Möglichkeiten und Grenzen des QplusAlter Lotsenmodells im Einsamkeitskontext

Zentrale Ergebnisse einer Evaluation eines sozialräumlichen Modellprojekts

Michael Noack

1. Einleitung

Seit Einsamkeit als soziales Problem diskutiert wird, beschäftigen sich Wissenschaftler:innen, Politiker:innen und Praktiker:innen mit der Frage, wie sich negatives Einsamkeitserleben vermeiden und lindern lässt. Dabei werden Förderprogramme und Modellprojekte entwickelt, die darauf abzielen, Menschen, die sich einsam fühlen Unterstützung anzubieten.

Dabei bleiben zwei Herausforderungen häufig unberücksichtigt:

In diesem Beitrag wird am Beispiel des Hamburger Modellprojekts QplusAlter geschildert, wie ältere Menschen, die unter unfreiwilliger Einsamkeit leiden, zugehend erreicht und stigmafrei unterstützt werden können.

Zuerst geht es darum, was Einsamkeit ist und inwiefern Informationsdefizite und Scham Unterstützungshürden darstellen. Danach wird das Modellprojekt QplusAlter vorgestellt, um anschließend zu erörtern, welche Möglichkeiten sowie Herausforderungen mit der Funktion der QplusAlter Lots:innen einhergehen, diesen Unterstützungshürden zu begegnen.

2. Einsamkeit und soziale Isolation

Einsamkeitsgefühle sind allgegenwärtig und treten in verschiedenen Lebensphasen auf. Kinder können sich beispielsweise einsam fühlen, wenn sie beim Sportunterricht als letzte in eine Mannschaft gewählt werden. Auch der Verlust der ersten Liebe im Jugendalter oder biografische Übergänge [2] im Erwachsenenalter, wie die Geburt eines Kindes oder das Ende einer beruflichen Tätigkeit im Alter, können zu Einsamkeitsgefühlen führen.

Wenn aus vorübergehenden Erfahrungen unfreiwilliger Einsamkeit ein chronisches Erleben wird, können sich weitere Herausforderungen einstellen. Personen, die dauerhaft unter negativem Einsamkeitserleben leiden, ernähren sich ungesünder (vgl. Cacioppo/Patrick 2011 [2008], S. 127 ff.), neigen zu Übergewicht (vgl. Schalek/Stefan 2018, S. 379), rauchen mehr (vgl. Cohen-Mansfield et al. 2016), haben öfter Suizidgedanken und suchen häufiger Fach- sowie Hausärzte auf (vgl. Beutel et al. 2017, S. 2) als Menschen, die sich nicht chronisch einsam fühlen.

Im Alter können alterungsbedingte physische und psychische Einschränkungen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erschweren, etwa wenn der Weg zu Lieblingsorten wie dem Café, der Kirchengemeinde oder dem Bouleplatz zu beschwerlich wird. Auch der alterungsbedingte Verlust romantischer Kontakte kann negatives Einsamkeitserleben befördern (vgl. Bücker/Lembcke/Hinz 2019, S. 17 ff.).

Menschen können sich aber auch einsam fühlen, obwohl sie nicht allein bzw. sozial isoliert sind. So können sich pflegende Angehörige einsam fühlen, wenn die Beziehung zu der Person, die sie pflegen, belastend ist. Auch regelmäßiger Kontakt zu Verwandten und Freund:innen schützt pflegende Angehörige nicht zwangsläufig vor negativen Einsamkeitsgefühlen. Pflegende Angehörige erleben nicht selten Schweigen, Themenwechsel oder sogar den Abbruch des Kontakts, wenn sie versuchen, über die Herausforderungen zu sprechen, die ihren Alltag prägen (vgl. Fringer/Arrer 2018, S. 228)

Das Einsamkeitsphänomen lässt sich also nicht erfassen, wenn es mit sozialer Isolation gleichgesetzt wird. Menschen können sich einsam fühlen, obwohl sie eine große Familie und ein dichtes Bekannten-, Freund:innen- und/oder Kolleg:innen-Netzwerk haben (vgl. Bücker et al. 2019, S. 9). Das Risiko für subjektiv empfundene unfreiwillige Einsamkeit steigt allerdings mit der objektiven sozialen Isolation.

Um zu verstehen, inwiefern Einsamkeit und soziale Isolation korrespondieren, ist es hilfreich, zwischen gewollter und ungewollter Einsamkeit zu unterscheiden. Freiwillige Einsamkeit resultiert aus einem bewusst gewählten oder einem bewusst nicht veränderten Rückzug aus sozialen Kontakten, sodass wenige und/oder fehlende Kontakte zwar empirisch als soziale Isolation feststellbar sind, subjektiv aber nicht zwangsläufig als Mangel erlebt werden. Unfreiwillige Einsamkeit lässt sich in Anlehnung an Perlman und Peplau (1981) als Resultat nicht erfüllter Erwartungen an die Qualität und Quantität sozialer Beziehungen bestimmen. [3] Mit dieser Unterscheidung lässt sich Einsamkeit auf einem Kontinuum zwischen erfüllender sozialer Einbindung sowie gewollter Einsamkeit, nach der es manche Menschen giert und unfreiwilliger Einsamkeit, unter der andere Menschen leiden, beschreiben (vgl. Noack 2022b, S. 14 und Abbildung 1).

Einsamkeitskontinuum

Abbildung 1: Einsamkeitskontinuum (eigene Darstellung)

Ein Pol des Einsamkeitskontinuums ist die erfüllende soziale Einbindung, [4] bei der Zufriedenheit mit Quantität und Qualität der sozialen Kontakte besteht. Dies schließt auch die freiwillige Einsamkeit ein, in der Menschen gewollt ohne Kontakt sind und nicht darunter leiden. Im Gegensatz dazu repräsentiert der andere Pol unfreiwillige Einsamkeit, die entsteht, wenn Menschen unter mangelhaften oder fehlenden sozialen Kontakten leiden.

Es ist selten offensichtlich, wenn jemand unter Einsamkeit leidet. Da sich viele Menschen mit unfreiwilliger Einsamkeit fühlen, als hätten sie sozial versagt, tendieren sie dazu, dieses Gefühl zu ignorieren oder vor sich selbst zu leugnen. Sie meiden es oft, sich selbst als einsam zu bezeichnen, und zögern, Hilfe von ihrem Umfeld oder Fachleuten zu suchen. Dies wird als „Turn-away-Effekt" bezeichnet (Bohn 2018; 2006). Wenn Menschen, die sich einsam fühlen, Hilfe suchen, kann es sein, dass sie nicht wissen, wo und wie sie diese erhalten können (siehe dazu ausführlich: Noack 2024a).

Diese Situation stellt eine große Herausforderung für die Umsetzung von Maßnahmen dar, die konzipiert wurden, um Einsamkeit zu bekämpfen. Im nächsten Abschnitt werden diese Herausforderungen detaillierter erläutert.

3. Herausforderungen einsamkeitsbezogener Interventionen

Beginnen wir mit der „Einsamkeitsscham“, bei der es sich um ein paradoxes Phänomen handelt. Üblicherweise schämen sich Menschen für Dinge, die sie nicht verbergen können. Manche Menschen empfinden beispielsweise Scham aufgrund ihrer körperlichen Merkmale, da das Aussehen und der Körper einer gewissen Öffentlichkeit unterliegen und somit Normierungs- und Zuschreibungsprozessen ausgesetzt sind (vgl. Wenzlaff 2022, S. 285). Einsamkeit ist zwar kein äußerlich sichtbares Merkmal und lässt sich verbergen. Dennoch schämen sich viele Menschen für ihr Einsamkeitserleben (siehe dazu ausführlich: Spithoven et al. 2017). Dies hängt auch mit dem gesellschaftlichen Einsamkeitsbild zusammen, das mit individuellen Unzulänglichkeiten verknüpft ist.

