Zugänge zu ‚Möglichkeitsräumen für Partizipation’ im Quartier? Erfahrungen mit sozialräumlichen Methoden in der Arbeit mit Älteren
Anne van Rießen, Christian Bleck
Das Thema Partizipation hat Konjunktur [1]: Menschen soll zunehmend die Möglichkeit eröffnet werden, als ‚politische Subjekte‘ und ‚bürgerschaftlich Engagierte‘ in Erscheinung zu treten und stärker an kommunalen Prozessen zu partizipieren (z.B. bei Planungsprozessen, ‚Runden Tischen’) oder in gemeinschaftlichen Lebensbereichen mitzuwirken (z.B. in Vereinen, Ehrenämtern). [2] Dabei ist allerdings auch zu beobachten, dass der Partizipationsbegriff an begrifflicher Schärfe verliert, da er häufig genauso Teilnahme wie Teilhabe oder Mitbestimmung wie Mitwirkung meint. Viele Beteiligungsoptionen, die Partizipation vorsehen, sind häufig lediglich Mitwirkungsveranstaltungen ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten zu beinhalten.
Zudem unterliegt Partizipation im Kontext wohlfahrtsstaatlicher Transformation einem grundlegenden Perspektivwechsel. Dies zeigt sich an folgenden ausgewählten Aspekten:
- Partizipation – als das zentrale Prinzip des Politischen und damit auch als eine wesentliche Form von Selbst- und Mitbestimmung – erweitert sich sukzessive von der politischen Ebene auf die Ebene sozialer Partizipation, vor allem auf das Ehrenamt und die Mitgliedschaft in Vereinen (von Schwanenflügel & Walther 2013, S. 275). Dabei bezieht sich der Partizipationsbegriff auf bestimmte institutionalisierte Formen von Partizipation und schließt damit gleichzeitig andere Formen des Engagements aus (z.B. nachbarschaftliche Solidarität und Unterstützung) (vgl. Munsch 2005; Alisch & May 2013).
- Eingebettet in postwohlfahrtsstaatliche Rahmungen und mit Bezug auf eine Politik der Aktivierung geraten Partizipationsprozesse in den Verdacht, nur noch zum Zweck der Gemeinwohldienlichkeit durchgeführt zu werden. Partizipationsprozesse als ‚Aktivierungsmotor zur gemeinwohldienlichen Eigenverantwortung’ rücken damit den gesellschaftlichen Nutzen in das Zentrum – und nicht den Eigensinn der Beteiligten (vgl. van Dyk & Lessenich 2009; Aner 2010)
- Dabei stehen Partizipationsgelegenheiten und Beteiligungsoptionen nicht in allen Kontexten zur Verfügung, sondern sind häufig auf bestimmte Inhalte und Rahmenbedingungen fokussiert, in denen Menschen in einer bestimmten Form und damit auf sehr unterschiedliche Art und Weise beteiligt werden (können). So kann Partizipation sowohl als reine marktförmige „‚mach-mit’-Veranstaltung“ (vgl. kritisch Schütte-Bäumner 2010, S. 8, Hervorhebung im Original) verstanden werden, als auch Räume schaffen, in denen Menschen auf ihre (konkreten) Lebensbedingungen Einfluss nehmen und die Definitionsmacht über ihre eigenen Vorstellungen zurückgewinnen können (vgl. Bleck, van Rießen & Knopp 2013). Gleichzeitig sind Partizipationsprozesse häufig in ihrer Ansprache und durch ihre Gestaltung auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet, wenngleich Partizipation wesentlich eine Mitbestimmung ist, an der jede_r berechtigt ist, teilzunehmen oder teilzuhaben (vgl. Lutz 2012, S. 52).
- Zudem scheinen sowohl Partizipationsmöglichkeiten als auch Partizipationshandeln für die Position der Älteren zunehmend ein Beitrag für eine legitime Existenz im Alter darzustellen. Denn gerade Ältere in der nachberuflichen Phase werden verstärkt dazu aufgefordert, ihre neue Rolle aktiv wahrzunehmen und dabei eigene Interessen mit den gemeinschaftlichen zu verbinden (vgl. kritisch Aner 2010, S. 22).
