Transformatives professionelles Handeln in relationalen Sozialen Räumen

Christoph Stoik, Andrea Fritsche

Der Beitrag legt ausgehend vom Forschungsprojekt „community work’s – Gemeinwesenarbeit als Sicherheitsfaktor im öffentlichen Raum: Wirkerkenntnisse und Erfolgsfaktoren“, das von 2020 bis 2022 die Wirkweisen verschiedener Ansätze der Gemeinwesenarbeit (GWA) in Österreich untersucht hat, dar, auf welche Sozialen Räume auf unterschiedlichen Maßstabsebenen die Gemeinwesenarbeit (GWA) Einfluss nimmt. Dabei kommen die Relationen der Sozialen Räume zueinander in den Blick und die damit verknüpften Herausforderungen für eine professionelle GWA. Abschließend wird ein Entwurf zum professionellen Handeln in relationalen Sozialen Räumen dargestellt, der sich aus dem Forschungsprojekt abgeleitet hat.

1. Einleitung

Im Forschungsprojekt „community work’s – Gemeinwesenarbeit als Sicherheitsfaktor im öffentlichen Raum: Wirkerkenntnisse und Erfolgsfaktoren“ [1] wurden Wirkweisen der Gemeinwesenarbeit (GWA) in Bezug auf die Gestaltung Sozialer Räume sichtbar. Dabei wurde deutlich, dass GWA auf Soziale Räume auf unterschiedlichsten Maßstabsebenen Einfluss nimmt und Wirkungen zeigen kann – von sozialen Gruppen bis auf eine gesellschaftspolitische Ebene.

Während in anderen Beiträgen der Ansatz der Wirkungsforschung in Bezug auf die GWA genauer behandelt wird (Bengesser et al. 2024 [2]) bzw. die Ergebnisse der Studie in ihrer Gesamtheit dargelegt werden (Fritsche et al. 2024), liegt der Fokus dieses Beitrags auf dem Intervenieren in der GWA in Bezug auf sozialräumliche Relationen. Grundlage der Überlegungen bilden dabei v.a. die qualitativen Daten der Studie.

Dabei wird eingangs nach der Darstellung des Forschungsdesigns das dem Forschungsprojekt zugrundeliegende Verständnis von Gemeinwesenarbeit und Sozialer Räume dargelegt. Danach werden anhand eines Fallbeispiels die Sozialen Räume beschrieben, auf die GWA Einfluss nimmt. Die Relationen dieser Räume zueinander kommen dabei in den Blick und es kann gezeigt werden, welche Herausforderungen sich dabei für das professionelle Handeln in der GWA ableiten.

2. Forschungsdesign und methodischer Zugang

Das Forschungsprojekt „community work’s – Gemeinwesenarbeit als Sicherheitsfaktor im öffentlichen Raum: Wirkerkenntnisse und Erfolgsfaktoren“ untersuchte von 2020 bis 2022 die Wirkweisen verschiedener Ansätze der Gemeinwesenarbeit (GWA) in Österreich. Im Rahmen der Studie wurden sechs heterogene Sozialräume beforscht, in denen unterschiedliche GWA-Interventionen gesetzt wurden.

Der Rahmen der KIRAS-Forschungsförderung hat die Ausrichtung des Forschungsprojekts vordefiniert: Es sollten Wirkungen der GWA spezifisch in Bezug auf die Sicherheit im öffentlichen Raum untersucht werden. Da GWA nicht in erster Linie darauf ausgerichtet ist, Sicherheit herzustellen, wurde ein weit definierter Sicherheitsbegriff, der sich auch auf soziale Sicherheit bezieht, der Forschung zu Grunde gelegt (Fritsche et al. 2024: 47f.). Dieser breite Sicherheitsfokus bestimmte dabei weniger den Fokus der Datenerhebung, sondern diente als einer von mehreren analytischen Rahmen, mittels derer auf die Daten geblickt wurde.

Das Forschungsdesign kombinierte quantitative und qualitative Forschungsmethoden (mixed methods), wobei auf qualitativer Ebene Fallstudien in sozio-ökonomisch und -kulturell diversen Sozialräumen durchgeführt wurden. Diese wurden entlang unterschiedlicher Konzepte der GWA ausgewählt – zwischen Intermediarität und emanzipatorischen Ansprüchen. Analysiert wurden Einrichtungen und Projekte in kommunaler, städtischer bzw. stadtnaher sowie in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft, mit unterschiedlichen Konzepten – im Spannungsfeld zwischen politischen, ökonomischen bzw. fachlichen Interessen sowie sozialen Fragen und spezifischen individuellen Bedürfnissen. Die untersuchten Einrichtungen bzw. Projekte bewegen sich in unterschiedlichen disziplinären bzw. professionellen Kontexten – von Sozialer Arbeit, über Erwachsenenbildung bis zu eher inter- bzw. transdisziplinären Zugängen. Unterschiedliche Positionen auf den Kontinuen Bottom-up- vs. Top-down-Ansätzen wurden berücksichtigt ebenso wurde eine Einrichtung, die aufsuchende Soziale Arbeit (Diebäcker/Wild 2020) mit Ansätzen von GWA verknüpft, berücksichtigt. Diese heterogene Auswahl ermöglichte es, Wirkbereiche, Wirkungen, Wirkmechanismen und Erfolgsfaktoren kontrastierend durch unterschiedliche Konzeptionen der Gemeinwesenarbeit empirisch zu erfassen.