Wie für die Kategorie Alter existieren auch für die Kategorie Einsam Bilder, die den gesellschaftlichen Diskurs über Einsamkeit prägen und die von einsamen Menschen internalisiert werden können. Der Kategorie Einsam wird in kollektiven Diskursen als  Abgrenzung zur sozialen Einbindung genutzt. Als Beispiel:

„Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl, bei dem die eigenen sozialen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen  entsprechen. (…) Unabhängig davon, welche Ursache Einsamkeit im individuellen Fall hat: chronische Einsamkeit senkt die Lebensqualität, wirkt sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit aus. Einsamkeit stellt damit ein auf individueller Ebene zu bewältigendes Problem, aber auch eine Aufgabe breitflächiger Gesundheitsvorsorge auf politischer und gesellschaftlicher Ebene dar.“ (Kompetenznetz Einsamkeit [KNE], o.J.; Hervorheb.: M.N.)

Diese Charakterisierung der Kategorie Einsam durch das diskursprägende KNE zeigt: Das gesellschaftliche Einsamkeitsbild ist individuumszentriert. Zwar ist von der politischen Ebene die Rede, allerdings lediglich im Kontext der letztlich wiederum individuell zu leistenden Gesundheitsvorsorge. Damit können sozialstrukturelle Ursachen für individuelles Einsamkeitserleben im gesellschaftlichen Diskurs aus dem Blick geraten. Dadurch können Menschen die Ursachen für ihr Einsamkeitserleben individualisieren, indem sie sich kritisch hinterfragen, anstatt auch gesellschaftliche Ursachen (bspw. soziale Ungleichheit [5]) zu berücksichtigen. Wenn sich Menschen für ihre Einsamkeit schämen, weil sie diese als selbstverschuldet begreifen, können sie dazu tendieren, ihr Einsamkeitserleben zu verbergen, um weitere Selbtswertverluste zu vermeiden. Dies führt zu einem Teufelskreis: Menschen, die sich einsam fühlen, könnten besorgt sein, dass diejenigen, mit denen sie Kontakt aufnehmen möchten, ihre Bemühungen als Versuch interpretieren, ihre Einsamkeit zu überwinden, weshalb sie sich noch weiter zurückziehen. Personen, die sich einsam fühlen, obwohl sie soziale Kontakte haben, können befürchten, dass diese Kontakte (noch) brüchiger werden, wenn sie dies thematisieren.

Dabei ist für Menschen, die sich einsam fühlen, der Eindruck besonders fatal, man sei die einzige Person, die sich für Einsamkeitsgefühle schämt: „Scham wirkt insbesondere unangenehm, weil sich die Person (in Gänze) in Frage stellt.“ (Wenzlaff 2022, S. 295) Daher können sich einsame Menschen aus Scham von einsamkeits(un)spezifischen Unterstützungsangeboten abwenden, weil sie vermeiden wollen als nicht normal zu gelten (vgl. Cocioppo/Patrick, S. XIII und Fußnote 4).

Wenn Menschen, die sich einsam fühlen, Unterstützung suchen, kann ihre reduzierte soziale und infrastrukturelle Einbindung dazu führen, dass sie von Informationen über Hilfsangebote abgeschnitten sind. Bleiben einsamkeitsinduzierte Informationsbarrieren unbearbeitet, verschärft sich das Risiko einer mangelnden gesellschaftlichen Teilhabe, die zu einer reduzierten Lebensqualität führen kann, da einsamkeits(un)spezifische Unterstützungsangebote und Hilfen im (vor)pflegerischen Bereich nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht in Anspruch genommen werden.

Insofern gilt es bei sozialraumorientierter Soziale Arbeit im Einsamkeitskontext zu reflektieren, wie sich diese Herausforderungen bearbeiten lassen:

Damit sind wir beim nächsten Abschnitt angelangt, bei dem die Ansätze des Modellprojekts QplusAlter, mit diesen Herausforderungen umzugehen, vorgestellt wird. Im Anschluss werden Zwischenergebnisse aus der laufenden Evaluation herangezogen, um die Möglichkeiten und Grenzen dieser Ansätze für die Einsamkeitsprävention und -linderung zu erörtern.

4. Das Modellprojekt QplusAlter

Das Modellprojekt QplusAlter wurde im Kontext des sozialräumlichen Engagements der Evangelischen Stiftung Alsterdorf entwickelt. QplusAlter wird durch die Deutsche Fernsehlotterie, die Karin und Walter Blüchert Gedächtnisstiftung, die NORDMETALL-Stiftung und die HOMANN-Stiftung gefördert. Im Projekt beraten und begleiten hauptamtliche Lots:innen ältere Menschen [7] und ihre An- und Zugehörigen dabei, ein individuelles Unterstützungssetting mit Bausteinen aus Selbsthilfe, Technik, Quartier, Ehrenamt und Profi-Dienstleistungen zu entwickeln, ausgehend vom Willen des Menschen. Das Ziel: Menschen sollen bis ins hohe Alter möglichst selbstständig und selbstbestimmt nach ihren Vorstellungen im Quartier leben können, wenn sie das wollen. Diese Tätigkeit wird hier als Funktion der QplusAlter-Lots:innen bezeichnet.

Die erste Umsetzungsperiode erstreckte sich vom 1.4.2019 bis zum 31.12.2021. Die zweite Umsetzungsperiode läuft seit dem 1.1.2022. Die Evaluation der zweiten Umsetzungsperiode durch das Institut SOCIAL.CONCEPTS (SO.CON) der Hochschule Niederrhein läuft seit dem 14.6.2022. Das Evaluationsziel besteht darin zu analysieren, ob und wie es die organisatorischen Projektstrukturen und methodischen Vorgehensweisen von QplusAlter ermöglichen, dass die teilnehmenden Personen nach ihren Vorstellungen leben und die passende Unterstützung finden können.

4.1 Fachliche Rahmung des Modellprojekts

Fachlich gerahmt wird das Modellprojekt QplusAlter vom Fachkonzept Sozialraumorientierung (Hinte 2020; Noack 2022a). Gegenstand sozialraumorientierter Sozialer Arbeit ist die Gestaltung des Wechselverhältnisses zwischen Person und Raum, die „sich konsequenterweise immer richtet zum einen auf die Erweiterung des Innenraums eines Menschen durch eine konsequente Orientierung an individuellen Interessen, Fähigkeiten und Lebensentwürfen, zum anderen auf die Erweiterung des den Menschen umgebenden äußeren Raumes, wobei es immer sowohl um die bessere Ausstattung des ‚Raumes‘ geht (erschwinglicher Wohnraum, funktionierendes Internet, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Grünflächen und bebauter Umwelt, wohnortnahe Dienstleistungen usw.) als auch um die aufmerksame Wahrnehmung vorhandener räumlicher Ressourcen zur Nutzung für die Realisierung des persönlichen Lebensentwurfs im Rahmen eines Unterstützungsarrangements oder von Projekten, Aktionen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten (…).“ (Hinte/Noack 2022, S. 77).

Um eine Erweiterung des individuellen inneren Raumes eines Menschen und seines umgebenden Raumes zu ermöglichen verzahnen die Lots:innen „personenspezifische, personenübergreifende und personenunspezifische Aktivitäten  miteinander“ (Reinhard/Haubenreisser/Gaum 2023, S. 11; vgl. Abb. 2).

Dreidimensionale sozialraumorientierte Arbeit

Abbildung 2: Dreidimensionale sozialraumorientierte Arbeit (eigene Darstellung)

Die dreidimensionale sozialraumorientierte Arbeit im Modellprojekt QplusAlter dient dazu, ausgehend vom Willen der teilnehmenden Personen und ggf. ihrer (pflegenden) An-/Zugehörigen 

zu passgenauen Unterstützungsarrangement zu verknüpfen.

Dafür erschließen die Lots:innen durch personenunspezifische Arbeit Kenntnisse, Kontakte und Ressourcen im Quartier. Sie tun dies, um später, in der Beratung und Begleitung einzelner Personen, also in der „personenspezifischen Arbeit“, auf diese Ressourcen zurückgreifen zu können. Um dies zu erreichen, machen sich die Lots:innen in ihrem Zuständigkeitsbereich bekannt. Sie gehen aktiv auf die Menschen im Wohnviertel zu und knüpfen gezielt Kontakte zu Schlüsselpersonen. Diese Schlüsselpersonen haben wiederum Verbindungen zu Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen nicht selbstständig an soziale Dienste wenden, obwohl sie Unterstützung benötigen.

Der aufsuchende Ansatz personenunspezifischer Arbeit, birgt Potential, Verbindungen zu den Lebenswelten von isolierten Menschen, sie sich möglicherweise einsam fühlen, herzustellen.