Vor diesen Hintergründen wird deutlich, dass sich Prozesse der politischen und sozialen Partizipation durchaus auf ‚dünnem Eis’ bewegen und gerade in der Sozialen Arbeit angesichts veränderter gesellschaftlicher und sozialpolitischer Rahmungen einer kritisch-reflexiven Initiierung und Begleitung bedürfen. [3] Dies gilt auch für die in unserem Beitrag relevante Verortung von Partizipation in Kontexten sozialraumorientierter Praxis und Forschung der Sozialen Arbeit, die dem Partizipationsgedanken offenbar in besonderem Maße zugewandt ist. So halten etwa Monika Alisch und Michael May (2008, S. 13) fest, dass Partizipation im Rahmen von Sozialraumorientierung „zumindest normativ als konzeptioneller und politischer Anspruch“ mitgedacht ist. Ferner führt Wolfgang Hinte (2012 zit. in Scheu & Autrata 2013, S. 95) an, dass es in der Sozialraumorientierung darum gehe, „unter tätiger Mitwirkung der betroffenen Menschen Lebenswelten zu gestalten.“ Dabei ist nun aber hervorzuheben, dass die oben kritisch benannten Perspektiven und Rahmungen von sozialer und politischer Partizipation auch in Verbindung mit Konzepten der Sozialraumorientierung angeführt werden. Denn die Sozialraum- bzw. Nahraumorientierung als „fachlich-programmatische Gesamtstrategie“ wird etwa von Hans-Uwe Otto und Holger Ziegler (2010, S. 141ff.) auch mit „neo-sozialen Integrationsrationalitäten von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit“ verbunden und daher betont, dass deutlich zwischen „‚sozialraumorientierten‘ Aktivierungsstrategien in der Sozialen Arbeit und einer Sozialen Arbeit als ‚sozial-raumsensibler‘ Dienstleistung zu unterscheiden“ (ebd., S. 150) sei. Bringt man also diese Perspektiven zusammen, sollten Partizipationsprozesse in sozialräumlichen Projekten in doppelter Weise kritisch-reflexiv begleitet werden.
Wenn es aber ferner – wiederum mit Bezug auf Otto und Ziegler (2010, S. 149) – im Rahmen von sozialräumlicher Sozialer Arbeit „strategisch nicht primär um den Raum als solchen, sondern um ihre räumlich eingebetteten AdressatInnen“ gehen soll, können Sozialraumanalysen in der Praxis Sozialer Arbeit einen geeigneten Zugang darstellen, der zur Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten und Mitwirkungsmotivation von Bewohner_innen im analysierten Sozialraum beiträgt. Allerdings ist aus der Erfahrung mit oftmals zeitlich befristeten Projekten der Sozialraum- bzw. Lebensweltanalyse auch festzuhalten, dass bei den beteiligten Adressat_innen keine unnötigen Erwartungen geweckt und nicht nur Chancen, sondern ebenso Hürden der Mitwirkung bei und Umsetzung von – beispielsweise infrastrukturellen – Veränderungen im Quartier klar benannt werden sollten (vgl. Deinet 2007, S. 58).
Mit diesen Ausführungen möchten wir zu den für diesen Beitrag zentralen Bezügen überleiten, die Partizipation im Rahmen von sozialräumlich ausgerichteten Forschungsprojekten beleuchten und dabei sozialräumliche Analyse- und Beteiligungsmethoden (z.B. Deinet & Krisch 2002) in den Fokus nehmen. So geht es hier um die Möglichkeiten und Grenzen partizipativer Forschung im Sozialraum und dabei um diesbezügliche Erfahrungen mit diesen spezifischen Erhebungsmethoden in der Arbeit mit Älteren. Dabei verstehen wir unter partizipativer Forschung – ähnlich wie Jarg Bergold und Stefan Thomas (2010) zusammen mitden Menschen zu forschen, um deren Perspektiven, Handlungen und Erwartungen es geht: „Nicht Forschung über Menschen und auch nicht für Menschen, sondern Forschung mit Menschen – dies ist der Anspruch und die grundlegende erkenntnistheoretische Position von partizipativer Forschung“ (Bergold & Thomas 2010, S. 133, Hervorhebung im Original).
In diesem Verständnis möchten wir hier also sozialräumliche Methoden speziell in der Arbeit mit Älteren in den Blick nehmen und (selbst-)kritisch auf die im Rahmen eines Forschungsprojektes (‚SORAQ – Soziale Ressourcen für altersgerechte Quartiere‘) gemachten Erfahrungen eingehen, indem wir davon ausgehen, dass die verschiedenen Methoden der Sozialraum- bzw. Lebensweltanalyse unterschiedliche Voraussetzungen für eine Forschung mit älteren Menschen implizieren. Dazu werden wir praxis- bzw. methodennah Fragen nach den Adressat_innen (‚wer’), dem Inhalt (‚was’) und der Form (‚wie‘) berücksichtigen, um daran anknüpfend Barrieren und/oder Möglichkeiten, die Partizipationsprozesse eröffnen oder verhindern, transparent machen zu können. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen werden wir uns nun folgenden Themenkomplexen widmen:
- Einleitend beginnen wir mit einer kurzen Vorstellung des Forschungsprojektes SORAQ, den damit verbundenen Zielsetzungen und Bezügen zu Partizipationsprozessen.