Konkret wurde zwischen April und November 2021 in ausgewählten räumlichen Settings (Straßenzüge, Parks etc.) in denen die einzelnen GWA-Einrichtungen tätig waren, mittels eines ethnographisch geprägten methodischen Zugangs Daten erhoben. Unterschiedliche Formen (teilnehmender) Beobachtungen, Leitfadeninterviews mit unterschiedlichen Akteur:innengruppen (wie GWA-Fachkräfte, Netzwerkpartner:innen der Einrichtungen, Nutzer:innen des öffentlichen Raums), Netzwerk-Gespräche und -Mappings ermöglichten es, verschiedene Perspektiven zu erfassen, um infolge Bedingungen und Wirkungen der Interventionen umfassend zu beschreiben. Insgesamt konnten rund 70 Beobachtungsprotokolle und 40 Interviewtranskripte mittels inhaltsanalytisch strukturierender und reflexiv deutender Methoden ausgewertet werden (vgl. Haberhauer/Mayrhofer/Neuburg 2017: 176ff.). Zusätzlich wurden, in Anlehnung an Frageformulierungen des Sicherheitsmonitors bzw. der SUSI-Erhebung (Subjektive Sicherheit), im öffentlichen Raum für vier ausgewählte Settings standardisierte Face-to-Face-Befragungen durchgeführt. Ergänzend konnten für Teilräume Daten des Sicherheitsmonitors (SIMO)[3] analysiert werden, um Auswirkungen von GWA auf die objektive Sicherheit zu erfassen.[4] Im Vergleich der unterschiedlichen Daten- bzw. Analyseebenen konnten eine Vielzahl von Wirkweisen von GWA identifiziert und zueinander in Bezug gesetzt werden (vgl. Fritsche et al. 2024: 49). Im Folgenden wird ein ausgewähltes Beispiel fokussiert, anhand dessen wesentliche – über den konkreten Fall hinausgehend relevante – Erkenntnisse illustriert und darauf basierend analytische Überlegungen angestellt werden.

3. Zum Verständnis von GWA und Sozialen Räumen

Als Gemeinwesenarbeit (Englisch: community work) wurde im Forschungsprojekt eine international anerkannte soziale Interventionsmaßnahme zur nachhaltigen Bearbeitung von Problemen und Konflikten in sozialräumlichen Kontexten (vgl. Oelschlägel 2001) verstanden. Bei der Bedeutung von „community“ in der Bearbeitung gesellschaftlicher Problem- und Fragestellungen sind wir u.a. den Traditionen von Jane Adams (vgl. Staub-Bernasconi 2013) und Saul Alinsky (vgl. Alinsky 1999) sowie einem deutschsprachigen Verständnis (vgl. u.a. Hinte/Lüttringhaus/Oelschlägel 2011; Stövesand/Stoik/Troxler 2013: 21; May 2017) gefolgt. Im deutschsprachigen Raum wurde „community work“ in den 1970er Jahren als „Gemeinwesenarbeit“ eingeführt, verstanden als Konzept, das auf die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen eines Gemeinwesens unter maßgeblicher Partizipation der Betroffenen abzielt. Das Gemeinwesen bzw. die Community wird als ein wichtiger Ausgangspunkt dieser Verbesserungen angesehen. GWA „fördert Handlungsfähigkeit und Selbstorganisation im Sinne von kollektivem Empowerment sowie den Aufbau von Netzwerken und Kooperationsstrukturen“ (Stövesand/Stoik/Troxler 2013: 21).

Das GWA-Konzept hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und diversifiziert. Aktuell finden sich in der Praxis neben klassischen Ansätzen der Gemeinwesenarbeit auch international beeinflusste Ansätze des „community-buildings“ bzw. der „community-education“ oder auch „community based participatory research“ (vgl. u.a. Campfens 1999; Minkler/Wallerstein 2008; Israel et al. 2013; Branom 2012; Csiernik/Birnbaum/Pierce 2010) sowie sozialräumliche Ansätze, die sich sowohl auf Siedlungsgebiete als auch öffentliche Räume beziehen (vgl. u.a. Bingel 2011; Kessel/Reutlinger 2007).

Soziale Arbeit agiert in Sozialen Räumen, die dem Spatial turn folgend, weniger als physische Räume verstanden werden können, als vielmehr sich in komplexen Konstruktions- und Produktionszusammenhängen befindliche Räume zwischen gesellschaftlichen Strukturen, sozialen Konstellationen und physischen Räumen. Je nach Theorien mit denen Soziale Räume betrachtet werden, stellen sich die Verhältnisse zwischen diesen Raumdimensionen und die Konstruktions- bzw. Produktionsprozesse unterschiedlich dar (vgl. Kessl/Reutlinger 2019; Reutlinger/Wigger 2010, May 2016). Physische Räume werden dabei häufig als Abbild gesellschaftlicher Strukturen bzw. Konflikte gesehen (z.B. Bourdieu 1993; Lefebvre 2016; Harvey 2013). In anderen Theorien kommen die Akteur:innen im Raum in den Blick, einmal mehr als Konstrukteur:innen der Räume (vgl. u.a. Löw 2001) bzw. als Subjekte der Aneignung (Hüllemann/Reutlinger/Deinet 2019; Deinet 2014) bzw. als Raumnutzer:innen und Gestalter:innen von Raum (Lefebvre 2016), ein anderes Mal mehr als gesellschaftlich determinierte Milieus bzw. Gruppen (vgl. Bourdieu 1985). Dieses breite Verständnis von Sozialem Raum ist dabei anschlussfähig an traditionelle Theorien der Sozialen Arbeit: Schon die klassische Methodentriade (vgl. Galuske 2013), die in internationalen Kontexten immer noch verwendet wird, verweist auf Gesellschaft, (physische) Räume, Communities (Community Work) und soziale Gruppen (Groupwork) bzw. Subjekte (Casework) als Gegenstände für das professionelle Handeln. In der Gemeinwesenarbeit wurde bereits in den 1980er Jahre ein komplexes Verständnis von Gemeinwesen entwickelt und vertreten, wenn von territorialen, funktionalen und kategorialen Gemeinwesen gesprochen wurde (vgl. Boulet/Krauss/Oelschlägel 1980). Lediglich die Wirkmechanismen zwischen diesen Dimensionen bzw. Gegenständen wurden nur eingeschränkt betrachtet und behandelt. Mit Theorien des Sozialen Raums können die Relationen dieser Sozialen Räume besser verstanden werden.

