielfältigen Kontakten und Erlebnissen, die sie auf diese Weise hatte, wobei besonders Begegnungen mit anderen sozialen Gruppen ihr Interesse zu wecken scheinen:

„Einmal hab‘ ich da alleine auf der Bank gesessen. Nebenan saßen Jugendliche und haben gesagt: ‚Och, die Oma schläft‘ (lacht). Da hab‘ ich gesagt: ‚Nee, die Oma schläft nicht, die guckt nur vor sich hin‘. Dann hab‘ ich die Zeitung weggelegt und hab‘ halt zugeguckt, was die machen. Und die waren ganz höflich. Auf Jugendliche musste halt auch mal mit Sprüchen mithalten (lacht).“ (Rentnerin, 78 Jahre)

Die anderen Personen und das, was sie tun, spielen für den Stadtplatzbesuch eine herausragende Rolle. Entsprechend konzentrieren sich die Erzählungen der Stadtplatznutzenden auf das soziale Geschehen, sie schildern die „schöne Atmosphäre“ und betonen, man könne „Leute angucken“. Demgegenüber werden Gestaltungselemente als Hintergrundbedingung und Nutzungsvoraussetzung meist nur dann erwähnt, wenn sie Mängel aufweisen. Pflege- und Instandhaltungsdefizite werden aber durchaus bis zu einem gewissen Grade akzeptiert, die Erwartungshaltung ist keineswegs besonders hoch („die Stadt hat ja kein Geld“, „man muss halt aufpassen mit Hundehaufen auf der Wiese“, „immerhin haben wir noch keine Spritzen gefunden“, „wenn das Gras nicht so oft gemäht wird, dann sieht man auch mehr Blumen“). Der Reiz der Gestaltung (so es denn überhaupt einen gibt) tritt durch die Gewöhnung zurück hinter das Erleben dessen, was passiert. Diese performative Ästhetik (Tessin 2004) ist im alltäglich genutzten Freiraum die Regel.

Die Art der sozialen Kontakte auf Stadtteilplätzen ist trotz einer gewissen Vertrautheit in Folge regelmäßiger Nutzung oder weil man sich zumindest vom Sehen her aus dem Stadtteil kennt, durch die in öffentlichen Räumen typische „unvollständige Integration“ (Hans Paul Bahrdt) gekennzeichnet. Das bedeutet, dass die Interaktion durch die Freiheit der Individuen zur Kontaktaufnahme bestimmt ist, in der Regel also eher flüchtig und distanziert ausfällt. „Die Verhaltensnorm in der Öffentlichkeit ist nicht das An-Reden, nicht das An-Sehen, sondern das Weg-Hören und Vorbei-Gucken“ (Tessin 2003, S. 21). Aus dieser spezifischen Form von Anonymität ergeben sich aber besondere Chancen, mit Menschen auf unverbindliche Weise in Kontakt zu kommen, die ganz verschieden von einem selbst sind. Die Befragten heben dies auch in besonderer Weise als positive Qualität ihres Platzbesuchs hervor: Es gebe die unterschiedlichsten sozialen und Nutzungsgruppen („soziale Durchmischung“), und trotz aller Unterschiede im Alter, Geschlecht, kulturellen und sozialen Hintergrund und sogar trotz immer mal auftauchender Konflikte, etwa zwischen Kindern oder zwischen Hundehaltern und anderen, gebe es „doch insgesamt meistens ein harmonisches Miteinander“.

Ein solch positives Erleben der Stadtplatzsituation wird aus Sicht der Nutzenden von verschiedenen Aspekten begünstigt. Ein wichtiger Punkt ist das Vorhandensein unterschiedlichster Nutzungsgruppen und Nutzungsarten. Dabei besitzen ‚Familien‘ anscheinend eine besondere Indikatorfunktion: Sind Menschen mit Kindern da, dann scheint der Stadtteilplatz bedenkenlos nutzbar. Hinzu kommt die Chance, sich bei Bedarf aus dem Weg zu gehen, was eine gewisse Größe und Zonierung des Platzes voraussetzt. Konzentriert es sich auf einen begrenzten Bereich, wird offenbar selbst als sehr problematisch empfundenes Verhalten toleriert – solange es nicht zu offenen Konflikten oder gar Handgreiflichkeiten kommt.