- Im zweiten Schritt erläutern und beleuchten wir die in SORAQ (weiter-) entwickelten sozialräumlichen Methoden unter besonderer Fokussierung ihrer zentralen Zielsetzungen, Durchführungsweisen und adressat_innenbezogenen Beteiligungsmöglichkeiten und -grenzen.
- Abschließend geben wir die Schlussfolgerungen aus unseren Erfahrungen in der Erprobung sozialräumlicher Methoden mit Älteren in Bezug auf den Partizipationsgedanken in sozialräumlichen (Forschungs-)Projekten resümierend wieder.
1. Das Forschungsprojekt SORAQ (Soziale Ressourcen für altersgerechte Quartiere)
In dem Forschungsprojekt SORAQ (Soziale Ressourcen für altersgerechte Quartiere) wird in sechs ausgewählten Düsseldorfer Stadtteilen untersucht, welche sozialen Ressourcen (z.B. Kontakt- und Partizipationsmöglichkeiten) sowie infrastrukturellen Angebote und Voraussetzungen (z.B. Einkaufsmöglichkeiten und räumlich-bauliche Strukturen) für ältere Menschen in ihren Wohnquartieren von besonderer Bedeutung sind. [4] Die übergeordneten Ziele des Forschungsprojektes lauten:
- Entwicklung eines Analyseschemas für die Untersuchung von Wohnquartieren in Hinblick auf die Alterung ihrer Bewohnerschaft,
- Weiterentwicklung von sozialräumlichen Methoden für die Arbeit mit Älteren,
- Identifizierung zentraler sozialer und infrastruktureller Ressourcen in den Gebieten unter Berücksichtigung der Generationenbezüge.
Zur Erreichung dieser Ziele werden insbesondere qualitative Befragungen mit Expert_innen bzw. Schlüsselpersonen sowie sozialräumliche Workshops und quantitative Befragungen älterer Bürger_innen in den ausgewählten Stadtteilen durchgeführt. Der besondere Ansatzpunkt von SORAQ ist hierbei, aus sozialräumlicher Perspektive und unter Einbindung der älteren Bewohnerschaft, vorhandene und potenzielle Ressourcen, insbesondere soziale Ressourcen, in den ausgewählten Wohnquartieren in den Blick zu nehmen.
Im Zusammenhang mit den Forschungsarbeiten von SORAQ spielt Partizipation mittelbar in drei Perspektiven eine Rolle:
- Als zentraler methodischer Zugang dienen in SORAQ verschiedene sozialräumliche Analyse- und Beteiligungsmethoden, die eine grundlegende Möglichkeit von Partizipation im Kontext sozialraumorientierter Arbeiten, Projekte und Studien darstellen bzw. bereits von ihrem ursprünglichen Ansatz her darstellen sollen (vgl. z.B. Krisch 2009; Deinet & Krisch 2002). Dabei ging es in SORAQ nicht ‚nur’ um eine Beteiligung von älteren Bürger_innen eines Sozialraums, sondern diese sollten als Expert_innen ihrer Lebenswelt und ihres individuell konstruierten Sozialraums zu Wort kommen und in den Forschungsprozess einbezogen werden.
- Auch eine Forschung ‚von unten’ (vgl. Bleck, Knopp & van Rießen 2013) ist jedoch kein Selbstweck, sondern verspricht für die Mitwirkenden Einfluss auf Ergebnisse, Entscheidungen, Empfehlungen der Forschung und damit im Falle von SORAQ auch auf mögliche Entwicklungen im Quartier. Im Rahmen des Forschungsprojektes haben wir versucht, diese sensible Leerstelle in partizipativ gestalteten Forschungsprozessen, die zumeist mit der Frage ‚was passiert nach dem Rückzug der Forscher_innen’ verbunden ist, durch eine Kooperation mit den Beratungs- und Begegnungsstätten zentren plus [5] von Beginn an miteinzubeziehen und damit professionelle Unterstützungs- und Moderationsprozesse auch nach dem ‚Rückzug‘ sicherzustellen.
- Gleichzeitig ist festzuhalten, dass SORAQ durch die gewählten Feldzugänge in den Quartieren – über Begegnungsstätten und Wohnprojekte – vor allem bestimmte Teilgruppen Älterer angesprochen und somit auch spezifische adressat_innenbezogene Grenzen der Partizipation produziert hat. Das Ideal von Partizipationsprozessen – eine Mitwirkung verschiedener gesellschaftlicher Teilgruppen – konnte in SORAQ also nicht umgesetzt werden, da vor dem Hintergrund des Forschungsinteresses ein spezifischer Zugang zu bereits ‚aktiven’ älteren Menschen gegeben war (vgl. Bleck, Knopp & van Rießen 2013).