Mit so einem Verständnis können Soziale Räume auf unterschiedlichen Maßstabsebenen in ihren Relationen zueinander in den Blick genommen werden (vgl. dazu auch Marchioni 2010). Es kann betrachtet werden, wie gesellschaftliche Diskurse auf Städte bzw. Regionen Einfluss nehmen ebenso, wie Communities Diskurse aufnehmen bzw. verändern oder wie sich soziale Gruppen in einem Stadtteil in Kommunikation bzw. Konflikt zu anderen Gruppen befinden. Wie der physische Raum auf die Aneignung von Menschen wirkt, kann ebenso betrachtet werden, wie welche Akteur:innen den physischen Rauem gestalten – von lokalen Gruppen über die Architektur bis zu politischen Entscheidungsstrukturen und ökonomischen Wirkmechanismen.

4. Professionelles Handeln in Sozialen Räumen auf unterschiedlichen Maßstabsebenen

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass Gemeinwesenarbeit u.a. in Transformationsprozessen (vgl. dazu auch Thiesen 2023) zum Einsatz kommt und Wirkpotenziale aufweist – insbesondere bei Urbanisierungsprozessen, aber auch in Bezug auf eine (Post-)Migrationsgesellschaft. Für die Begleitung dieser Transformationsprozesse wurden bzw. werden durch die GWA Soziale Räume gestaltet, wobei diese sowohl exkludierend als auch inklusiv wirken können. Für die Qualität der Gestaltung der Räume ist entscheidend, wie Soziale Räume, auf die sich die Interventionen der GWA beziehen, verstanden werden. Dieses Verständnis kann von Sozialen Räume als Gruppen bzw. „Gemeinschaften“ bis zu Sozialen Räume als normative Ordnungssysteme reichen, wobei sich letzteres z.B. in einem „Stadtteil-Klima“ oder einer „Gemeinwesen-Kultur“ zeigt. Das Intervenieren auf unterschiedlichen sozialräumlichen Maßstabsebenen und deren Relationalität wird in der Folge gezeigt. Illustrierend wird dabei vorrangig auf Daten einer Fallstudie im Rahmen eines räumlichen Verdichtungs- und Urbanisierungsprozess Bezug genommen (Steigmann/Fritsche/Stoik 2023), auf weitere Beispiele aus anderen Fallstudien wird punktuell verwiesen.

5. Das Projekt Grünraum: Verdichtungs- und Urbanisierungsprozesse im großstädtischen Raum

[5]

Die Fallstudie zum Projekt Grünraum untersuchte die Wirkweisen einer bürgernahen und administrativ an die Stadtverwaltung angebundene Servicestelle, die mittels Stadtteilarbeit auf die Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner:innen abzielt und dabei v.a. auch benachteiligte bzw. ressourcenärmere Gruppen in den Blick nimmt. Im Fokus der GWA steht der am dichtesten besiedelte, zentrumsnah gelegene und hinsichtlich Zuwanderung und Sicherheit in der öffentlichen Wahrnehmung widersprüchlich verhandelte Stadtteil Triangulo. Dieser wird auf der einen Seite durch eine stark befahrene Hauptverkehrsachse, die infrastrukturell v.a. durch Wettbüros, Handyläden, Schnellimbisse, Friseursalons und ähnliche Kleinunternehmen geprägt ist, in einen nördlichen und südlichen Bereich geteilt. Im südlichen Teil finden sich Wohnsiedlungen bzw. ein neues Quartier mit Bildungs- und Kultureinrichtungen, das den Bereich ökonomisch aufwertete. Je weiter man in den Norden kommt, desto mehr dominieren gepflegte Ein- und Mehrfamilienhäuser das Straßenbild.

Im nördlichen, durch Wohnsiedlungen geprägten Teil befindet sich zentral ein ehemaliges Fußballstadion, das zu einem neuen Stadtteilzentrum umgestaltet wurde und dessen grünes Herz die öffentlich zugängliche ehemalige Stadionwiese darstellt. Umgeben von der Stadtbibliothek, einigen Geschäften sowie Räumlichkeiten sozialer bzw. gemeinnütziger Dienstleister bzw. Projekte (Senior:innenzentrum, Integrationsprojekt etc.) und direkt angrenzende gemeinnützige Mietwohnungen, dient die große Freifläche als Treffpunkt bzw. Erholungsmöglichkeit im dicht bebauten Gebiet.