Die Lots:innen warten nicht darauf, dass ältere Personen, die Unterstützungsbedarf haben und / oder unter Einsamkeit leiden, zu ihnen kommen. Durch personenunspezifische Arbeit schaffen sie den Humus dafür, dass über folgende Brücken Kontakt zu ihnen aufgenommen werden kann:

Die Erfahrungen der Lots:innen in der Praxis zeigen, dass nach den ersten drei Jahren der Einsatz für personenunspezifische Arbeit deutlich zurückgeht. Strategische Partner:innen und Schlüsselpersonen sind mit dem Ansatz vertraut und unterstützen ihn aktiv. Sie erleichtern den Zugang zu den Lots:innen und ermöglichen gleichzeitig wichtige Bausteine für die Unterstützung. Durch diese enge Zusammenarbeit ist es möglich, sowohl benachteiligte und isolierte Gruppen als auch Menschen in Übergangsphasen oder im Vorfeld von Sozialleistungen zu erreichen.

Zusätzlich zu diesen Praxiserfahrungen gibt es Zwischenergebnisse aus der laufenden Evaluation. Diese Ergebnisse geben erste Antworten auf die Frage, welche Möglichkeiten und Herausforderungen mit QplusAlter Lotsenfunktion einhergehen, um Kontakt zu isolierten Personen, die sich einsam fühlen, herzustellen und mit Menschen, die sich einsam fühlen, zu arbeiten, die aus Scham nicht über ihre Einsamkeit sprechen.

4.2 Evaluation des Modellprojekts

Gemeinsam mit den Projektbeteiligten wurde folgende Evaluationsfrage entwickelt:

Gelingt es mit den organisatorischen Projektstrukturen und den methodischen Vorgehensweisen der QplusAlter Systematik, dass teilnehmende Personen nach ihren Vorstellungen leben können und die passende Unterstützung dafür finden?

Ein Blick in die Fachdebatte zeigt: Regelmäßig wird eine Diskrepanz „zwischen dem, was sich ältere Menschen als Unterstützung wünschen und dem, was formelle und informelle Helfer als unterstützend ansehen“ festgestellt (Künzel-Schön 2000: 155). Um dieser Diskrepanz zu begegnen, wurde das Einschätzungsverfahren PERSPEKT entwickelt. Dieses Verfahren erfasst zu zwei Zeitpunkten zwei Perspektiven:

  1. Die Perspektive der teilnehmenden Menschen auf ihre Lebenssituation sowie auf ihre Teilhabeoptionen zu Beginn und am Ende der Zusammenarbeit mit den Lots:innen
  2. Die Perspektiven der Lots:innen auf die Lebenssituation sowie auf die Teilhabeoptionen der teilnehmenden Menschen zu Beginn und am Ende der Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Personen.

Das mehrperspektivische Vorgehen beruht auf dem Konzept der Koproduktion. Schellberg (2008, S. 45) unterscheidet die Koproduktion von Unterstützungsarrangements von der Herstellung materieller Produkte wie Autos. Die Koproduktion von Unterstützungsarrangements zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht materiell greifbar ist (vgl. ebd.). Unterstützungsarrangements entstehen durch die Zusammenarbeit von Lots:innen, teilnehmenden Personen und gegebenenfalls ihren (pflegenden) Angehörigen/Zugehörigen. Ein:e Lots:in kann eine Person nur beraten, wenn diese mit ihr spricht. Eine Begleitung ist nur möglich, wenn die Lots:innen und die älteren Menschen sowie ggf. ihre (pflegenden) Angehörigen/Zugehörigen auf Augenhöhe interagieren.

Aus den Ausführungen wird deutlich: Um ein Unterstützungsarrangement koproduktiv zu entwickeln, ist es erforderlich, dass die Lots:innen und die teilnehmenden Personen an einem Strang ziehen, um zusammenzuwirken. Ein Indikator für koproduktives zusammenwirken ist die Perspektivannäherung der Koproduktionspartner:innen als Folge der Willensorientierung. Um den Willen der teilnehmenden Personen zum Ausgangspunkt der Unterstützungsgestaltung zu machen, müssen die Lots:innen deren Perspektiven erkunden, um sich in diese hineinzufühlen und sie zu verstehen.

Gemeinsame bzw. sich über den Zeitverlauf annähernde Perspektiven, die sich mit quantitativen Daten erfassen lassen, geben erste Hinweise darauf, ob es den Lots:innen gelungen ist, den Willen der teilnehmenden Personen zu erkunden und ihm zum Ausgangspunkt der Zusammenarbeit zu machen. Um verstehend zu rekonstruieren, warum sich Perspektiven decken oder unterscheiden, sind qualitative Methoden erforderlich.

Durch die Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden können die Prozesse und Faktoren analysiert werden, die aus Sicht der Lots:innen sowie der teilnehmenden Personen die Entwicklung von Unterstützungssettings fördern oder behindern. Dies ermöglicht auch, die Auswirkungen der Koproduktion auf den Alltag und die Teilhabeoptionen der teilnehmenden Personen zu betrachten.

Das Evaluationskonzept ist daher von einem Mixed-Method-Design geprägt und umfasst drei Module, basierend auf der Hauptfrage der Evaluation, aus der spezifische Teilfragen abgeleitet wurden.

Modul 1: Erfassung der Unterstützungsarrangements

Fragestellungen

 

  1. Welche Anliegen tragen die teilnehmenden Personen und ggf. ihre (pflegenden) Zugehörigen/Angehörigen an die Lots:innen heran?
  2. Welche Bausteine wurden in den Unterstützungsarrangements zur Anliegenbearbeitung realisiert?
Methodik Erfassung quantifizierbarer Daten:
  • zum Zugang zu den Lots:innen,
  • zur Anliegenklärung und
  • zur ressourcenorientierten Entwicklung passgenauer Unterstützungsarrangements.
Für die Datenerfassung wurde ein Onlinefragebogen mit SoSciSurvey entwickelt. Die Lots:innen legen für jede teilnehmende Person im Onlinefragebogen ein sogenanntes Eingangsmonitoring an. Wenn eine Begleitung beendet wird oder spätestens nach dem sechsten Gespräch wird ein sogenanntes Entwicklungsmonitoring angelegt, für das ebenfalls ein Onlinefragebogen mit SoSciSurvey entwickelt wurde.
Erfassungsrythmus Erfassungsperiodik des „Eingangsmonitorings“:
  • Erfassung zwischen dem zweiten und vierten Gespräch.
Erfassungsperiodik des „Entwicklungsmonitorings“:
  • Erfassung nach weiteren sechs Gesprächen und am Ende der Begleitung.

Modul 2: Erfassung der Teilhabeoptionen und ihrer Entwicklung

Fragestellungen Wie verändern sich die gesellschaftlichen Teilhabechancen der teilnehmenden Personen und ggf. ihrer (pflegenden) Angehörigen/Zugehörigen aus Sicht
  • der teilnehmenden Personen und
  • der Lots:innen?
Methodik Erfassung quantifizierbarer Daten zur Teilhabesituation der teilnehmenden Personen und ggf. ihrer (pflegenden) Angehörigen/Zugehörigen.
Erfassungsrhythmus „Teilhabemonitoring“ durch die teilnehmenden Personen:
  • zwischen dem zweiten und dem vierten Gespräch (so früh wie möglich),
  • nach weiteren 6 Gesprächen und
  • am Ende der Begleitung.
  „Teilhabemonitoring“ durch die Lots:innen:
  • zwischen dem zweiten und vierten Gespräch (so früh wie möglich) und
  • am Ende der Begleitung.