1.2 Problembereiche und Konfliktfelder

Die vorliegenden Studien zu Stadtteilplätzen in Deutschland zeigen, dass Stadtteilplätze allgemein trotz ihrer recht intensiven Nutzung sogar von den jeweiligen Nutzern und Nutzerinnen oft gerade nur noch so eben als ‚angenehme Orte‘ erlebt werden (Tessin 2005; Tessin 2008, S. 43f). Die Quartiersbevölkerung insgesamt (also auch die Nichtnutzenden) urteilt noch kritischer: So empfand in diesen Erhebungen etwa jede/r fünfte Befragte den jeweiligen Stadtteilplatz als ‚unangenehmen Ort‘. Und sogar von den Nutzenden bewerteten immerhin 28 % den Platz auf einer Skala von 1 (sehr angenehm) bis 6 (sehr unangenehm) mit Noten zwischen 4 und 6. Die Bewertung 1 vergaben nur 14 %. Die Durchschnittsnote liegt bei 2,8 und damit nicht besonders hoch. Auch im Vergleich zu anderen öffentlichen Grünräumen und Stadtarealen zeigte sich: Kein anderer untersuchter Freiraumtyp wurde ähnlich kritisch gesehen (Tessin 2008, S. 43).

Die Wahrnehmung eines Stadtteilplatzes als angenehmer oder unangenehmer Ort hängt in hohem Maße von der Situation des konkreten Platzes ab. Diese Situation wird von einem komplexen sozialräumlichen Geflecht von Einflussfaktoren bestimmt. Die Befundlage deutet auf drei miteinander verwobene Faktoren hin, die zu fehlendem Wohlempfinden und Nichtnutzung führen. Zum einen dürfte das etwas reizlose baulich-gestalterische Erscheinungsbild (einschließlich des Pflegezustands) vieler Stadtteilplätze dafür verantwortlich sein, dass die Stadtteilbewohnerschaft sich dort bisweilen unwohl fühlt. Zum anderen scheint dafür nicht selten ein diffuses Unbehagen oder ein Gefühl latenter Unsicherheit maßgeblich zu sein. Schließlich spielen offenbar Aspekte der Sicherheitskultur bzw. des Kontrollregimes eine Rolle, also die Frage, wie soziale Kontrolle ausgeübt und wie mit Konflikten umgegangen wird.

In der Befragung von 2009 wurden die Nutzenden eines Stadtteilplatzes und Passanten in der Nähe gebeten, insgesamt 44 Aspekte danach zu bewerten, ob und in welchem Umfang diese ihren Aufenthalt an dem betreffenden Ort beeinträchtigen. Am stärksten fühlten sich die Befragten von mangelnder Sauberkeit und Instandhaltung gestört – und zwar am allermeisten von Hundekot (46 %) und dann von unreparierten Spielgeräten (wenn es dort welche gab) (37 %) und von herumliegendem Müll (36 %). Darüber hinaus wurden von beachtlichen Befragtenanteilen die Sitzmöglichkeiten (zu wenig, zu unbequem), die lieblose Gestaltung und bisweilen karge Ausstattung von Stadtteilplätzen bemängelt. Es gebe zu wenig Grün und zu viele gepflasterte Bereiche, sie seien nachts zu dunkel und die Aufenthaltsqualität lasse zu wünschen übrig, sie seien nicht einladend.

Ausstattungs- und Gestaltungsmerkmale spielen also durchaus eine wichtige Rolle für die Bewertung von Stadtteilplätzen, zumindest wird auf diesbezügliche Mängel sensibel reagiert. Als zentrale Faktoren erweisen sich dabei die Grünbestimmtheit des Platzes einerseits und das vielfältige Nutzungsangebot andererseits (Tessin 2005). So ist der Wunsch nach ‚Natur‘ in einer verstädterten Umwelt sehr verbreitet; dazu gehören Bäume, Pflanzungen, Rasenflächen und auch Wasserelemente. Gibt es dabei Mängel, dann kann das zu Nichtnutzung führen (die Kritik ist bei Nichtnutzenden sehr verbreitet) oder zumindest zu einer eingeschränkten Zufriedenheit. Gleiches gilt für das Fehlen unterschiedlicher Nutzungsangebote, wie Sport- und Spielareale oder Aufenthaltsbereiche.

Die Kritik an Sauberkeit, Pflege und Instandhaltung, die in allen Freiraumstudien zum Teil heftig artikuliert wird, weist auf dahinterliegende Ordnungs- und Normalitätsvorstellungen hin. Wie gesagt, wird ein gewisses Maß an Unordnung und Pflegemängeln offenbar toleriert, wenn es aber eine gewisse Schwelle übersteigt, dann fühlt man sich gestört oder vermeidet die Nutzung. Dabei spielen Faktoren der realen Gefährdung (Kinder oder Hunde könnten sich an Scherben oder Geräten verletzen) eine Rolle, mehr aber noch – so scheint es – werden Müll, Pflege- und Instandhaltungsmängel als Indikator für soziale Erosionserscheinungen interpretiert. Im Sinne der ‚broken windows‘-Theorie (Wilson/Kelling 1996/1982) wird dann darauf geschlossen, dass den Eigentümerinnen und Eigentümern die Mängel gleichgültig sind und dass soziale Hemmschwellen hier nur wenig gelten.