Infolge von Nachverdichtungs- und Urbanisierungsprozessen kam es im Bereich des ehemaligen Fußballstadions immer wieder zu Konflikten unterschiedlicher Interessensgruppen, die kleinräumig ausgetragen wurden. Die bewusst nutzungsoffen gehaltene Fläche wurde seit ihrer Freigabe als öffentlicher Raum von Anrainer:innen, Jugendlichen und Kindern für Freizeitaktivitäten genutzt, wobei in der öffentlichen Wahrnehmung des Raums immer wieder konfliktbehaftete, physische und soziale Formen von Disorder (Lüdemann 2006; Feltes 2003) thematisiert wurden. Vandalismus, Suchtmittelkonsum, Lärm durch Ballspiele oder Verunreinigungen durch Hunde sind Stichworte, die in dem Zusammenhang aus unterschiedlicher Akteur:innenperspektive eine Rolle spielten. Unterschiedliche Nutzungsformen führten u.a. zu Lärmbeschwerden durch Anrainer:innen bzw. zu Unstimmigkeiten, wer die Wiese wie nutzen darf. Diese Nutzungskonflikte wurden von den lokalen Akteur:innen anhand von Gruppen festgemacht. Auf der einen Seite wurden Jugendliche identifiziert, die die Wiese als Treffpunkt nutzen, auf der anderen Seite Anwohner:innen, die sich durch die jugendliche Raumaneignung gestört fühlten.

Diese Ausgangssituation führte dazu, dass auf Initiativvorschlag eines Bewohners durch die kommunale Politik ein – auch medial und damit auch politisch gut nutzbarer – Nachbarschaftsgarten mit 24 von einem hüfthohen Metallzaun umgegebenen Hochbeeten gegründet wurde. Der Garten wurde – anders als von der Zivilgesellschaft angestoßene Gemeinschaftsgärten – nicht gemeinsam geplant und in Kollektivarbeit umgesetzt, sondern vielmehr von der Gemeinde gestaltet und an die Nutzer:innen übergeben – sozusagen als „Geschenk“, wie die verantwortliche politische Vertretung formulierte. Gärtnerisch engagierten sich v.a. Anwohner:innen der Wiese bzw. Bewohner:innen der gemeinnützigen Mietwohnungen im Garten. Vereinzelt wurden Jugendliche über das institutionalisierte Jugendzentrum eingebunden, gleiches gilt für Vertreter:innen des angrenzenden Integrationsprojekts. Durch die Gartenerrichtung wurden Teilen der Wiese eine klare Nutzung zugewiesen und auch, wie sich infolge zeigt, komplexe Aneignungsprozesse angestoßen. In die Ausgestaltung und Umsetzung des Gartens war das GWA-Projekt faktisch nicht involviert, sondern diesem wurde vielmehr die Begleitung nach Errichtung überantwortet. Zu mehreren Zeitpunkten initiierte das GWA-Projekt Versammlungen der Gärtner:innen, moderierte Entscheidungsprozesse, wie z.B. die Erstellung von Gartenregeln und stand als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüberhinausgehend verfolgt das GWA-Projekt Ziele auf allgemeiner Ebene, die sich an alle Bewohner:innen und Nutzer:innen des Raums richteten: Ausbau von Ressourcen zur Gestaltung der Lebens- und Alltagsbedingungen, Stärkung von Konfliktlösungskompetenzen, erhöhtes Engagement im Stadtteil, Stärkung von Verantwortungsübernahme und erhöhte Selbstorganisationskompetenz, aber auch Partizipation und eine attraktivere Umwelt werden als Leitprinzipien der Arbeit formuliert.

Die Analyse der Entwicklungen und Interventionen im und um den Gemeinschaftsgarten, aber auch der allgemeinen Ziele verweisen dabei auf grundlegende Fragestellungen und Möglichkeiten von GWA in konkreten Transformationsprozessen durch Verdichtung und Urbanisierung und damit einhergehenden Konflikten. Nachfolgend werden daher weniger konkrete Wirkungen durch den Garten nachgezeichnet, sondern vielmehr wird das Fallbeispiel genutzt, um das Intervenieren der Gemeinwesenarbeit in Bezug auf unterschiedliche Soziale Räume sichtbar zu machen und damit verbundene Möglichkeiten und Risiken aufzuzeigen. Über die Diskussion der unterschiedlichen Raumbezüge bzw. deren relationaler Verwobenheit wird gezeigt, wie unterschiedliche Raumebenen zueinander in Bezug stehen und wie diese Relationen für ein transformatives professionelles Handeln gedacht werden können. Analytisch wird dabei eine Unterscheidung nach physischen und sozialen Räumen vollzogen, letztere werden hinsichtlich sozialer Gruppen, aber auch der Gesellschaft als Ganzes gedacht. Schlussfolgerungen für ein professionelles Handeln in relationalen Räumen werden diskutiert.

5.1 Die physischen Räume auf unterschiedlichen Maßstabsebenen und ihre Akteur:innen

Auf einer ersten Ebene kann die ehemalige Stadionwiese als physischer Raum in den Blick genommen werden. Um die Prozesse zu verstehen, die sich auf dieser Wiese abbilden, muss bereits dieser Ort zu anderen in Bezug gesetzt werden. Wenn in einem ersten Schritt die Wiese in den Blick kommt, wird bei einer analytischen Auseinandersetzung deutlich, dass Prozesse rund um diese nur in Relation zum umgebenden urbanen Raum verstanden werden können. Im konkreten urbanen Raum – wie nennen ihn hier Stadtteil – finden sich unterschiedlich funktionale räumliche Strukturen (alte und neue Wohngebiet, Bildungseinrichtungen, Freizeiträume, neue Wohngebiete). Die Ansprüche diverser Akteur:innen an die Wiese stehen mit diesen umgebenden heterogenen physischen Räumen und den zugewiesenen Funktionen in Zusammenhang.