Um die Teilhabesituation der teilnehmenden Personen und ggf. ihrer (pflegenden) Angehörigen/Zugehörigen empirisch erfassen zu können, wird auf den „Capability Approach“ (z.dt. Befähigungsansatz) Bezug genommen. Der von Amartya Sen (1993) und Martha Nussbaum (1999) entwickelte Ansatz fokussiert gesellschaftliche Rahmenbedingungen und individuell verfügbare Ressourcen, die die Lebenssituation bzw. Teilhabeoptionen eines Menschen beeinflussen. Nussbaum identifizierte „Grundstrukturen der menschlichen Lebensform“ (1999: 49) und leitete aus diesen zehn Teilhabebereiche für ein gutes Leben ab (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Teilhabebereiche nach Nussbaum (1999)
Erläuterung der Teilhabebereiche
  1. Schutz: Fähigkeit und Möglichkeit zum Schutz des Lebens und zum Schutz vor körperlichen und seelischen Gefahren/Gefährdungen; Fähigkeit und Möglichkeit zur sexuellen Selbstentfaltung etc.
  2. Gesundheit: Fähigkeit und Möglichkeit eines förderlichen Umgangs mit Körperpflege/ Hygiene, Ernährung, medizinischer Versorgung, Sport etc.
  3. Wohnen und Leben: Fähigkeit und Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines förderlichen Wohnumfelds, privater Rückzugsmöglichkeiten, Mobilitätsangeboten etc.
  4. Bildung: Möglichkeit und Fähigkeit zur Annahme von Selbstbildung; von Lernangeboten etc.
  5. Emotionen: Fähigkeit und Möglichkeit zum Selbstwirksamkeitserleben; zur Entwicklung von Selbstwertgefühl; zum konstruktiven Umgang mit Wut und Aggression, Trauer u. Stress; zum Erleben und Gestalten von Vertrauen, Zuneigung/Liebe etc.
  6. Vernunft und Reflexion: Fähigkeit und Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der eigenen Situation, mit Werten und Moralvorstellungen; zur Entwicklung und Verfolgung von Zielen, Sinn etc.
  7. Zugehörigkeit: Fähigkeit und Möglichkeit zu Kontakten mit Gleichaltrigen, zur Familie, zu Vereinen, zu Religionsgemeinschaften etc.
  8. Zusammenleben: Fähigkeit und Möglichkeit zum förderlichen Kontakt mit Mitmenschen, zum förderlichen Umgang mit Tieren und Pflanzen; zur Auseinandersetzung mit Umweltbewusstsein, Konfliktbewältigung, Legalverhalten etc.
  9. Kreativität, Spiel und Erholung: Fähigkeit und Möglichkeit zum Zugang zu und Umgang mit Anregungsmaterial; Freizeittätigkeiten/Hobbies etc.
  10. Kontrolle über eigene Umgebung: Fähigkeit und Möglichkeit zur Selbstsorge; zur Selbst- und Mitbestimmung; zur Einstellung zu Politik und Engagement; zur Gestaltung von Lern- u. Arbeitsbedingungen etc.

Jeder Teilhabebereich wurde in Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten operationalisiert, indem ein Item entwickelt wurde, mit dem sich quantifizierbare Daten erheben lassen. Für die einleitend aufgeworfene Fragestellung nach den Möglichkeiten und Grenzen der QplusAlter Lotsenfunktion zur Einsamkeitsprävention und -linderung ist die zeitvergleichende Betrachtung des siebten Teilhabebereichs interessant. Hier müssten sich aus Sicht der teilnehmenden Personen und auch der Lots:innen Verbesserungen ergeben haben, wenn einbindungsbezogene Anliegen erfolgreich bearbeitet worden.

Modul 3: Vertiefte Prozess- und Ergebnisanalyse

Fragestellungen   Welche Gründe liegen perspektivischen [8]Gemeinsamkeiten und Unterschieden auf
  • (un)veränderte Ressourcenlandschaften und
  • (un)veränderte Teilhabeoptionen zugrunde?
Methodik Rekonstruktion subjektiver Perspektiven auf die Koproduktion mit qualitativen, problemzentrierten Interviews (Witzel 2000).

Die vergleichende Auswertung von zwei Teilhabeperspektiven zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten bietet eine einzigartige Gelegenheit, den Prozess der Koproduktion zu verstehen und zu analysieren. Es ermöglicht einen detaillierten Einblick in die Dynamiken der Zusammenarbeit zwischen den Lots:innen, den teilnehmenden Personen und gegebenenfalls ihren pflegenden Angehörigen oder Zugehörigen. Die Entscheidung, welche teilnehmenden Personen darum gebeten werden, an den qualitativen, problemzentrierten Interviews teilzunehmen, wird ausgehend von zwei Mustern der Perspektiventwicklung getroffen:

Indem diese Muster analysiert werden, lassen sich Erkenntnisse über die Bedingungen für erfolgreiche oder problematische Koproduktionsprozesse generieren. Das Verständnis, wie und warum sich die Perspektiven im Zeitverlauf annähern oder auseinanderentwickeln, kann dazu beitragen, zukünftige Lotsenarbeit zu verbessern, indem effektivere Strategien für die willensorientierte Kommunikation, ggf. Konfliktlösung und die koproduktive Gestaltung von Unterstützungssettings entwickelt werden.

Die vertieften Analysen der Prozesse und Ergebnisse sind derzeit im Gange und werden hier nicht behandelt. Stattdessen werden im Folgenden Ergebnisse aus dem Eingangs-, Entwicklungs- und Teilhabemonitoring präsentiert und diskutiert, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und Grenzen die QplusAlter Lotsenfunktion für die Prävention und Linderung von Einsamkeit bietet. Obwohl einsamkeitsbezogene Fragen nicht Teil des Evaluationsdesigns sind, lassen sich aus den Zwischenergebnissen dennoch Hinweise auf präventive und lindernde Aspekte im Zusammenhang mit Einsamkeit ableiten. Diese werden im Folgenden näher erläutert.

5. Die QplusAlter Lotsenfunktion im Kontext von Einsamkeit im Sozialraum

Seit dem Beginn der zweiten Evaluationsperiode (14.06.2022) bis zum Stichtag für die Zwischenauswertung (30.6.2023) gab es insgesamt 300 Kontaktaufnahmen mit den QplusAlter-Lots:innen, sowohl von älteren Personen selbst als auch von deren Angehörigen und/oder Zugehörigen.

Die Lebenssituation der Teilnehmenden zu Beginn der Lotsenbegleitung sowie die Veränderungen im Verlauf der Begleitung werden anhand statistischer Daten beschrieben. Diese Daten stammen aus dem Eingangs-, Entwicklungs- und Teilhabemonitoring, das von den Lots:innen zwischen dem 14.06.2022 und dem Stichtag für die Zwischenauswertung am 30.06.2023 erhoben wurde.

Die Lots:innen erkundigen sich bei den teilnehmenden Personen danach, ob sie an der Evaluation mitwirken wollen, wenn sie kognitiv dazu in der Lage sind. Nicht alle Personen wollten mitwirken [9] bzw. waren dazu altersbedingt in der Lage, sodass die Stichprobe relativ klein ist:

Infolgedessen sind die hier vorgestellten Ergebnisse nicht zu verallgemeinern, sondern als Denkanstöße dafür zu verstehen, wie es mit der QplusAlter Lotsenfunktion gelingen kann einsame Menschen zu erreichen und sie zu unterstützen ohne sie als einsam zu brandmarken.

Vor der Darstellung und Diskussion der einsamkeitsrelevanten Ergebnisse der Zwischenevaluation ist es wichtig zu verstehen, welche Personen auf welche Weise in das Modellprojekt eingetreten sind und wie sich ihre Lebenssituation während der Lotsenbegleitung verändert hat.

5.1 Einmündung in das Modellprojekt

Wie alt sind die Personen, die sich an die Lots:innen wenden und sich begleiten lassen?

Die 28 Teilnehmer:innen, die über das Eingangsmonitoring erfasst wurden, sind im Durchschnitt 80,63 Jahre alt, wobei der Median bei 82 Jahren liegt.

Wie wohnen die Teilnehmenden?

Von den 28 Teilnehmer:innen, für die ein Eingangsmonitoring vorliegt, leben 23 in Mietwohnungen (82,1 %). Eine Person wohnt in einer Eigentumswohnung. Drei Teilnehmer (10,7 %) wohnen in einem eigenen Haus. Eine Person hat ihren Wohnsitz in einer (Senioren)Wohneinrichtung.

Über welche materiellen Ressourcen verfügen die teilnehmenden Personen?

Welche Anliegen werden von den teilnehmenden Personen an die Lots:innen herangetragen?