Öffentliche Räume sind vom Grundsatz her ‚befriedete und zivilisierte Räume’ (Norbert Elias), in denen man sich ohne Gewalt und Waffen begegnet und wo Selbstjustiz verboten ist. Zur Regulation des Verhaltens existiert stattdessen ein höchst subtiles und komplexes Geflecht von Leitlinien, die situativ immer wieder neu justiert werden müssen (Irving Goffman). Auch kleinere Regelverstöße oder Indizien dafür können deswegen sehr irritierend wirken. Für solche Anzeichen eines Verfalls der sozialen Ordnung oder der materiellen Umwelt, die als Zeichen sozialer Desintegration gedeutet werden, wurde der Begriff der ‚Incivilities‘ geprägt (Lewis/Salem 1986). Diese Incivilities sind für sich genommen meist nicht gravierend auf Stadtteilplätzen, sie werden aber als Indikator genommen für die spontane Bewertung der fehlenden normativen Ordnung auf einem Platz.

Vermutlich hängt die eingeschränkte Nutzung und nur bedingt positive Bewertung der Stadtteilplätze eben auch in hohem Maße mit dem gefühlten Risiko zusammen, ‚etwas Unerfreuliches oder Unangenehmes zu sehen oder zu erleben‘. 2009 hielt immerhin jeder zehnte Hannoveraner Befragte das betreffende Risiko für groß bzw. sehr groß. Dass gar kein Risiko bestehe, meinten nur 22 %. Besonders das Publikum und dessen (Fehl-)Verhalten gibt Anlass zum Unbehagen: Ein gutes Drittel der Befragten ärgerte sich über Alkohol- und Drogenabhängige. Auch über Fahrradfahrende, Menschen, die ihre Hunde frei herumlaufen lassen und solche, die sich Bereiche aneignen, die offensichtlich nicht für sie bestimmt sind, war jeweils etwa ein Viertel der Befragten verstimmt. Dagegen sind für die allermeisten Befragten Kinder, Migrantinnen und Migranten, Jugendliche oder Skate-Board-Fahrerende kein Problem. Auch an Nutzungs- und Spiellärm stört man sich kaum. Zu voll jedenfalls sind die Plätze für fast kaum jemanden.

Immerhin 15 % der Befragten gaben an, dass sie den betreffenden Platz meiden, weil es ihnen dort nicht ‚sicher‘ genug erscheint und weitere 30 % sagten, sie würden den Platz zwar nutzen, aber aus diesem Grund nicht so gern. Auch bezogen auf andere Plätze sprechen die Befunde eine deutliche Sprache: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie bestimmte Plätze oder Parks regelrecht meiden würden, weil es ihnen dort nicht sicher genug erscheine; bei 14 % galt das für mehrere und bei 36 % für wenige Plätze. Dies bestätigt die Niedersächsische Dunkelfeldstudie, in der 30 % der repräsentativ befragten Personen angaben, dass sie ‚häufig/immer‘ bestimmte ‚Straßen, Plätze oder Parks meiden‘, um sich im Alltag vor der von ihnen antizipierten Kriminalität zu schützen. Dies gilt deutlich überdurchschnittlich für Frauen und ältere Menschen (LKA 2013, S. 17f). Mit Bezug auf städtische Parks wurden zwei Momente analysiert, die bei Frauen raumbezogene Unsicherheitsgefühle auslösen: „wenn die Gestalt der Umgebung eine Kontrolle der Situation erschwert und/oder wenn das Gefühl entsteht, eine (mögliche) Begegnung nicht selbstbestimmt lenken zu können“ (Kaspar 2012, S. 178).

Als öffentliche Freiräume, die mit Blick auf das erwartbare Verhalten weniger klar definiert sind als private oder halböffentliche Räume, werden Stadtteilplätze nicht selten vermehrt durch problembelastete Personen, Gruppen oder Verhaltensweisen geprägt. Zwar entstehen nur in Ausnahmefällen dadurch tatsächliche Gefährdungen in Form von Aggression, Zerstörung oder Kriminalität – dennoch reicht manchmal der Anblick von Scherben, die Anwesenheit einer Trinkergruppe oder von auffälligen Jugendlichen, damit ein Gefühl von Unsicherheit aufkommt. Als unsicher werden in der Bevölkerung eben nicht nur jene Räume angesehen, die es tatsächlich sind, sondern auch die, die unsicher aussehen, also schmutzige und ungepflegte Räume mit Zeichen von Vandalismus und Graffiti, mit Gruppen von ‚herumhängenden‘ Jugendlichen, mit herumliegenden Flaschen oder Drogenspritzen, mit Bettlern und Obdachlosen, mit heruntergekommenen Ausstattungselementen (Sessar 2003: 207f).