Die physischen Räume können auch nicht entkoppelt betrachtet werden von sozialen und politischen Faktoren. So ist der Stadtteil eingebettet in einen Verwaltungsbezirk und in eine Kommune, die für Verwaltung und Planung des Gebiets Verantwortung haben – deutlich wird dies in unserem Fallbeispiel mit der Gründung des Nachbarschaftsgarten auf der Wiese v.a. durch das Engagement einer Kommunalpolitikerin und die Umsetzung durch die Stadtverwaltung. Der Nachbarschaftsgarten mit den diversen Beeten stellt für die GWA die kleinste Maßstabsebene dar, wenn die physischen Räume in den Blick genommen werden. Gleichzeitig geraten dadurch aber auch andere Ebenen in den Fokus, die beim professionellen Handeln mitzudenken sind. Je nach theoretischer Betrachtungsweise ist der physische Raum nur ein Abbild von gesellschaftlichen Prozessen oder eng verwoben mit Planungs-, Nutzungs- und Aneignungsprozessen unterschiedlicher Interessensgruppen. Für die GWA ist die Wiese der Raum, in dem Bedürfnisse und Konflikte rund um Interessen sichtbar werden können. Und sie ist so etwas wie die Oberfläche, die Bühne, auf der sich soziale Prozesse abspielen.

5.2 Soziale Räume zwischen sozialen Gruppen und lokalen Räumen

Die Gemeinwesenarbeit ist in unserem Fallbeispiel mit unterschiedlichen sozialen Gruppen konfrontiert. Zum einen stellt die Gruppe der Menschen, die sich in den Nachbarschaftsgarten einbringen – die Gärtner:innen –, einen Sozialen Raum auf einer unteren Maßstabsebene dar; zum anderen steht diesem die Gruppe der ballspielenden Kinder als weiterer Sozialer Raum gegenüber. Auch in anderen Fallbeispielen der Studie wurden Soziale Räume auf ähnlichen Maßstabsebenen sichtbar: So z.B. die Gruppe von Jugendlichen, die von einem Ort im Stadtteil verdrängt wurden, die Gruppen von Menschen, die im öffentlichen Raum illegalisierte Substanzen konsumieren, etc. Diese Sozialen Räume, die sozialen Gruppen sind bzw. können Gegenstände der Intervention der GWA darstellen. Um beim Beispiel des Nachbarschaftsgartens zu bleiben: Das Handeln der GWA kann sich darauf beziehen, dass der Nachbarschaftsgarten so gestaltet wird, dass die Beteiligten dort möglichst gut ihren Interessen folgen können. Dabei geht es um die physische Gestaltung des Gartens, aber auch um die Kommunikation im Garten. Es geht darum, wie miteinander umgegangen werden soll, welche Regeln für das Engagement gelten sollen, wie Verantwortungen verteilt werden und wie es zu Entscheidungen kommen soll, die den Nachbarschaftsgarten betreffen. Gemeinwesenarbeit gestaltet diesen Sozialen Raum mit. Im Beispiel des Nachbarschaftsgartens ist die soziale Gruppe eng verknüpft mit dem physischen Raum des Gartens. In anderen Fallbeispielen sind die Gruppen zwar nicht entkoppelt von physischen Räumen, aber nicht so stark auf einen physischen Raum bezogen, wie eine Gruppe von Jugendlichen, die sich in unterschiedlichen physischen Teilräumen bzw. konkret Sport- und Spielplätzen in einem Stadtteil bewegen.

Wie stark und auf welche Art und Weise, sich GWA in der Gestaltung dieser Sozialen Räume einbringt, unterliegt fachlichen Überlegungen. Die GWA kann den Nachbarschaftsgarten beispielsweise als Sozialen Raum verstehen, in dem emanzipatorische Prozesse gefördert werden sollen. Es kann aber auch entschieden werden, dass die GWA sich bei der sozialräumlichen Gestaltung der Gartengemeinschaft zurückhält. Diese Entscheidungen können aus sozialräumlicher bzw. fachlicher Perspektive jedoch nicht unabhängig von Raumrelationen gedacht werden. In unserem Fallbeispiel stellt der Nachbarschaftsgarten aus Sicht der Politik ein Instrument dar, beruhigend und deeskalierend auf die Konflikte rund um die Wiese einzuwirken. Der Nachbarschaftsgarten steht hier aber in einer Relation zu Jugendlichen, die sich ebenfalls auf der Wiese aufhalten (wollen). Das Interesse der Aneignung und der Nutzung der Wiese durch die Jugendliche steht hier im Widerspruch zum Interesse von Anrainer:innen nach Ruhe und Ordnung auf der Wiese. Der Nachbarschaftsgarten hat das Potenzial, dass die Ansprüche von Anwohner:innen auf die Wiese gestärkt werden könnten. Der Garten könnte in Folge zu einem Instrument der Verdrängung der Jugendlichen werden und sich gegen die berechtigten Bedürfnisse der Jugendlichen wenden.

GWA agiert somit in jedem Fall in Bezug auf diese beiden Sozialen Räume – die Gruppe der Nachbarschaftsgärtner:innen und der Gruppe der Jugendlichen – und in Relation zwischen diesen Sozialen Räumen. Das führt zu folgenden fachlichen Fragen und Überlegungen: Soll die Gruppe der Jugendlichen unterstützt werden, damit sie einem verstärkten Verdrängungsanspruch entgegentreten können? Sollen die Nachbarschaftsgärtner:innen durch die GWA unterstützt werden? Sollen im Nachbarschaftsgarten eher die Personen unterstützt werden, die sich gegen die Verdrängung aussprechen? Sollen eher Prozesse der Verständigung zwischen den Gruppen unterstützt werden?

Das Beispiel macht deutlich, wie viele fachliche Entscheidungen getroffen werden müssen in Bezug auf die Intervention in den einzelne Sozialen Räumen (Nachbarschaftsgärtner:innen, Jugendgruppe) und zwischen diesen Gruppen.