Diese Perspektiven auf Partizipationsmöglichkeiten und -prozesse im Rahmen des Forschungsprojektes SORAQ werden nun mit der Darstellung der im Projekt angewendeten sozialräumlichen Analyse- und Beteiligungsmethoden verbunden und näher erläutert.
2. Sozialräumliche Methoden in der Arbeit mit Älteren
Die im Folgenden aufgeführten sozialräumlichen Analyse- und Beteiligungsmethoden haben wir im Rahmen von mehrtägigen Workshop-Reihen in ausgewählten Düsseldorfer Stadtgebieten mit älteren Bewohner_innen der Quartiere durchgeführt. Da die sozialräumlichen Methoden nur in begrenzten Gruppengrößen durchführbar sind, haben wir die Anzahl der Teilnehmer_innen entsprechend eingeschränkt, so dass jeweils max. 15-20 Ältere sowie teilweise zusätzlich vereinzelte Professionelle und Schlüsselpersonen des Sozialraums teilgenommen haben.
Die bereits angesprochene Kooperation von SORAQ mit den zentren plus haben wir gewählt, um erfahrene Institutionen zu haben, die bereits einen, für Ältere bekannten, Begegnungsort mit unterschiedlichen Angeboten und sozialen Netzwerken darstellen. Die zentren plus fungieren damit als „gatekeeper“ (Merkens 2012; Wolff 2012) und öffnen die Tür zum sozialen Feld. Gleichermaßen erfolgt die Zusammenarbeit mit den zentren plus aus übergeordneten inhaltlichen Erwägungen, da SORAQ von den im Quartier bereits vorhandenen Ressourcen ausgeht, um zu überprüfen, wie diese erhalten, erweitert oder neu entfaltet werden können.
Darüber hinaus – und das ist hier von entscheidender Bedeutung – wurde diese Kooperation gewählt, um nachhaltige Rahmenbedingungen für in SORAQ neu entstehende Projektideen und Vernetzungen Älterer zu bieten und damit eine Fortführung von Beteiligungsoptionen Älterer in der Quartiersanalyse und -gestaltung nach dem Projekt zu ermöglichen. Denn partizipative Forschung steht durch ihren Projektcharakter stets vor dem Dilemma einer zeitlich begrenzten Zusammenarbeit mit den Adressat_innen und einer adäquaten Ein- und Anbindung der bei ihnen geweckten Partizipationsmotivation. So müssen unseres Erachtens gerade sozialräumliche Forschungs- und Praxisprojekte, die sich mit Gegebenheiten eines Wohnquartiers und damit mit für die Bewohner_innen alltäglich bedeutsamen, mitunter belastenden Lebensbedingungen auseinandersetzen, auch die Fragen berücksichtigen, „was Menschen mit Partizipation erreichen wollen und warum Partizipation für sie wichtig ist“ (Scheu & Autrata 2013, S. 7).
Mit der Durchführung der sozialräumlichen Workshop-Reihen in den zentren plus ist also die Intention und Hoffnung von SORAQ verbunden, dass die dort vorhandenen Strukturen und Ansprüche zur Initiierung und Begleitung von verschiedenen sozialen Netzwerken Älterer auch die Fortführung sozialräumlicher Projekte von den Teilnehmenden an den SORAQ-Workshops unterstützen können. Diese Hoffnung hat sich bislang auch in mehreren Stadtgebieten erfüllt, indem dort weiterhin – auch nach dem ‚Rückzug‘ der Forscher_innen – auf das Quartier bezogene Aktivitäten von ehemaligen SORAQ-Teilnehmenden stattfinden (z.B. das Anfertigen und Anbringen von ‚Strickgraffiti‘ an Plätzen, die in den Workshops als ‚grau‘ eingeschätzt wurden oder ‚Sitztreffen‘ mit mitgebrachten Stühlen an Orten, an denen Sitzbänke fehlen).