„Ich fühle mich von denen (der Trinkergruppe; d. Verf.) auch gar nicht unbedingt gestört, eher so‘n bisschen verunsichert. Ich hab immer das Gefühl – also es ist nichts passiert, aber ich denke, wenn mal was passieren würde, dann könnte das vielleicht von denen ausgehen.“ (Verwaltungsangestellte, 48 Jahre)

Stadtteilplätze werden auch manchmal zu Orten konflikthafter Auseinandersetzung unterschiedlicher sozialer Gruppen. Im Extremfall vermeidet die Bevölkerungsmehrheit die Nutzung, der Platz wird sozusagen zu einer ‚No-go-area‘. Dies kann zu einer Verschlechterung des Images des gesamten Stadtteils beitragen und längerfristig den Fortzug sozial etablierter Anwohnergruppen begünstigen. Dieser Stigmatisierungsprozess kann tatsächlich eine sozialräumliche Abwärtsspirale des Quartiers befördern. Doch unter den betrachteten Stadtplätzen der hier zugrunde gelegten Untersuchungen fanden sich eher wenige solcherart belastete Räume: 62 % der 2009 Befragten gaben an, dass sie noch nicht Negatives über den Stadtteilplatz gehört haben, vereinzelte Klagen haben 24 % gehört und unter einem eher schlechten Ruf leiden laut Befragtenangaben 12 % der untersuchten Plätze.

All das führt ganz überwiegend nicht dazu, dass die Befragten die Stadtteilplätze als ‚unsicher‘ empfinden (das gilt für 5 %). Vielmehr bezeichnen sie diese Aspekte mehrheitlich als ‚unerfreulich‘ (45 %) oder ‚unbehaglich‘ (19 %). Das zeigt sehr deutlich, dass es unterhalb der Schwelle zur Unsicherheit eine Art Unwohlsein oder eine Störung des angenehmen Platzerlebens gibt, die offenbar mit den besagten Incivilities zusammenhängen. Wie sich Incivilities auf die Nutzung von Stadtteilplätzen auswirken, dazu gibt es bislang kaum gesicherte Erkenntnisse. Hinweise lassen sich aus Forschungen entnehmen, in denen eine gewisse Bedeutung der Incivilities für die Entstehung affektiver Kriminalitätsfurcht nachgewiesen werden konnte. Dagegen steht die in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik ausgewiesene Kriminalitätsbelastung mit der Kriminalitätsfurcht nicht in unmittelbarer Beziehung (Hohage 2004, S. 79). Allem Anschein nach haben also Incivilities sogar einen stärkeren Einfluss auf das Gefühl von Unsicherheit als das faktische Viktimisierungsrisiko. Unsicherheit erweist sich somit auch (und womöglich vor allem) als ein ideologisches Konstrukt, das von unterschiedlichen Personengruppen und in unterschiedlichen räumlichen Umgebungen verschieden interpretiert werden kann (vgl. auch Tessin 2011, S. 135ff).

Auch bei denen, die die Plätze nutzen, scheinen gewisse Strategien des Umgangs mit dem Unbehagen durchaus üblich zu sein. Sehr verbreitet ist das Meiden bestimmter Bereiche und bestimmter Zeiten. Besonders Frauen halten sich lieber an belebten Orten mit sozialer Kontrolle durch als vertrauenswürdig Eingeschätzte (z. B. Familien) auf, und sie wählen Orte, die übersichtlich gestaltet sind, um die Kontrollierbarkeit der Situation zu gewährleisten. Vor allem in Dunkelheit werden die Plätze oft nicht mehr betreten. Weitere Strategien sind: Man geht an unangenehmen Bereichen schnell vorbei, schaut nicht hin, unterweist die Kinder, dort nicht hinzugehen oder sich bestimmten Personen oder auch den Hunden nicht zu nähern. Wichtig scheint auch die Kommunikation mit anderen zu sein: Indem man sich mit anderen zusammen ärgert, vergewissert man sich über die Normalität der eigenen Ordnungsvorstellungen. In seltenen Fällen wird man selbst aktiv, etwa indem man andere zurechtweist, Müll aufsammelt oder die Abfallbetriebe anruft. Einen interessanten Fall von Selbsthilfe schildert ein Experte: Weil sich Anwohnende über die laute abendliche Platznutzung von heimkehrenden Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern ärgerten, stellten sie die Bänke in einem gemeinsamen Kraftakt kurzerhand an eine entfernte Stelle ins Grüne. Darüber wiederum waren Rentnerinnen und Rentner, die tagsüber gern auf den Bänken saßen, um das lebendige Treiben anzuschauen, so erbost, dass sie Jugendliche baten, die Bänke wieder an den vormaligen belebten Ort zurückzustellen. In diesem Fall kehrt sich das Verhältnis der ‚üblichen Verdächtigen‘ auf den Kopf – die Kleingartenfreunde sind die Unruhestifter, die Jugendlichen die Helfenden. Gleichzeitig wird auch die Selbstregulationsfähigkeit der lokalen Öffentlichkeit deutlich.