Auf einer höheren Maßstabsebene kann darüber hinausgehend von einem Sozialraum „Stadtteil“ gesprochen werden. Die Auseinandersetzung rund um Ansprüche auf die Wiese ist ein Ausdruck für die Gestaltung des Sozialraums „Stadtteil“. Dabei werden Fragen behandelt, wie im Stadtteil zwischen den unterschiedlichen Akteur:innen umgegangen werden soll, wie sich der Stadtteil definiert zwischen einer homogenen, eher exklusiven Vorstellung oder eines heterogeneren inklusiven Ideals. Es wird definiert, wie unterschiedliche Bedürfnisse und Konflikte gehandhabt werden sollen. Und es wird verhandelt, wie mit Veränderungsprozessen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Stadt umgegangen wird. Die Auseinandersetzung rund um die Nutzung der Wiese stellt also ein Beispiel dafür dar, wie der Sozialraum „Stadtteil“ konstruiert wird. Gestaltet wird dabei so etwas wie eine „Stadtteilkultur“ oder ein „Stadtteilklima“. Aus der Perspektive der GWA kann der Konflikt, die Aneignung und eine mögliche Verdrängung rund um die Wiese nicht nur als ein Verhalten und Agieren zwischen einzelnen Gruppen verstanden werden, sondern als ein Teil der Gestaltung des Sozialen Raums „Stadtteil“.

An dieser Stelle wird deutlich, wie anspruchsvoll das Arbeiten in relationalen Sozialen Räumen aus einer fachlichen Perspektive ist – dazu aber später mehr.

5.3 Soziale Räume und Gesellschaft

Unser Beispiel des Nachbarschaftsgartens weiterverwendend steht auch der Sozialraum „Stadtteil“ in Relation zu übergeordneten Sozialen Räumen. Oder anders formuliert, durch die Gestaltung des Sozialraums „Stadtteil“ nimmt die Gemeinwesenarbeit Einfluss darauf, wie urbane Transformationsprozesse in der konkreten Stadt wahrgenommen werden. In der Begleitung der Veränderungen durch die GWA bzw. die Kommune wird sichtbar, wie eine Stadt insgesamt mit Transformationsprozessen umgeht, wie diese gelingen können, wie die Menschen in der Stadt in diese Prozesse einbezogen werden. Im Forschungsprojekt sind wir dabei über die Wiese des ehemaligen Fußballstadions hinaus auf unterschiedliche Beispiele gestoßen:

In einem Beispiel gestaltete die GWA einen Prozess, der Jugendliche, die infolge von Konflikten in einem Wohnerweiterungsgebiet bereits aus dem angrenzenden öffentlichen Raum verdrängt worden waren, wieder zu Akteur:innen im Stadtteil machte. GWA hat in diesem Beispiel nicht nur darauf eingewirkt, dass die Bedürfnisse der konkreten Jugendlichen im Stadtteil wieder zu einem Faktor von politischen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen wurden, indem die verdrängten Jugendlichen aufgesucht und sowohl zahlreiche Gespräche mit ihnen als auch mit den verantwortlichen Politiker:innen geführt wurden. Die betroffenen Jugendlichen bekamen nicht nur wieder einen Platz an dem sie sich aufhalten konnten, sondern es wurde dem frustrierten Rückzug einer ganzen Gruppe entgegengewirkt. Durch die Intervention nahm die GWA auch auf das Stadtteilklima Einfluss – also auf die Frage des Umgangs mit Interessen von Jugendlichen. Dieser Umgang mit Interessen von Jugendlichen wirkte aber auch auf die politischen Prozesse im Bezirk, also auf eine höhere Maßstabsebene – es wurde verhandelt, wie mit Jugendlichen in demokratischen Entscheidungsprozessen im Bezirk grundsätzlich umgegangen werden soll. Im Austausch mit politischen Akteur:innen wurden so demokratische Prozesse entwickelt, die durch die kommunale Politik zukünftig angewendet werden können. Dabei wurde ein Bewusstsein bei Entscheidungsträger:innen geschaffen, welche weitreichenden Folgen es haben kann, Jugendliche auszuschließen bzw. umgekehrt, deren Interessen in politische Prozessen zu inkludieren.

Die Gemeinwesenarbeit gestaltet also gesellschaftliche Räume mit, sie nimmt Einfluss auf demokratiepolitische Abläufe und Kulturen. Dieser kann sich auf eine Verwaltungseinheit, auf eine ganze Stadt, oder auf eine Region beziehen. Im Forschungsprojekt trafen wir auf unterschiedliche Transformationen in diesen gesellschaftlichen Räumen, von der Frage des Umgangs einer Region mit Migration bzw. Zuzug bis hin zu Fragen ökologischer Transformationen in der Klimakrise. In diesen Zusammenhängen wurden durch die GWA Soziale Räume gestaltet, die Begegnungs- und Lernräume darstellen. Diese ermöglichen, dass Menschen miteinander in Kontakt treten, Vorurteile abgebaut, aber auch innovative Handlungsweisen entwickelt und sogar alternative Lebensweisen miteinander erprobt werden. Das emanzipatorische Potenzial von GWA wurde in diesen Fallbeispielen deutlich (vgl. dazu Fritsche/Stoik/Mayrhofer 2023). Allerdings wäre es naiv, zu meinen, dass die Gestaltung von Sozialen Räumen auf einer niedrigeren Maßstabsebene, die Gesellschaft auf großer Maßstabsebene einfach verändert – das würde den Erkenntnissen der Relationen der Sozialen Räume auf den unterschiedlichen Ebenen widersprechen. Hegemoniale gesellschaftliche Diskurse wirken diesen Erkenntnissen folgend auch auf die GWA und die Gemeinwesen. Das Forschungsprojekt zeigt aber, dass GWA genau in Bezug zu diesen Relationen agiert.