Allerdings ist auch hervorzuheben, dass gerade bei partizipativ angelegten Forschungsprojekten die Frage geeigneter Zugänge zur Zielgruppe eine methodische Schwierigkeit darstellt, die uns auch im Austausch mit anderen sozialräumlich und partizipativ forschenden Projekten mit der Zielgruppe bestätigt wurde. So ist für SORAQ zu berücksichtigen, dass der von uns gewählte Zugang der Kooperation mit den zentren plus und die damit verbundene Ansprache – gezielte Ansprache Interessierter durch die Professionellen, Aufruf in der Tageszeitung, Ansprache durch die Monatsprogramme der zentren plus – im Rahmen von Selbstaktivierung (vgl. Reinders 2005) fungiert. Damit sind weitgehende Selektionsprozesse verbunden, da die Hürden für eine Projektteilnahme in einem solchen Zugang höher sind, als man zunächst annehmen sollte: Die Beteiligten müssen die Informationen über die Workshop-Reihe erhalten, Interesse daran haben, die Möglichkeit und den Wunsch haben, Zeit zu investieren, selbstständig Kontakt aufnehmen und die Option haben, den Ort, an dem ‚Beteiligung stattfindet’, möglichst eigenständig aufzusuchen. So besteht nicht nur hier, sondern auch in ähnlichen Settings, die Gefahr, nur die ‚bereits Beteiligten‘ zu erreichen – also wieder ‚nur die zu beteiligen, die immer beteiligt sind‘.
Gleichzeitig hat sich jedoch im Projekt gezeigt, dass ein Teil der Älteren, die sich beteiligen, konkret auf diese Prozesse hinweisen und Möglichkeiten aufzeigen, wie auch Andere erreicht werden können. Damit fungieren nicht nur die Professionellen als ‚gatekeeper‘, sondern auch die beteiligten Adressat_innen. Sie weisen nicht nur auf Schwierigkeiten hin – beispielsweise war ein Ausrichtungsort schwer für die Bewohner_innen eines betreuten Wohnparks erreichbar – sondern mobilisieren auch ‚die Anderen’, wenn sie in den Beteiligungsprozessen positive Erfahrungen machen konnten.
Im Rahmen des Forschungsprozesses hatten wir die Möglichkeit, auf diese Hinweise einzugehen, indem wir z.B. eine sozialräumliche Methode nach den Anregungen der Teilnehmer_innen unmittelbar in den Räumen des angesprochenen Wohnparks durchführten, damit auch für die Älteren mit Mobilitätseinschränkungen, die wir von dort bis dato nicht erreicht hatten, eine Beteiligung möglich war. Zudem wurden diese Beschränkungen auch in die Ergebnisperspektiven der bearbeiteten Fragestellung ‚An welchen Orten im Quartier halte ich mich (nicht) gerne auf’ durch die beteiligten Älteren mit eingebunden: Immer wieder wurden gerade aus dieser Perspektive bauliche oder gesellschaftliche Barrieren fokussiert, die dafür Sorge tragen, dass Teilhabe auch in anderen, für die Zielgruppe der Älteren relevanten Kontexten im Quartier nicht für alle möglich ist.
Nach dieser Beleuchtung der – die sozialräumlichen Workshop-Reihen von SORAQ grundsätzlich betreffenden – Aspekte des ‚wer‘, nehmen wir nun die einzelnen sozialräumlichen Methoden näher in den Blick, um dabei exemplarisch das ‚was‘ und ‚wie‘ betrachten zu können. [6] Da zu diesen Methoden bislang nur vereinzelte Erfahrungen in der Arbeit mit Älteren vorliegen (vgl. z.B. Knopp & Deinet 2006; Knopp 2009; Meyer & Mischke 2009) und sich die Dokumentationen und Publikationen vorwiegend auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beziehen (z.B. Deinet 2007) ist in Perspektive partzipativer Forschung von besonderem Interesse inwieweit mit den jeweiligen Analysemethoden in Bezug auf die Zielgruppe der Älteren „Ausdrucksmöglichkeiten der Mitforschenden“ (Bergold & Thomas 2010, S. 340) berücksichtigt werden können.
2.1 Nadelmethode
Die Nadelmethode (vgl. z.B. Deinet 2009, S. 72ff.) dient der Visualisierung von für die Zielgruppe besonderen Orten im Stadtteil, die über spezifische Leitfragen eruiert werden. So wurden die älteren Teilnehmenden im Rahmen des Forschungsvorhabens SORAQ
- nach Orten, an denen sie sich gerne im Stadtteil aufhalten,
- nach Orten, an denen sie sich im Stadtteil nicht gerne aufhalten,
- sowie nach besonderen Treffpunkten bzw. Orten der Begegnung und Kommunikation im Stadtteil gefragt.
Diese Aspekte wurden von den Teilnehmenden zunächst in Kleingruppen besprochen, um dann die Ergebnisse in der Gesamtgruppe zusammenzutragen und auf einem großen, für alle ersichtlichen und an einer Pinnwand angebrachten Stadtplanausschnitt mit farbigen Nadeln zu markieren.