2. Dominierende kommunale Handlungsstrategien

Seitens der Kommunen wird auf die benannten sozialräumlichen Problemlagen mit unterschiedlichen Maßnahmen einzuwirken versucht. Dabei ist das Handeln der Kommunen bei eskalierenden Konflikten wegen fehlender strategischer Konzepte nicht selten reaktiv, situativ und einzelfallbezogen (vgl. auch Floeting 2014). Oft folgt daraus eine Problemverschiebung an andere Orte, nicht eine Problemlösung. Die auf Stadtteilplätze angewandten Strategien beziehen sich im Kern auf zwei Ebenen:

a) Zum einen wird auf der physisch-räumlichen Ebene angesetzt. Dabei werden primär baulich-gestalterische Maßnahmen (einschließlich Pflege und Instandhaltung) eingesetzt, um subjektive Unsicherheitsgefühle und manifeste Störungen zu vermeiden bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen. Diese Strategien firmieren etwa unter Begriffen wie ‚städtebauliche Kriminalprävention‘ (Schubert 2005; Veil 2008; Baum 2008), ‚situative Kriminalprävention‘ zur Vermeidung von Tatgelegenheiten (Kohl 2012) oder ‚Präventionsarchitektur‘ (Tessin 2009). Zurückgehend auf Konzepte wie etwa von Jane Jacobs (1963; ‚eyes on the street‘), Christopher Alexander (1977; ‚pattern language‘) oder Oscar Newman (1972; ‚defensible space‘) werden Checklisten und Maßnahmenkataloge entwickelt, wie durch baulich-räumliche Gestaltungsmaßnahmen Sicherheit und Sicherheitsempfinden erhöht werden könnte.

b) Zum anderen wird auf der Verhaltensebene angesetzt. Dazu werden Konzepte der Sozial- und Gemeinwesenarbeit bzw. des Quartiermanagements, wie Vernetzung von sozialen Einrichtungen und Akteuren, Freizeitpädagogik, Jugendarbeit, Streetwork, Bürgerbeteiligung, Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt, um die soziale Kohäsion in Quartieren zu erhöhen und damit die soziale Kontrolle zu verbessern. Auch soll das Verhalten von vermeintlich problemerzeugenden Gruppen verändert werden. Schließlich werden Kontrollstrategien angewendet, wie Parkwächter, (Video-)Überwachung, polizeiliche Präsenz, wodurch abweichendes Verhalten abgeschreckt und ggf. auch sanktioniert werden soll (Wehrheim 2006; Belina 2006).

Gemeinsam haben diese Strategien, dass von einem Normalisierungsansatz ausgegangen wird: Die Plätze sollen so gestaltet werden, dass ein mehrheitlich sozial erwünschtes Verhalten gezeigt wird, was durch Verhaltensmodifikationen und Kontrolle unterstützt wird. Dabei werden, nicht selten implizit, eindeutige Vorstellungen über das ‚richtige Stadtplatzverhalten‘ transportiert und unterstützt – und zwar erheblich eindeutigere, als in der sozialen Wirklichkeit als Konsens unterstellt werden können.

ad a) Im Kontext von städtebaulicher Kriminalprävention stehen häufig kleinere, als ‚Angsträume‘ titulierte Orte im Fokus der Strategien. So werden z. B. Gestaltungsvorschläge für Tiefgaragen, Parkhäuser oder Unterführungen veröffentlicht (ProPK Hg. o. J.), aber Hinweise zu Stadtteilplätzen fehlen dabei gänzlich. Auch in den Leitlinien einer kriminalitätspräventiven Siedlungsgestaltung, die von dem US-Amerikanischen Konzept CPTED (Crime Prevention Through Environmental Design) abgeleitet wurden, wird lediglich pauschal empfohlen, öffentliche Flächen und Plätze enger und nicht zu großzügig anzulegen, um informelle soziale Kontrolle zu sichern (ebd., S. 33; Ekblom 2011). Grundsätzlich findet dieser Ansatz inzwischen mit der sogenannten zweiten CPTED-Generation eine wichtige Erweiterung der rein materiell-räumlichen Ebene um die Dimension der sozialkulturellen Potenziale (Nutzungsverantwortung) und um die Dimension des Managements, d. h. des netzwerkartigen Zusammenwirkens von lokalen Akteuren (Schubert 2013, S. 311f). Auf diesen Prinzipien aufbauende ‚Sicherheitspartnerschaften‘, wie die ‚Niedersächsische Sicherheitspartnerschaft im Städtebau‘ fokussieren sich jedoch stark auf Wohnumfelder, weniger auf öffentliche Stadtteilplätze.