6. Die Zumutung des professionellen Handelns in relationalen Räumen

Die Forschung zeigt deutlich, welche Herausforderung das professionelle Agieren in der Relation der unterschiedlichen Sozialen Räume darstellt. Um bei unserem Fallbeispiel des Nachbarschaftsgartens auf der ehemaligen Stadionwiese zu bleiben: Vor einer Entscheidung, wie in Bezug auf den Nachbarschaftsgarten seitens der Gemeinwesenarbeiter:innen agiert wird, braucht es eine Analyse, die die Akteur:innengruppen und Konflikte in Bezug zu den physischen Räumen und den gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Prozessen einordnet. Erst diese Analyse ermöglicht eine fachlich fundierte Entscheidung, wie seitens der GWA interveniert werden sollte und könnte. Diese Entscheidungsprozesse sind nicht unabhängig von auch ethisch begründeten Zielvorstellungen der Gemeinwesenarbeiter:innen. Einfluss nehmen außerdem u.a. die strukturelle Einbettung der GWA, die Zielvorstellungen von Auftraggeber:innen sowie die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Trotz dieser determinierenden Strukturen stehen der Gemeinwesenarbeit Handlungsmöglichkeiten und Macht zur Verfügung. Egal wie die Gemeinwesenarbeiter:innen entscheiden, sie nehmen Einfluss auf die Prozesse und die Gestaltung der Sozialen Räume. Soziale Räume inkludieren und exkludieren gleichermaßen. Der Nachbarschaftsgarten in unserem Beispiel bezieht Menschen ein, unterstützt sie, sich mit ihren Interessen einzubringen, schließt aber andere aus, die nicht teilnehmen können. Die Gestaltung des Sozialraums „Stadtteil“ führt ebenso zu Inklusions- bzw. Exklusionsprozessen (in unserem Beispiel in Bezug auf die mögliche Verdrängung der Jugendlichen). Die GWA wird in der Gestaltung der Sozialen Räume also selbst zur Akteur:in.

Je nach Intervention nimmt die Gemeinwesenarbeit nicht nur Einfluss auf einen Sozialen Raum, auf den sich die Intervention – zumindest vordergründig – bezieht, (z.B. der Umgang innerhalb des Gemeinschaftsgartens), sondern auch auf andere Soziale Räume – z.B. den Umgang mit den Jugendlichen, also einer Siedlungs- bzw. Stadtteilkultur. Dabei sind die Wirkungen dieser Interventionen nur eingeschränkt vorhersehbar, da nicht nur die GWA die Soziale Räume gestaltet, sondern alle beteiligten Akteur:innen mehr oder weniger Einfluss nehmen. Konsequenterweise ist daraus zu folgern, dass ein professionelles Gestalten von Sozialen Räumen durch die GWA einer kontinuierlichen Reflexion bedarf.

Bei den hier beschriebenen Entscheidungsprozessen zu Interventionen in Bezug auf die unterschiedlichen Sozialen Räume und die Relation dieser Sozialen Räume zueinander, stellt sich außerdem die Frage, wie die Wirkmechanismen zwischen diesen Räumen gut in den Blick genommen werden können. Die Forschung zeigt, dass dies eine fachliche Zumutung darstellt, Handlungsdruck entstand für die GWA in unseren Fallbeispielen aufgrund konkreter Konflikte auf kleinräumiger Ebene bzw. auf Ebene des Stadtteils bzw. der Siedlung. Die Gemeinwesenarbeiter:innen waren z.B. gefordert, mit den Emotionen der verdrängten Jugendlichen umzugehen, oder aber auch mit den gruppendynamischen Prozessen im Gemeinschaftsgarten. Dass bzw. wie die gewählten Interventionen auch auf einer übergeordneten Ebene Einfluss haben könnten, ist in den Dynamiken schwierig zu antizipieren. Einerseits fehlt oft die Zeit im Handlungsdruck eines Konflikts, diese Relationen gezielt in den Blick zu nehmen, andererseits sind die Relationen zwischen diesen sozialräumlichen Ebenen komplex und Interventionen in Bezug auf die Wirkungen auf unterschiedlichen Maßstabsebenen sehr schwer vorhersehbar[6].

Die Studie zeigt aber auch, dass es neben Instrumenten, Zeit für Analysen und Reflexion, Wissen in Bezug auf sozialräumliche Relationen sowie fachliche Orientierungen braucht. Ein Wissen darüber, wie Inklusions- und Exklusionsprozesse funktionieren, welchen Einfluss die GWA auf diese hat, eine kritische Betrachtung nichtintendierter Exklusionsprozesse, aber auch eine klare Zielvorstellung der Gemeinwesenarbeiter:innen wird benötigt, um in diesen Zumutungen handlungsfähig zu bleiben. Ein klares Konzept der GWA, das ungleiche Machtverhältnisse in den Blick bekommt und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse versteht, stellt bei der komplexen Herausforderung der Gestaltung sozialer Räume eine wichtige Bedingung dar.

7. Zusammenfassung

Das Forschungsprojekt weist nach, dass GWA auf unterschiedlichen sozialräumlichen Ebenen wirkt, und, dass durch GWA Soziale Räume gestaltet werden. Zusammenfassend sollen die Sozialen Räume auf unterschiedlichen Maßstabsebene überblicksartig genannt werden. Diese Zusammenfassung stellt einen Entwurf und einen Vorschlag dar, der theoretisch und empirisch überprüft werden müsste.