Nach unseren Erfahrungen ist die Nadelmethode gut für den Einstieg in die sozialräumliche Arbeit geeignet, da sie auf dem Stadtplan aus der ‚Vogelperspektive‘ einen Überblick zu den für die Zielgruppe relevanten Orten im Quartier bietet. Oftmals werden damit auch bereits Konturen von aus Adressat_innensicht relevanten Quartiers-Strukturen – innerhalb von administrativ zugeordneten Sozialräumen oder Bezirksgrenzen – erkenntlich.
Durch die Zusammenarbeit in den Kleingruppen, der gemeinsamen Nadelung auf dem großen Stadtplanausschnitt und Diskussion der Ergebnisse sind die Teilnehmenden sowohl unmittelbar an dem Prozess der ersten Sammlung von relevanten Orten als auch an der abschließenden Diskussion und somit auch Validierung der Gesamtergebnisse beteiligt. Damit ist der große Vorteil der Nadelmethode, dass sie ‚in time‘ das gemeinsam erarbeitete Ergebnis für die Durchführenden und Teilnehmenden erkennen lässt – das zudem durch die auf dem Stadtplanausschnitt genadelten Orte sowie die parallele Verschriftlichung der Orte auf einer Flipchart transparent und sehr gut nachvollziehbar ist. Damit kann die / der einzelne Teilnehmende im Rahmen der Nadelmethode also nicht nur an einer ‚Datensammlung‘ mitwirken, sondern auch das Endresultat mitbestimmen und konkret einsehen.
Dass die Nadelmethode ferner gesprächsorientiert ist, in dem sie in der Klein- und Gesamtgruppe eine Diskussion über die relevanten Orten und den damit verbundenen Erfahrungen und Eindrücken im Quartier ermöglicht, fördert außerdem die Auseinandersetzung mit sozialräumlichen Fragen unter den Teilnehmenden und die Anerkennung ihrer persönlichen sozialräumlichen ‚Expertise‘.
Die gesprächsorientierten Anteile der Nadelmethode bergen allerdings auch ungleiche Beteiligungsanteile und -chancen, die durch unterschiedliche Voraussetzungen der älteren Teilnehmenden im sprachlichen Ausdrucksvermögen (z.B. Deutschkenntnisse) sowie in Hinsicht auf das Reden in und vor Gruppen (z.B. persönlichkeits- und erfahrungsbedingt) geprägt sind. Wie auch sonst für die Methode der Gruppendiskussion üblich, ist hier im Rahmen einer aufmerksamen Moderation eine entsprechende Steuerung von gruppendynamischen Vorgängen sowie ein adäquater Umgang mit verschiedenen Positionen und Rollen (z.B. Anführer_innen, Viel-Redner_innen, Schweiger_innen) unter den Teilnehmenden erforderlich (vgl. z.B. Lamnek 2005, S. 161ff.). Gleichermaßen ist dabei in Perspektive der partizipativen Forschung die Atmosphäre eines „kommunikativen Raums“ (Bergold & Thomas 2010, S. 337) zu fördern, um möglichst alle Beteiligten in den Forschungsprozess einzubeziehen und schließlich ein gemeinsam erarbeitetes Ergebnis erzielen zu können.
Im Sinne gleicher Beteiligungschancen ist bei der Nadelmethode darüber hinaus zu berücksichtigen, dass bei den gesprächsorientierten Anteilen Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen und / oder Hörgerät oftmals Schwierigkeiten haben, ‚überlagerten’ Diskussionsprozessen zu folgen, worauf die Moderation zu achten hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Teilnehmenden mit eingeschränkter Sehfähigkeit ermöglicht werden sollte, näher an der Pinnwand mit dem Stadtteilausschnitt sitzen zu können. [7]
2.2 Stadtteilbegehung
Neben der Nadelmethode ist die Stadtteilbegehung (vgl. z.B. Deinet 2009, S. 66ff.; Krisch 2002, S. 91ff.) ein weiterer ‚typischer‘ und häufig angewendeter Ansatz der hier angesprochenen sozialräumlichen Analyse- und Beteiligungsmethoden, der auch in jüngeren quartiersbezogenen Studien und Initiativen zur Zielgruppe der Älteren etwa als „Empirischer Spaziergang“ (Meyer & Mischke 2009, S. 9) oder „Quartiersbegehung/-spaziergang“ (z.B. im Modulbaukasten des „Landesbüros altengerechte Quartiere.NRW“) aufgegriffen wird. Die Stadtteilbegehung hat in SORAQ das Ziel, die in der Nadelmethode festgehaltenen Orte noch einmal ‚real‘ im Stadtteil zu betrachten, die dazu vorgenommenen Einschätzungen zu überprüfen sowie ergänzende Auffälligkeiten im Quartier festzuhalten. Die Strecke für die Stadtteilbegehung wurde vorher mit den Teilnehmenden abgesprochen, auch weil sie nur einen begrenzten zeitlichen und räumlichen Umfang besitzen, aber dennoch die für die Teilnehmenden bedeutsamen Orte und Bereiche abdecken sollte. Die Ergebnisse wurden über ein begleitetes Protokoll festgehalten, wofür je nach Gruppengröße mehrere Protokollführer_innen eingesetzt wurden. Zudem diente eine Nachbesprechung der gemeinsamen Reflexion und Analyse der Begehung in der Gruppe.