Ansätze, die unterhalb der Schwelle der Kriminalprävention liegen, bei denen es also bereits um das Unangenehm- bis Unbehaglichfühlen und die Nutzungsvermeidung geht, fehlen oft genug. Hierbei ginge es darum, die Stadtteilplätze besonders attraktiv und deswegen angenehm belebt zu gestalten, um eine gewisse soziale Kontrolle zu gewährleisten. In den Experteninterviews wird der Erfolg solcher Umgestaltungsstrategien deutlich: In einem Fall wurden attraktiv gestaltete Grünverbindungen zwischen unterschiedlichen Plätzen und öffentlichen Bereichen geschaffen. Das habe zu einer Dynamisierung des Verhaltens geführt. Es gebe keine gruppendefinierten Plätze mehr, es sei mehr Bewegung zwischen den Plätzen entstanden in Abhängigkeit von den Tageszeiten und den jeweils dominanten Nutzungsgruppen. Auch Zier- und Schmuckgärten werden in der Regel als sicher empfunden: Die in Sicherheitsfragen besonders sensible Gruppe der älteren Frauen hält sich dort überproportional gerne auf (Spitthöver 2009, S. 59).

Natürlich können nicht alle Stadtteilplätze flächendeckend mit pflegeintensiven und vandalismusanfälligen Pflanzungen und Gestaltungselementen ausgestattet werden. Tatsächlich scheint das Gegenteil ganz überwiegend der Fall zu sein: Plätze werden regelecht befestigt. Wulf Tessin (2009, S. 17f) charakterisiert diese Art der ‚Präventionsarchitektur‘ folgendermaßen. Man gestalte diese Freiräume „mit karger Ausstattung (sie könnte kaputt gehen), mit wenig Vegetation (sie müsste gepflegt werden), stattdessen Pflasterflächen (hier hat man Kehrmaschinen), mit Betonpollern (Autos könnten sonst dort geparkt werden), ohne Wasserelemente (Kinder könnten daraus trinken oder darin ertrinken), ohne Sitzbänke oder unbequeme Sitzgelegenheiten (Obdachlose könnten sich sonst dort hinlegen bzw. es sich bequem machen wollen), keine Büsche (Abfall könnte sich darin verfangen und Sexualtäter könnten sich dahinter verstecken), keine attraktiven Spielgeräte oder Spiellandschaften (Kinder könnten sich verletzen), mit vielen Papier- und Abfallkörben (niemand geht ein paar Schritte, um seinen Abfall zu entsorgen), Abgrenzungen, Einzäunungen, Abpflanzungen (um ‚Grenzkonflikte’ zwischen unterschiedlichen Nutzungen zu vermeiden, zum Beispiel Bolzplatzkäfig, Abpflanzungen zur Straße hin), keine Schmuckelemente wie Statuen (sie würden nur beschmiert), keine Staudenrabatten (sie überlebten Kinder, Jugendliche, Hunde nicht!), keine Kioske oder Toilettenhäuschen, keine dunklen Ecken (es könnten die ‚falschen’ Leute angelockt werden), keine Grill- und Picknickplätze (gibt nur viel Müll), strapazierbares, robustes, pflegeleichtes Material (Stahl, Beton, eher kein Holz), keine frei beweglichen Gegenstände wie (Liege-) Stühle, Bänke oder Abfallkörbe (sie könnten gestohlen oder irgendwohin ‚entfernt’ werden).“ (a.a.O., S. 18) Und er schlussfolgert: „Ein angenehmer Ort entsteht so wahrscheinlich nicht.“ (ebd.) Und – so ist zu vermuten – auch kein Ort, den die Stadtteilbewohnerschaft gern und häufig nutzt. Der Platz ist dann vielleicht ‚sicher‘, aber reizlos.

ad b) Bei den sicherheitsbezogenen Maßnahmen auf der Verhaltensebene fällt auf, dass diese sich sehr häufig ausschließlich auf die Altersgruppe der Jugendlichen richten. In der Jugendarbeit, die sich für die Belange der Kinder- und Jugendlichen einsetzt und dabei auch deren Ansprüche an öffentliche Räume in den Blick nimmt, finden sich diverse Projekte. Unter der Überschrift ‚Betreten Erlaubt! Projekte gegen die Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum‘ wurden verschiedene diesbezügliche Praxisprojekte der Jugendarbeit NRW evaluiert und zusammengefasst (Deinet et al. 2009). Meist handelte es sich dabei allerdings um die Schaffung von spezifischen Jugendräumen, ein Stadtteilplatz in seiner Gesamtheit kommt nicht vor.