Die an die Lots:innen herangetragenen Anliegen wurden in folgende Kategorien unterteilt:

  1. Anträge/Zugänge zu Verordnungen
    • Dies betrifft Teilnehmer:innen, die beispielsweise Unterstützung bei der Beantragung von Zuschüssen für Pflegeleistungen benötigen.
  2. Fragen zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung
    • Hier geht es um Teilnehmer:innen, die fachärztliche Beratung benötigen.
  3. Möglichkeiten und Finanzierung von Alltagshilfen/Unterstützung im Alltag
  4. Fragen zur Unterstützungsmöglichkeit in der Wohnumgebung und Zugang zur Alltagsbegleitung
    • In die Kategorien c und d fallen bspw. Teilnehmende, die Hilfe beim Einkaufen benötigen.
  5. Kontakt-, Freizeit- und Aktivitätsmöglichkeiten
    • In dieser Kategorie wurden Teilnehmende aufgenommen, die auf der Suche nach geeigneten Freizeitaktivitäten sind, um neue Kontakte zu knüpfen.
  6. Digitalisierungshilfen zur Erhaltung sozialer Kontakte und Selbständigkeit in Haushaltsangelegenheiten
    • In diese Kategorie fallen die Anliegen von Teilnehmer:innen, die lernen möchten, ein Smartphone/Tablet zu nutzen, um soziale Kontakte zu knüpfen bzw. zu pflegen und eigenständig zu bleiben (z.B. Online-Banking, Tickets kaufen, Reservierungen, Termine, CovPass).

Die größte Anzahl von Anliegen, die von den Teilnehmenden geäußert wurden, betreffen Fragen bezüglich der Möglichkeiten und der Finanzierung von Alltagshilfen sowie der Unterstützung im Alltag im Allgemeinen, sowie Fragen zur Unterstützung im Sozialraum im Speziellen und dem Zugang zur Alltagsbegleitung. Diese machen insgesamt 32,1 % aller Anliegen aus. An zweiter Stelle stehen Fragen zur Finanzierung von Alltagshilfen und Unterstützung im Alltag, die von einem Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (25,0 %) genannt wurden.

Ein weiteres häufig genanntes Anliegen betrifft die Unterstützung bei der Nutzung digitaler Technologien zur Pflege sozialer Kontakte und zur Bewältigung von Haushaltsangelegenheiten, welcher von 14,3 % der Teilnehmer:innen angegeben wurde. Dies unterstreicht die Relevanz sozialer Kontakte, wie sie sich auch in der Nennung von Kontakt-, Freizeit- und Aktivitätsmöglichkeiten zeigt, die für 10,7 % der Teilnehmer:innen von hoher Bedeutung sind.

Anträge und Zugänge zu Verordnungen wurden von 7,1 % der Befragten als relevante Thematik genannt. Zusätzlich äußerten 7,1 % der Teilnehmer:innen persönliche Anliegen, die nicht in die vordefinierten Themenfelder passen. Diese beinhalten Probleme in der Ehe und mit Freundinnen und Freunden (3,6 %) sowie Fragen zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung (3,6 %).

5.2 Entwicklungen während der Teilnahme am Modellprojekt

Die Anliegen der Teilnehmenden haben sich wie folgt verändert:

  1. Anträge/Zugänge zu Verordnungen:
    In dieser Kategorie haben 40 % der Teilnehmer:innen neue Anliegen formuliert. Diese bezogen sich auf Fragen zu Verordnungen und Anträgen sowie auf die Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen. Neue Anliegen in dieser Kategorie beinhalteten beispielsweise die Beantragung einer Pflegegraderhöhung und die Vorbereitung sowie Begleitung eines MDK-Gutachtens.
  2. Fragen zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung:
    20 % der Teilnehmer:innen äußerten neue Anliegen innerhalb diese Kategorie. Diese bezogen sich auf Fragen zur Gesundheitsversorgung sowie zur pflegerischen und seelsorgerischen Unterstützung, etwa bei der Bewältigung einer Krankheit.
  3. Neue Anliegen traten auch in den Bereichen Möglichkeiten und Finanzierung von Alltagshilfen/Unterstützung im Alltag und
  4. Fragen zu Unterstützungsmöglichkeiten in der Wohnumgebung und Zugang zur Alltagsbegleitung auf (jeweils 10 %). Hier standen Fragen zur finanziellen Unterstützung von Alltagshilfen sowie zur Suche nach Vertrauenspersonen zur Unterstützung im Alltag im Fokus.
  5. Weitere neue Anliegen bezogen sich auf die Kategorie Freizeit- und Aktivitätsmöglichkeiten (10 %). Diese Teilnehmenden äußerten das Interesse, soziale Treffpunkte aufzusuchen und gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen.
  6. Schließlich machten auch 10 % der neuen Anliegen die Kategorie Digitalisierung aus. Hierbei ging es um die unterstützte Nutzung von digitalen Endgeräten sowie den Erwerb entsprechender Hardware.

Die ursprünglichen Anliegen waren eher versorgungsorientiert (bezüglich der Unterstützungsinfrastruktur der Wohnumgebung, Angeboten der Alltagsbegleitung und genereller Unterstützung im Alltag). Dieser Fokus änderte sich im Verlauf der Begleitung hin zu einbindungsbezogenen Anliegen. Dazu gehören Unterstützungsmöglichkeiten in der Umgebung und der Zugang zur Alltagsbegleitung, Freizeit- und Aktivitätsmöglichkeiten sowie Digitalisierung.

Aus den Evaluationsdaten geht hervor, dass bei der Bearbeitung dieser Anliegen auch einsamkeitsbezogene Aspekte eine Rolle spielten, wie beispielsweise die Zugangswege der Teilnehmenden zu den Lots:innen sowie die Bearbeitung einbindungsbezogener Interessen, ohne dass diese ihre eventuell schambehaftete Einsamkeit direkt thematisieren mussten.

5.3 Zugangswege zu den Lots:innen

Wer wendet sich an die Lots:innen?

Mit 82,1 % waren es hauptsächlich die älteren Personen selbst, die sich mit ihren Anliegen an die Lots:innen wandten. In 10,7 % der Fälle wurden die Anliegen sowohl von den älteren Personen als auch von ihren Angehörigen formuliert. In vergleichsweise geringerem Maße (7,1 %) traten Verwandte oder Angehörige allein in Kontakt mit den Lots:innen (vgl. Abb. 3).

: Zugangswege zu den Lots:innen

Abbildung 3: Zugangswege zu den Lots:innen (eigene Darstellung)

Ein Anteil von 82,1 % der teilnehmenden Personen hat sich direkt an die Lots:innen gewendet. Dies legt nahe, dass es durch die Brückenakteur:innen gelungen ist, älteren Menschen in ihrem Alltag und während Umbruchssituationen Gelegenheiten zu bieten, von den Lots:innen und ihrer Arbeit zu erfahren. Dies könnte etwa im Zuge alltäglicher Aktivitäten, wie bei Gesprächen mit dem Pfarrer während des Gottesdienstes oder beim Smalltalk während des Apothekeneinkaufs geschehen. Ebenso könnten Begegnungen während Umbruchssituationen (bspw. Gespräche mit Fachkräften des Krankenhaussozialdienstes) als Gelegenheit genutzt worden sein, um über die Arbeit der Lots:innen informiert zu werden.

Die genaue Art und Weise, wie die teilnehmenden Personen durch die Brückenakteur:innen von den Lots:innen und ihrer Arbeit erfahren haben, wird im Rahmen vertiefender Prozess- und Ergebnisanalysen durch Interviews mit den Teilnehmenden erörtert. In der Zwischenauswertung zeigten sich bereits Hinweise in den offenen Angaben der Lots:innen, wie einbindungsbezogene Interessen ermittelt und bearbeitet wurden, ohne dass die teilnehmenden Personen ihre möglicherweise mit Scham behafteten Einsamkeitserfahrungen offenlegen mussten.

5.4 Bearbeitung einbindungsbezogener Interessen mit den Lots:innen

Anhand der von den Lots:innen vorgenommenen Dokumentationen zur Frage, wie sie die von den teilnehmenden Personen genannten Anliegen durch Moderation, Vermittlung, Vernetzung und Unterstützung bearbeitet haben (vgl. Tab. 2), lässt sich rekonstruieren wie einbindungsbezogene Interessen bearbeitet wurden, ohne dass sich die Teilnehmenden als einsam „outen“ mussten.