Die Stadtteilbegehung impliziert eine ‚körperliche‘ Erfassung der Gegebenheiten im ausgewählten Sozialraum, indem positive und negative Aspekte, verbunden mit ‚räumlichen Wahrnehmungen‘ sowie sinnlichen – v.a. visuellen und auditiven – Eindrücken, vor Ort erfahren werden. Dies führt unseres Erachtens zu einem hohen Mitwirkungsanteil und -charakter dieser Methode, da alle Teilnehmenden gleichermaßen an dem Prozess und der Erfahrung der bewussten Begehung des Quartiers beteiligt sind. So wird die Beteiligung hier auch nicht in der Gruppe ‚abgefragt‘, sondern jede_r kann spontan seine Kommentare zu Protokoll geben – Einflüsse durch Gruppendynamik und einzelne, dominantere Teilnehmende sind hier also geringer.
Allerdings ist mit Blick auf eine breite Partizipation im Rahmen einer Stadtteilbegehung auch darauf hinzuweisen, dass diese sozialräumliche Methode für Personen mit Mobilitätseinschränkungen Hemmnisse beinhalten kann, die es entsprechend zu berücksichtigen gilt (z.B. durch die Begrenzung der Strecke, Steuerung des Gruppentempos, Unterstützung der Personen).
2.3 Subjektive Landkarten
Bei der Methode der subjektiven Landkarte werden die Teilnehmenden motiviert, eine persönliche Landkarte ‚ihres Quartiers‘ und somit die für sie subjektiv bedeutsamen Lebensräume im Stadtteil zu zeichnen oder zu malen (vgl. Früchtel, Bude & Cyprian 2010, S. 127; Deinet 2009, S. 75). Im Rahmen von SORAQ war von besonderem Interesse, mit welchen spezifischen Orten und inhaltlichen Bezügen sowie über welche räumlichen Zusammenhänge ältere Menschen ihre subjektive Landkarte gestalten. Da sie dazu vom eigenen Zuhause als Startpunkt ausgehen sollten, konnte auch das für das Alter so bedeutsame Wohnumfeld qualitativ besonders in den Blick genommen werden. Es existieren unterschiedliche Durchführungsmöglichkeiten von subjektiven Landkarten. In SORAQ waren dies zum einen das individuelle Zeichnen in der Gruppensituation und zum anderen das separate Anfertigen einer Landkarte in einer Gesprächssituation mit einer_m Projektmitarbeiter_in.
Nach unseren Erfahrungen führt die bildliche Darstellung der subjektiven Landkarte dazu, dass die Teilnehmenden konkret darüber nachdenken, was für einen persönlich von den „objektiven Gegebenheiten eines Sozialraums“ (Krisch 2002, S. 142) von besonderem Belang ist (z.B. Einkaufsmöglichkeiten oder Grünflächen). Dadurch wird eine subjektiv bedeutsame Auswahl an relevanten Orten sowie räumlichen Verbindungen und Zusammenhängen vorgenommen. Das Besondere dieser Methode von ihrem Resultat aus betrachtet ist schließlich auch, dass die Landkarten auf individueller Ebene Ergebnisse erzeugen, die dann in der zusammenführenden Auswertung gemeinsame Tendenzen subjektiver Relevanzen Älterer im Sozialraum erkennen lassen.
In Hinsicht auf ihre Mitwirkungsoptionen ist als Vorteil zu nennen, dass jede Person für sich an dem Ergebnis beteiligt ist. Auch hier sind die Ergebnisse – anders als etwa bei mündlichen Interviews oder schriftlichen Befragungen und vergleichbar mit der Nadelmethode – unmittelbar und auf ‚einen Blick‘ sichtbar. Bei der Anfertigung von subjektiven Landkarten in einer Gruppensituation können zudem die gemeinsamen Tendenzen der Einzelergebnisse in einer anschließenden Betrachtung und Diskussion in der Gruppe zusammen festgehalten werden. Durch diese Kombination von (gestalterischer) Einzelarbeit und anschließendem Gruppengespräch wird unseres Erachtens „multi-voicing“ (Bergold & Thomas 2010, S. 338) – also die offene und gleichberechtigte Berücksichtigung aller Ansichten – in besonderer Weise unterstützt, da alle Sichtweisen über die subjektive Landkarte und anschließend möglichst viele Eindrücke und Meinungen im Gespräch einbezogen werden können.