Auch in der Datenbank ‚Grüne Liste Prävention‘, mit der der Landespräventionsrat Niedersachsen einen Überblick über empfehlenswerte Präventionsansätze in den Bereichen Familie, Schule, Kinder/Jugendliche und Nachbarschaft gibt, findet sich nur ein Programm, das sich auf den öffentlichen Raum bezieht. Dabei handelt es sich um das Programm ‚Wir kümmern uns selbst – Konfliktlösung im öffentlichen Raum‘, das im Zeitraum 2005 bis 2009 als Bundesmodellprogramm durch das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und in sieben Kommunen umgesetzt wurde (www.wir-kuemmern-uns-selbst.de). Auch hier geht es um ein Verfahren zur spezifischen Bearbeitung von Konflikten mit Kindern und Jugendlichen. Hinzu kommen Maßnahmen, die ausgehend von einem spezifischen Konfliktfall an einem Ort, an den – meist alkoholbeeinflussten – Verhaltensweisen von Jugendlichen ansetzen. So wurde z. B. in dem beim bundesweiten Wettbewerb ‚Vorbildliche Strategien kommunaler Suchtprävention‘ ausgezeichneten Projekt auf dem Göttinger Wilhelmsplatz auf eine intensive Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Polizei gesetzt.

Die Experteninterviews unterstreichen die Bedeutsamkeit von integrierten Strategien. Durch die langjährige Gemeinwesenarbeit habe man Kontakt aufgebaut, man kenne die Familien und die Jugendlichen noch aus der Zeit, als sie in der ‚Pampers-Liga‘ waren. Dadurch funktioniere die soziale Kontrolle einigermaßen. Es gebe eigentlich ständig kleinere Konflikte (oft um Sauberkeit und Ordnung), größere seien aber die Ausnahme. Dann sei es jedoch sehr wichtig, auch die Polizei hinzuziehen. Aber in der Regel würden aufkommende Beschwerden anders gelöst:

„Wir wollen den Menschen ja nicht die Verantwortung abnehmen. Wir versuchen, immer die Bälle zurückzuspielen und niemanden zu entmündigen. Wir sagen dann: Okay, dann lass uns gemeinsam mal hingehen und schauen, ob Ihr eine Lösung findet.“ (Gemeinwesenarbeiter)

Die Beteiligung sei generell ein zentraler Aspekt, sowohl bei der Gestaltung, wie auch bei der stetigen Aushandlung der Freiraumkultur. Gemeinsame Aktionen und Feste auf den Plätzen seien dabei sehr bedeutsam, aber auch die Vernetzung und Kommunikation mit unterschiedlichen Akteuren und Nutzungsgruppen. Es sei wichtig, tragbare Lösungen für alle zu entwickeln. Eine solche habe man z. B. mit einer Trinkergruppe gefunden, die sich in einem Platzbereich aufhielt, der eigentlich zum Spielen gedacht war. Man habe Bänke an einen anderen Ort in der Nähe installiert und, so ein Experte, „es hat auch eine klare Ansprache gegeben. Es geht nicht darum sie aus dem Stadtbild zu verdrängen, sondern darum, auch die Perspektiven der anderen Menschen mit ins Spiel zu bringen.“

Als sehr wichtig wird schließlich die Aktivierung von zivilgesellschaftlichem Engagement erachtet. In einem Fall wird deutlich, wie umfangreich ein solches Engagement ausfallen kann: Von Müllsammlung über Pflanzarbeiten bis hin zur Durchführung einer Spendensammlung für einen neuen Bolzplatz reichen die Aktivitäten einer engagierten Bürgerin. Eine wichtige Rolle spielen für sie auch ‚erzieherische Maßnahmen‘ bei den Platznutzenden (etwa bei regelwidrigem Verhalten) und der Einsatz gegenüber den Verantwortlichen der Stadt (z. B. um das Ausschalten der nächtlichen Beleuchtung zu verhindern).

3. Resümee

In der Regel geht man heute im Fachdiskurs von der Nützlichkeit sog. integrierter Maßnahmenkonzepte aus, in denen unterschiedliche Maßnahmen auf der physisch-räumlichen Ebene und der Verhaltensebene kombiniert eingesetzt werden (vgl. z. B. MBV 2009, S. 2). Im Zuge des Programms ‚Soziale Stadt‘ etwa sind in diversen Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf solche integrierten Konzepte zum Einsatz gekommen. Dies ist allerdings kostspielig und ohne Förderungen in der Regel kaum oder nur an wenigen Plätzen denkbar. Häufig stehen allerdings die zentraleren Plätze im Sinne einer Aufwertungsstrategie öffentlicher Räume im Mittelpunkt der öffentlichen Anstrengungen. Stadtteilplätze stehen dagegen eher unten in der Hierarchie öffentlicher Räume – sofern sie nicht ‚auffällig‘ werden, also etwa häufiger mit negativer Konnotation in den lokalen Medien auftauchen. Ansonsten müssen sie sich angesichts leerer kommunaler Kassen in der Regel mit geringeren Investitionen und weniger Pflege begnügen. So verständlich dies ist, so steht es doch in gewissem Widerspruch zur (potenziellen) Alltagsrelevanz dieser Plätze für die Quartiersbewohnerschaft.