I. Soziale Gruppen als Soziale Räume

Soziale Gruppen sind Menschen, die in Bezug zueinander agieren. Sie sind so groß bzw. klein, dass die Menschen in diesen Gruppen sich persönlich kennen könnten – oder zumindest von der gemeinsamen Gruppenzugehörigkeit wissen. Diese Sozialen Räume sind soziale Gruppen im Sinne der Gruppendynamik, wobei die Gruppen keine vollständig in sich geschlossene Strukturen darstellen, wie das z.B. bei einer Jugendgruppe ist. Ein Sozialer Raum in diesem Sinn stellen also auch amorphere Gruppen dar, wie die Bewohner:innen eines Hauses. Das Agieren der Gruppenmitglieder in Bezug zueinander muss weder freiwillig noch sehr aufeinander bezogen sein, wie das z.B. in einer Nachbarschaft vorkommt (zum Verständnis von Gruppe in der Sozialen Arbeit vgl. z.B. Simon/Wendt 2019).

II. „Gemeinwesenkultur“ als Sozialer Raum

Die „Gemeinwesenkultur“[7], eine „Siedlungskultur“, beschreibt Normen, Regeln und Umgangsformen in einem sozialräumlichen Bezug. Der Stadtteil, die Region, oder das Dorf ist dabei ungenau definiert, weil die Grenzen und Bezeichnungen des Sozialen Raums von Akteur:innen von innen und außen zugeschrieben werden. Die sozialräumlichen Bezüge befinden sich aber übergeordnet zu einzelnen Gruppen. In diesen Sozialen Räumen müssen die Menschen untereinander nicht mehr persönlich bekannt sein. Den gemeinsamen Bezug stellt der von den Menschen definierte Raum mit ihren konkreten Kulturen dar. Diese Definitionen können auch durch Strukturen wie Verwaltungseinheiten definiert sein. Eine „Gemeinwesenkultur“ muss aber nicht ausschließlich mit physischen Räumen verknüpft sein, sondern kann sich auf funktionale oder kategoriale Räume beziehen. So kann eine Organisation eine „Gemeinwesenkultur“ haben, oder eine (soziologisch – kategorial definierte) Gruppe von Menschen, z.B. die Gruppe von Sexarbeiter:innen in einer Stadt oder die Gruppe einer Sozialen Bewegung.

III. Gesellschaftlicher Raum

Als „gesellschaftlicher Raum“ wird hier der Raum bezeichnet, in dem öffentliche Diskurse und Auseinandersetzungen stattfinden. Diese können sich mehr oder weniger auch auf territoriale Räume beziehen (z.B. politische Diskurse auf städtischer, regionaler, nationalstaatlicher Ebene, aber auch darüber hinaus, öffentlich geführte wissenschaftliche Diskurse).

Die Zusammenhänge der Sozialen Räume auf den unterschiedlichen Maßstabsebenen stellen für das professionelle Handeln allerdings eine Herausforderung dar. Eine intensivere Auseinandersetzung auf theoretischer Ebene mit sozialräumlichen Relationen würde sich aus den Erkenntnissen der Forschungsarbeiten ableiten. Hilfreich für die Weiterentwicklung des Verständnisses des Sozialräumlichen in der Sozialen Arbeit könnte die Verknüpfung von Modellen aus der reflexiven Sozialraumarbeit (z.B. St. Gallener Modell Reutlinger/Wigger 2010), aber auch weiterer Raumtheorien sein.

Literatur

Alinsky, Saul D.1999 [1946]: Anleitung zum Mächtigsein. Bornheim: Lamuv.

Bengesser, Andreas/Fritsche, Andrea/Mayrhofer, Hemma/Stoik, Christoph (2024): Wie wirkt Gemeinwesenarbeit? Potenziale, Grenzen und Praxisrelevanz von Wirkungsforschung im Kontext der Begleitung von Transformationsprozessen im öffentlichen Raum. Erscheint im September 2024 in: Soziales Kapital. Bd. 28: https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital

Bingel, Gabriele (2011): Sozialraumorientierung revisited. Geschichte, Funktion und Theorie sozialraumbezogener sozialer Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Boulet, Jaak/Krauss, Jürgen/Oelschlägel, Dieter (1980): Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip. Eine Grundlegung, Bielefeld: AJZ-Druck & Verlag.

Bourdieu, Pierre (1985): Sozialer Raum und Klassen, Frankfurt am Main: Suhrkamp

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Fußnoten

[1] Das Projekt „community work’s“ wurde im Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS des Bundesministeriums für Finanzen finanziert.

[2] Artikel erscheint im September 2024.

[3] Ein bundesweites Datensystem, das Exekutivbeamt:innen zur Aufklärung und Prävention von Straftaten dient.

[4] Für Erkenntnisse der quantitativen Zugänge vgl. Fritsche et al. 2024: 50ff.; Bengesser et al. 2024.

[5] Die Fallstudien wurden in Bezug auf die Orte und die Projekte bzw. Einrichtungen pseudonymisiert.

[6] Im Forschungsprojekt wurde dazu ein Evaluierungsinstrument entwickelt, das helfen soll, diese Prozesse zumindest im Rückblick zu reflektieren (vgl. Bengesser et al. 2024)

[7] „Gemeinwesenkultur“ scheint hier kein idealer Begriff zu sein, weil „Gemeinwesen“ sich begrifflich zwischen sozialen Gruppen und Gesellschaft bewegt, wird aber in Anbetracht des Fehlens eines passenden Begriffs hier verwendet.


Zitiervorschlag

Stoik, Christoph und Andrea Fritsche (2024): Transformatives professionelles Handeln in relationalen Sozialen Räumen. In: sozialraum.de (15) Ausgabe 1/2024. URL: https://www.sozialraum.de/transformatives-professionelles-handeln-in-relationalen-sozialen-raeumen.php, Datum des Zugriffs: 21.11.2024