Tabelle 2: Lotsenarbeit
ModerationVernetzungVermittlungUnterstützung
Beispiel 1:
Ich habe die teilnehmende Person ermutigt, Situationen reflektiert, Ressourcen herausgearbeitet und Situationen neu bewertet - stellte eine konstante Vertrauensperson dar (fachlicher Austausch, Einordnung in Gesamtzusammenhänge) - ein Gespräch mit Sohn und TN moderiert und Absprachen vereinbart - operativ unterstützt + diese operative Hilfe sukzessive Ausschleichen lassen z.B. beim Erstellen von Anzeigen im Seniorenmagazin). Mit dem TN über Ängste, Sorgen und Abhängigkeiten gesprochen. TN ermutigt sich psychologische Hilfe zu suchen, auch nachdem ein Versuch einen Misserfolg darstellte.
  Beispiel 2:
Gespräche, um Anliegen herauszufinden - Vermittlung einer ehrenamtlichen Unterstützung: Lotsin hat Kontakt zur Kirche/Kirchenbüro (direkter Nachbar) aufgenommen, um nach Möglichkeiten der ehrenamtlichen Begleitung zu erfragen. Wahrnehmung/Akzeptanz der geäußerten Grenzen aufgrund ihrer somatischen und altersbedingten Erschöpfung.
  Beispiel 3:
Durch die Unterstützung der Lotsin konnte die Klientin ihre Themen sortieren, klären und priorisieren.  Dabei wirkte die Lotsin motivierend, ermutigend, als Vertrauensperson, als Rückkopplungsperson. Die Lotsin agierte im Tempo der Klientin, förderte Veränderungen, war in ihrer Arbeit immer transparent.  Erste Unterstützende Institutionen konnten durch die Arbeit der Lotsin dazugewonnen werden.
  Beispiel 4:
Lotsin hat Kontakt zur gemeindenahen Diakonin bezüglich möglicher Ehrenamtler:innen aufgenommen. Lotsin hat Kontakt zum Besuchsdienst Seniorpartner aufgenommen. Lotsin hat Leihgabe Tablet des Projektes QplusAlter zum Erproben des Tablets für Klienten in die Wege geleitet - Lotsin hat Kontakt zum langjährigen Freund aufgenommen, indem sie auch freitags, an seinem Besuchstag, Besuche ermöglicht hat. Lotsin hat Kontakt zu silber & smart hergestellt, Ehrenamtliche erklären im häuslichen Umfeld kostenlos die Handhabung eines Tablets, ohne Begrenzung der Besuche.
 

Das erste Beispiel verdeutlicht: Ein vertrauensbasiertes Arbeitsbündnis bildet die Grundlage dafür, dass sich die Teilnehmenden Schritt für Schritt mit ihrer Lebenssituation auseinandersetzen und herausfinden können, wie sie zukünftig leben wollen. Die Herausforderung besteht darin, die anfänglich intensive operative Unterstützung nach und nach zu reduzieren, damit die Teilnehmenden auf Strukturen zurückgreifen können, die sie in ihrem Anliegen unterstützen, ohne von den Lotsinnen abhängig zu werden. Zudem zeigt das Beispiel, dass durch Reflexion von Sorgen und Abhängigkeiten eine Weitervermittlung zu psychologischer Hilfe erfolgt. Möglicherweise sind dem/der Lots:in durch Gespräche mit der teilnehmenden Person kognitive Verzerrungen [10] aufgefallen, die eine psychotherapeutische Behandlung erfordern.

Das zweite Beispiel zeigt eine ähnliche Situation und weist zugleich auf ein Spannungsfeld der QplusAlter Lotsenfunktion hin: Sich angesichts somatisch und alterungsbedingter Einschränkungen auf Ressourcen und Gelegenheiten zu konzentrieren.

Im dritten Beispiel wird deutlich, dass es Zeit braucht, bis Menschen ihre Anliegen geklärt, sortiert und priorisiert haben. Die Gespräche mit den Lots:innen unterstützen die teilnehmenden Personen dabei, herauszufinden, welche Anliegen sie realisieren wollen. Oft entdecken die Menschen durch diese Gespräche weitere Anliegen, die sie bearbeiten möchten. Dies zeigt sich auch im Vergleich der Anliegen, die im Eingangsmonitoring und im Entwicklungmonitoring erfasst wurden.

Das vierte Beispiel: Unterstützungssettings helfen einsamen Menschen am besten, wenn ihr Einsamkeitserleben indirekt adressiert wird, ohne dass sie explizit angeben müssen, einsam zu sein. Zum Beispiel können die Teilnehmenden dabei unterstützt werden, Technologien, wie Smartphones oder Tablets zu nutzen, um Kontakte zu alten Freund:innen wiederherzustellen oder zu pflegen, was ihr Einsamkeitserleben indirekt anspricht.

So lässt sich an dieser Stelle zusammenfassen: Die Lots:innen entwickeln durch die wertschätzende und empathische Aufnahme der Anliegen ein vertrauensbasiertes Arbeitsbündnis. In Folgegesprächen reflektieren sie mit den Teilnehmenden deren Lebenssituation und bewerten vorhandene Ressourcen neu. Anschließend unterstützen sie die Teilnehmenden dabei, zu ihrer Lebenssituation und ihren Interessen passende Unterstützungsbausteine zu erlangen, und reduzieren nach und nach ihren operativen Support, während sie darauf hinweisen, bei Bedarf erneut begleiten zu können (vgl. Abb. 4).           

Vom Anliegen über den Willen zum Unterstützungssetting

Abbildung 4: Vom Anliegen über den Willen zum Unterstützungssetting (eigene Darstellung)

5.5 Folgen der QplusAlter Lotsenfunktion für die Bewertung des Teilhabebereichs Zugehörigkeit

Für das Teilhabemonitoring wurden die Teilhabebereiche nach Nussbaum operationalisiert (vgl. Abschnitt 4.2). Der Bereich Zugehörigkeit wurde anhand von Angaben zu sozialen Kontakten analysiert, indem die teilnehmenden Personen gebeten wurden, die folgende Aussage mit Schulnoten zu bewerten:

Ich habe Menschen, mit denen ich Zeit verbringen kann. Die Bewertungsskala war wie folgt:

  1. Sehr gut,
  2. Gut,
  3. Befriedigend,
  4. Ausreichend,
  5. Mangelhaft und
  6. Ungenügend.

Falls eine teilnehmende Person nicht in der Lage war, eine Bewertung vorzunehmen, wurden Angehörige oder Zugehörige gebeten, die Teilhabebereiche stellvertretend zu bewerten. Die Lots:innen bewerteten ebenfalls die Teilhabesituation der Teilnehmenden zu Beginn und im Verlauf der Begleitung aus ihrer Perspektive: Die teilnehmende Person kennt Menschen, mit denen sie Zeit verbringen kann. Für die statistische Auswertung wurde die Skala umgekehrt:

  1. Ungenügend,
  2. Mangelhaft,
  3. Ausreichend,
  4. Befriedigend,
  5. Gut und
  6. Sehr gut.

Während des Begleitungsverlaufs zeigte sich bei einigen Teilnehmenden der Wille, einbindungsbezogene Anliegen zu bearbeiten (vgl. Abschnitt 5.4). Die Teilhabeanalyse ergab, dass die Teilnehmenden zu Beginn der Begleitung ihre sozialen Kontakte im Durchschnitt lediglich mit 3,1 bewerteten. Im Verlauf der Begleitung verbesserte sich diese Bewertung auf durchschnittlich 4,0. Auch die Bewertung der Lots:innen zeigte eine Verbesserung im Verlauf der Begleitung: Zu Beginn wurde der Teilhabebereich im Durchschnitt mit 3,8 bewertet, während sich im Verlauf der Begleitung eine durchschnittliche Bewertung von 4,1 ergab. Auch bei den Dokumentationen der Lots:innen zu Veränderungen bei den Teilnehmenden, die sich im Rahmen ihrer Begleitung eingestellt haben, finden sich Hinweise auf die Effekte veränderter Kontaktnetze, wie etwa dieser: „Klientin hält sich durch ihre dazu gewonnenen Kontakte geistig wach und vor allem kann sie ihre humorvolle und positive Charakterstärke ausleben.“