Festzuhalten bleibt, dass bei den kommunalen Handlungsansätzen in der Regel von einem defizit- und problemorientierten Ansatz ausgegangen wird. Man reagiert auf Probleme, die etwa in den Medien dargestellt werden oder in Beschwerden unterschiedlichster Akteurinnen und Aktuere zum Ausdruck kommen. Der betreffende Stadtteilplatz ist dann schon als ‚Problemort‘ kategorisiert bzw. muss es sein, um überhaupt in den Genuss knapper Haushaltsmittel zu kommen (Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma). Potenziale und Ressourcen des Sozialraums Platz können dabei schnell aus dem Blick geraten. Dazu gehören etwa die Selbstregulationsfähigkeit lokaler Teilöffentlichkeiten, der leise Einsatz von Menschen für ihr Quartier oder auch Strategien der Platzsäuberung, wie das Flaschensammeln, die nicht in das dominante öffentliche Wahrnehmungsschema passen (vgl. dazu auch die Beispiele in Tausendteufel 2014, S. 127ff).

Auch Ideen einer inklusiven Stadtöffentlichkeit, die im Sinne von Diversity-Konzepten (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2011) soziale Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern als bereichernd empfindet und gezielt fördert, werden dabei erst in Ansätzen für Stadtplatzkonzepte in Betracht gezogen. Denn das würde bedeuten, Abschied zu nehmen von Ideen einer sicherheitsorientierten Platzbefestigung und an Mittelschichtsnormen orientierten Verhaltensregulierung und sich stattdessen der Frage zuzuwenden: Wie kann der Sozialraum Stadtteilplatz so ausgeformt werden, dass er für diejenigen, die ihn nutzen wollen, Raum und Aneignungsmöglichkeiten bietet und konstruktive Konfliktlösungen ermöglicht – und zwar ohne Exklusion. Hier ließe sich u. a. auf Konzepte zurückgreifen, in denen unterschiedliche Nutzungsformen zeitlich und räumlich entzerrt werden.

Weitere Forschungen sind notwendig, die sich in Form von ‚feinkörnigen‘ Sozialraumanalysen dem Platzgeschehen aus unterschiedlichsten Perspektiven nähern, verborgene Potenziale aufspüren und neue Kooperationsformen ausloten. Anstelle der Problemorientierung wäre eine Ressourcenorientierung als Betrachtungsrahmen einzunehmen. Eine Vorabfokussierung auf vermeintliche ‚Problemverursacher‘ verstellt den Blick auf unerwartete Ansatzpunkte. Die bisher vorherrschende einseitige Fokussierung auf die Altersgruppe der Jugendlichen sollte vermieden und der Blick auf alle Nutzungsgruppen erweitert werden. Auch zur Verbindung der unterschiedlichen Akteursebenen (unterschiedliche Nutzergruppen, Anlieger, professionell mit dem Platz Befasste usf.) und ihren Strategien finden sich bisher keine Studien. Den dargestellten Befunden zufolge könnte es ein durchaus erfolgversprechender Weg sein, Bürgerbeteiligung zu fördern und vor Ort Personen zu finden und zu unterstützen (Empowerment), die selbst Verantwortung übernehmen.

Literatur

Alexander, Christopher (1977): A Pattern Language. Towns, Buildings, Construction. With Sara Ishikawa, Murray Silverstein, Max Jacobson, Ingrid F. King und Shlomo Angel. New York (dt. 1995)

Baum, Detlef (Hrsg.) (2008): Kriminalität und Stadtstruktur – Städtebauliche Prävention. Wiesbaden

Belina, Bernd (2006): Raum, Überwachung, Kontrolle. Münster

Deinet, Ulrich/Okroy, Heike/Dodt, Georg/Wüsthof, Angela (Hrsg.) (2009): Betreten Erlaubt! Projekte gegen die Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum. Opladen & Farmington Hills

Ekblom, Paul (2011): Deconstructing CPTED… and Reconstructing it for Practice, Knowledge Management and Research. In: European Journal on Criminal Policy and Research, Vol. 17, No. 1, 7-28

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Fussnote

[1] Die folgenden Ausführungen beziehen sich – soweit nicht anders vermerkt – auf Daten, die im Rahmen einer kleineren Pilotstudie erhoben bzw. ausgewertet wurden: a) fünf problemzentrierte Interviews mit Stadtplatznutzenden in verschiedenen niedersächsischen Städten aus dem Jahr 2014, b) drei Expertengespräche mit Hildesheimer Stadtplatzakteuren ebenfalls von 2014 und c) eine bislang unveröffentlichte Befragung aus dem Jahr 2009 von 575 Personen auf bzw. in der Nähe von 18 Stadtteilplätzen in Hannover.


Zitiervorschlag

Harth, Annette und Claudia Heinzelmann (2015): Sozialraum Stadtteilplatz – Konfliktfelder und Handlungsstrategien. In: sozialraum.de (7) Ausgabe 1/2015. URL: https://www.sozialraum.de/sozialraum-stadtteilplatz-konfliktfelder-und-handlungsstrategien.php, Datum des Zugriffs: 25.04.2024