6. Fazit und Ausblick

Einleitend wurde die Frage aufgeworfen, welche Möglichkeiten und Grenzen die QplusAlter Lotsenfunktion für die Einsamkeitsprävention und -linderung bei älteren Menschen bietet. Um diese Frage zu bearbeiten, wurden Erkenntnisse aus einsamkeitsbezogenen Fachdiskursen mit der QplusAlter Lotsenfunktion und Evaluationsergebnissen zu dieser Funktion verknüpft.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die sozialraumorientierte sowie einsamkeitsunspezifische Herangehensweise der QplusAlter Lotsenfunktion Potenzial zur Einsamkeitsprävention und -linderung bietet. Dieses Potenzial ergibt sich aus der Verknüpfung folgender Faktoren, die die QplusAlters Lotsenfunktion auszeichnet:

Durch das Ineinandergreifen dieser Faktoren können zurückgezogen lebende Menschen erreicht werden, die möglicherweise sonst keine Unterstützung suchen bzw. finden würden. Besteht der Kontakt, knüpfen die Lots:innen den Willen erkundend an dem an, was den Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation wichtig ist und unterstützen sie dabei, ihre Anliegen zu klären. Dadurch werden den Menschen auch Anliegen bewusst, die über das Anliegen hinausgehen, mit dem sie sich an die Lots:innen gewendet haben. Dazu gehören u.a. einbindungsbezogene Anliegen, die der Einsamkeitshilfe unverdächtig bearbeitet werden können, sodass sich einsame Personen keinen Stigmatisierungsrisiken ausgesetzt sehen.

Eine Herausforderung besteht darin, die anfänglich intensive operative Unterstützung der Lots:innen Schritt für Schritt nach und nach zu reduzieren, damit die teilnehmenden Personen auf die von ihnen identifizierten Strukturen und Ressourcen zurückgreifen können, statt sich auf die Lots:innen zu fokussieren.

Bei den hier geschilderten Ergebnissen gilt es einschränkend zu beachten, dass sie auf einer kleinen Stichprobe beruhen und Einsamkeitsforschung kein Aspekt des Evaluationsdesigns ist. Darüber hinaus stützen sich die bisherigen Ergebnisse – bis auf die Teilhabebewertung der teilnehmenden Personen – ausschließlich auf Angaben der Lots:innen. Bis Ende 2024 wird die vertiefende Prozess- und Ergebnisanalyse abgeschlossen sein (vgl. Abschnitt 2.2), zu der qualitativen problemzentrierten Interviews mit den teilnehmenden Personen gehören.

Literatur

Beutel, M. E./Klein, E. M./Brähler, E./Reiner, I./Jünger, C./Michal, M./Wiltink, J./Wild, P. S./Münzel, T./Lackner, K. J./Tibubos, A. N. (2017): Loneliness in the general population: prevalence, determinants and relations to mental health. In: BMC Psychiatry 17 (97). www.doi.org/10.1186/s12888-017-1262-x.

Bohn, C. (2018): Einsamkeit und Scham – ein leidvolles Geschwisterpaar. In: Hax-Schoppenhorst, T. (Hrsg.) (2018): Das Einsamkeits-Buch. Wie Gesundheitsberufe einsame Menschen verstehen, unterstützen und integrieren können. Bern: Hogrefe. S. 132–139.

Bohn, C. (2006): Einsamkeit im Spiegel der sozialwissenschaftlichen Forschung. Dissertation zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philosophie. Universität Dortmund.

Boxberg, V. (2022): Einsamkeit und Straffälligkeit. In: Noack Napoles J./Noack, M. (Hrsg.) (2022). S.: 148–163.

Bürklin, K./Wunderer, E. (2020): Einsamkeit begegnen. Hintergründe und Interventionsmöglichkeiten für die Klinische Sozialarbeit am Beispiel psychisch kranker Menschen. In: Soziale Arbeit 12, S. 449–455.

Bücker, S./Seyfried, M. (2022) Psychologische Perspektiven. Psychologie der Einsamkeit. In: Noack Napoles J./Noack, M. (Hrsg.) (2022). S.: 16–29.

Bücker, S./Lembcke, H./Hinz, M. (2019): Prädiktoren von Einsamkeit und sozialer Isolation im hohen Alter. In: Luhmann, M./Bücker, S. (Hrsg.): Einsamkeit und soziale Isolation im hohen Alter. Projektbericht. Ruhr-Universität Bochum, S. 17–32. www.pml.psy.rub.de/ mam/content/abschlussbericht_einsamkeit_im_hohen_alter_onlineversion.pdf (letzter Zugriff: 21.12.2020).

Bücker, S./Widlok, M./Ebert, T./Schröder, C. (2019): Prävalenz von Einsamkeit und sozialer Isolation im hohen Alter. In: Luhmann, M./Bücker, S. (Hrsg.): Einsamkeit und soziale Isolation im hohen Alter. Projektbericht. Ruhr-Universität Bochum, S. 7–16.

Cacioppo, J. T./Patrick, W. (2011 [2008]): Einsamkeit. Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt. Heidelberg: Springer Spektrum.

Cohen-Mansfield, J./Hazan, H./Lerman, Y./Shalom, V. (2016): Correlates and predictors of loneliness in older-adults: A review of quantitative results informed by qualitative insights. In: International Psychogeriatrics 28 (4), S. 557–576. www.doi.org/10.1017/ S1041610215001532.

de Jong Gierveld, J./van Tilburg, T. G./Dykstra, P. A. (2018). New ways of theorizing and conducting research in the field of loneliness and social isolation. In: Vangelisti, A. L. /Perlman. D. (Hrsg.): The Cambridge handbook of personal relationships, 2nd ed. New York, NY, Cambridge University Press. S. 391–404.

Fringer, A.; Arrer, E. (2018): Die Einsamkeit pflegender Angehöriger. In: Hax-Schoppenhorst, T. (Hrsg.) (2018): Das Einsamkeits-Buch. Wie Gesundheitsberufe einsame Menschen verstehen, unterstützen und integrieren können. Bern: Hogrefe S.: 228–237.

Hartrumpf, G./Noack Napoles, J. (2022): Miteinander-Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter. In: Noack Napoles J./Noack, M. (Hrsg.) (2022). S. 250–255.

Hinte, W./Noack, M. (2022): Sozialraumorientierte Perspektive. Was wollen einsame Menschen? In: Noack Napoles J./Noack, M. (Hrsg.) (2022). S.: 70–90.

Kompetenznetz Einsamkeit (KNE (o.J.): Was ist Einsamkeit? Verfügbar unter:  https://kompetenznetz-einsamkeit.de/einsamkeit (letzter Zugriff: 30.04.2024).

Künzel-Schön, M. (2000): Bewältigungsstrategien älterer Menschen. Grundlagen und Handlungsorientierungen für die ambulante Arbeit. Weinheim: Juventa.

Luhmann, M./Brickau, D./Schäfer, B./Mohr, P./Schmitz, M./Neumann, A./Steinmay, R. (2023): Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie. Verfügbar unter:www.land.nrw/einsamkeit (letzter Zugriff: 30.04.2024).

Noack Napoles J./Noack, M. (Hrsg.) (2022): Handbuch Soziale Arbeit und Einsamkeit. Weinheim: Juventa.

Noack, M. (2022a). Sozialraumorientierung. In: socialnet Lexikon. Bonn. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/Sozialraumorientierung (letzter Zugriff: 01.09.2022).

Noack, M. (2022b): Soziale Arbeit und Einsamkeitsregulation. Subjektives Einsamkeitserleben erkennen und verstehen. Weinheim: Beltz Juventa.

Noack, M. (2024a): Am eigenen Zopf aus dem Einsamkeitssumpf ziehen? Einsamkeitsprävention und -linderung an der Schnittstelle Sozialer Arbeit und Psychotherapie. In: Möde, E./Kießig, S. (Hrsg.) (2024): Einsamkeit im Alter. Im Druck.

Noack, M. (2024b): Gewolltes Leben trotz(t) Einsamkeit? Möglichkeiten und Grenzen der Einsamkeitsprävention und -linderung im Kontext sozialraumorientierter Sozialer Arbeit. In: Schobin, J./Stiehler, S. (Hrsg.) (2024): Einsamkeit heute. Campus Verlag. Im Druck.

Nussbaum, Martha (1999): Die Grenzen der Gerechtigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit. Berlin.

Perlman, D./Peplau, L. A. (1981): Toward a Social Psychology of Loneliness. In: Gilmour, R./Duck, S. (Hrsg.): Personal Relationships: 3. Relationships in Disorder. Academic Press, S. 31–56.

Reinhard, G./Haubenreisser, K./Gaum, J. (2023): Passgenaue Unterstützungssettings in der Altenhilfe. In: Forum Sozialarbeit + Gesundheit. S.: 10–13.

Schalek, K./Stefan, H. (2018): Einsamkeit  – Ein (un)bekanntes Phänomen in der Pflege. In: Hax-Schoppenhorst, T. (Hrsg.): Das Einsamkeits-Buch. Wie Gesundheitsberufe einsame Menschen verstehen, unterstützen und integrieren können. Bern: Hogrefe, S. 378–388.

Schellberg, Klaus (2008): Betriebswirtschaftslehre für Sozialunternehmen. 3. Auflage. Augsburg: ZIEL Verlag.

Sen, Amartya (1993): Ökonomie für den Menschen. Wege zur Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. München: dtv.

Schreiber, D. (2021): Allein. München: Hanser Berlin. Zitiert in: Arlt, L./Becker, N./Mann, S./Wirtz, T. (2023): Einsam in Gesellschaft. Einleitung. In: Arlt, L./Becker, N./Mann, S./Wirtz, T. (Hrsg.) (2023): Einsam in Gesellschaft Zwischen Tabu und sozialer Herausforderung. Bielefeld: Transcript . S. 11-32.

Schubert, H./Veil, K. (2013): Beziehungsbrücken zwischen Lebenswelten und Systemwelt im urbanen Sozialraum. In: sozialraum.de (5) Ausgabe 1/2013. URL: https://www.sozialraum.de/beziehungsbruecken-zwischen-lebenswelten-und-systemwelt-im-urbanen-sozialraum.php, (Datum des Zugriffs: 05.11.2023).

Spithoven, A. W. M./Bijttebier, P./Goossens, L. (2017): It is all in their mind: A review on information processing bias in lonely individuals. In: Clinical Psychology Review, Vol. 58, December 2017, S. 97-114.

Thoma, J. (2018): Einsamkeit und ihre Bewältigung aus dem Blickwinkel der Sozialen Arbeit. In: Hax-Schoppenhorst, T. (Hrsg.). S. 417-430.

Wenzlaff, A. (2022): Scham – eine soziale Emotion: Warum die Sozialität der Scham für eine queer_feministische Soziale Arbeit relevant ist. In: Kasten, A./von Bose, K./Kalender, U. (Hrsg.) (2022): Feminismen in der Sozialen Arbeit – Debatten, Dis/Kontinuitäten, Interventionen. Weinheim: Beltz Juventa. S. 282-299.

Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung. In: Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/viewArticle/1132/2519 (letzter Abruf: 14.07.2023).


Fußnoten

[1] Unterstützungsangebote, die an „einsame Menschen“ adressiert sind, werden als „einsamkeitsspezifische“ bezeichnet. Das Modellprojekt „Miteinander – Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ (Hartrumpf/Noack Napoles 2022) des Malteser Hilfsdienstes ist in diesem Sinne ein einsamkeitsspezifisches Angebot. Mit dem Projekt wird auf eine „Reduzierung oder Prävention des Einsamkeitserlebens“ (S. 251) abgezielt. Das Modellprojekt wird vom BMFSFJ von 2020 bis 2024 gefördert. Als einsamkeitsunspezifisch werden Angebote bezeichnet, mit denen einsame Menschen nicht im Speziellen adressiert werden, die aber für diese hilfreich sein können. Dazu gehören u.a. freizeitbezogene Gruppenangebote in der ambulanten Sozialpsychiatrie (vgl. Bürklin/Wunderer 2020, S. 452ff.).

[2] In der Einsamkeitsforschung werden auslösende Ereignisse untersucht, die dazu führen, dass ein Mensch seine Soll-Ansprüche an soziale Kontakte mit den tatsächlich vorhandenen Kontakten abgleicht oder Unterschiede zwischen dem Soll- und Ist-Zustand schmerzlich bewusst werden. Zu diesen auslösenden Ereignissen gehören unter anderem der Umzug in eine neue Wohnumgebung, die Auflösung intim-erotischer Partnerschaften, die Geburt des ersten Kindes und der Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. Bücker/Seyfried, 2022, S. 24).

[3] Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es vor allem die Beziehungsqualität ist, die Einsamkeitsgefühle hervorrufen kann (vgl. Noack 2022b, S. 92ff.).

[4] Weder im Deutschen noch im Englischen gibt es einen Begriff, um das Gegenteil von Einsamkeit zu bezeichnen. Caccioppo und Patrick (vgl. 2011 [2008], S. 8) weisen darauf hin, dass es naheliegend ist, „nicht einsam" als Normalzustand zu verstehen. Zum normalen Wohlbefinden eines Menschen gehört unter anderem eine „soziale Einbindung", die in Anlehnung an Caccioppo und Patrick (ebd.) in diesem Beitrag als Begriff genutzt wird, um das Gegenteil von Einsamkeit zu bezeichnen.

[5] Luhmann et al. (2023: 13) weisen darauf hin, dass „unzureichende finanzielle Ressourcen und Armut mit einem deutlich erhöhten Risiko für Einsamkeit“ einhergehen.

[6] Wenn sich etwa im Rahmen der Suchtberatung herausstellt, dass sich ein Jugendlicher aufgrund seines täglichen Cannabis-Konsums selbst isoliert und darunter leidet, ist sein Einsamkeitserleben relevant für die Beratungsarbeit. „Einsamkeitsbezogenes Fingerspitzengefühl“ ist u. a. erforderlich, um zu entscheiden, ob das Wort Einsamkeit genutzt wird, um das Einsamkeitserleben in Verbindung mit dem Substanzmittelmissbrauch zu thematisieren. Schließlich kann der „Turn-away-Effekt“ (Bohn 2018; 2006) dazu führen, dass sich ein Mensch gänzlich aus der Beratung zurückzieht, wenn sein selbsttabuisiertes Einsamkeitserleben angesprochen und mit seinem Konsumverhalten in Verbindung gebracht wird.

[7] Menschen, die sich von den Lots:innen begleiten lassen, werden nachfolgend als „teilnehmende Personen“ bezeichnet.

[8] Das Wort „perspektivisch“ ist nicht auf zukunftsbezogene Perspektiven bezogen, sondern auf Perspektiven die sich decken oder unterscheiden.

[9] Laut den Lots:innen reduzierte sich bei vielen Teilnehmenden aufgrund der datenschutzrechtlichen Formulare, mit denen sie sich gem. der EU-Datenschutzgrundverordnung auseinandersetzen mussten, ihre Bereitschaft an der Evaluation teilzunehmen.

[10] Gepaart mit Scham können kognitiven Verzerrungen einen „selbstzerstörerischen Attributionsstil“ (Spithoven/Bijttebier/Goossens 2017, 103) verfestigen: „In Übereinstimmung mit den Vorhersagen von J. T.Cacioppo und Hawkley (2009) legt die aktuelle Untersuchung nahe, dass einsame Personen in allen Phasen der Informationsverarbeitung eine negative kognitive Verzerrung aufweisen. Das heißt, Einsamkeit ist mit einer Hypervigilanz gegenüber sozialen Bedrohungen verbunden, und es gibt einige Hinweise auf eine erhöhte Genauigkeit und Sensibilität bei der Erkennung bedrohlicher Reize. Darüber hinaus haben einsame Personen einen negativen Attributionsstil in Form von feindseligen Absichtszuschreibungen und negativen Selbstzuschreibungen. Sie erwarten auch Rejektion und bewerten sich selbst und andere negativ. Einsame Menschen versuchen eher, ihre Einsamkeitsgefühle zu überwinden, indem sie sich vor Ablehnung schützen, anstatt soziale Beziehungen einzugehen.“ (ebd., S. 108)


Zitiervorschlag

Noack, Michael (2024): Möglichkeiten und Grenzen des QplusAlter Lotsenmodells im Einsamkeitskontext. In: sozialraum.de (15) Ausgabe 1/2024. URL: https://www.sozialraum.de/moeglichkeiten-und-grenzen-des-qplusalter-lotsenmodells-im-einsamkeitskontext.php, Datum des Zugriffs: 04.07.2024