Als eine zentrale Beteiligungshürde zur subjektiven Landkarte ist jedoch zu nennen, dass das Zeichnen / Malen für Teilnehmende mit Einschränkungen (z.B. in Bezug auf Feinmotorik, Sehvermögen) schwer oder nicht umzusetzen ist. In diesen Fällen haben wir individuelle Unterstützung – in Form einer ‚diktierten Skizze‘ – angeboten, um die Ideen und Perspektiven dieser Teilnehmenden auch aufzunehmen, gleichwohl ist damit der Prozess der Anfertigung und das Resultat der subjektiven Landkarte in ihrem ‚subjektiven Charakter’ deutlich begrenzt.
2.4 Individuelle Infrastrukturtabelle
Die Individuelle Infrastrukturtabelle wurde im Rahmen von SORAQ mit dem Ziel entwickelt, [8] im Rahmen eines einfachen, schnell umzusetzenden Zugangs auf individueller Ebene zu erheben, was von älteren Menschen im Stadtteil in bestimmten Infrastrukturbereichen in welcher Häufigkeit genutzt wird. Die Individuelle Infrastrukturtabelle stellt auf einem DIN-A3-Blatt eine Tabelle mit vier Spalten und Zeilen dar, wobei in den Spalten nach vier verschiedenen Infrastruktur-Bereichen (1. Einkaufen und Versorgung, 2. Ausgehen, Essen und Trinken, 3. Bildung und Kultur sowie 4. Sport und Gesundheit) und in den Zeilen nach Häufigkeitsangaben (‚mehrmals die Woche‘, ‚mehrmals im Monat‘, ‚mehrmals im Jahr‘, ‚seltener‘) ihrer Nutzung unterschieden wird. Die Infrastrukturtabelle ist nicht für größere Befragungen konzipiert, sondern für die Einzelarbeit in einer begleiteten Gruppensituation. Sie ist zunächst für die Einzelarbeit gedacht, weil jeder für sich über die eigene Infrastrukturnutzung, zugeordnet zu den Häufigkeiten, nachdenken und dies in die Tabelle eintragen soll. Dass sich dabei in der Gruppensituation gegebenenfalls ein Austausch mit der / dem Sitznachbar_in ergibt, ist hier durchaus – auch unter Berücksichtigung möglicher Verzerrungseffekte – zulässig; auch weil in unserem Projekt die Infrastrukturtabelle gleichermaßen zur Anregung einer anschließenden Gruppendiskussion zu den einzelnen Bereichen dient.
Mit Hilfe der Individuellen Infrastrukturtabelle haben wir einen Zugang zu spezifischen Themenbereichen in der Nutzung des Sozialraums durch Ältere erhalten, die in den thematisch offen gestellten und auf eine bewertende Auswahl ausgerichtete Fragen der Nadelmethode (‚schöne‘ und ‚unschöne‘ Orte) oder der subjektiven Landkarte (‚Abbildung‘ des Quartiers aus subjektiver Perspektive) kaum oder gar nicht von den Teilnehmenden benannt wurden.
Vorteil der Individuellen Infrastrukturtabellen ist wiederum, dass hier jede / jeder einzeln ein Ergebnis produziert, das in die anschließende Gruppendiskussion eingebracht werden kann. Durch die vorherige Einzelarbeit an der Infrastrukturtabelle können sich dabei auch die ‚stilleren‘ Teilnehmenden besser beteiligen als in anderen Kontexten von Gruppendiskussionen, da die Aspekte bereits schriftlich fixiert sind. Zudem bezieht sich die Infrastrukturtabelle inhaltlich nicht auf Einschätzungen, sondern auf Infrastrukturnutzungen, so dass hier einerseits weniger Scheu besteht, etwas ‚Falsches‘ zu sagen, andererseits aber auch Nutzungsbereiche, die als ‚privat‘ angesehen werden, von manchen lieber für sich behalten werden.
Als Nachteil ist auf die geringere Beteiligung der Teilnehmenden am Auswertungsprozess hinzuweisen, da die Gesamtangaben der ausgefüllten Infrastrukturtabellen erst im Nachhinein ausgewertet werden können, so dass hier nicht ‚ad hoc‘ eine gemeinsame Betrachtung endgültiger Ergebnisse möglich ist. In Hinsicht auf Teilnehmende mit Einschränkungen ist zu berücksichtigen, dass beim schriftlichen Ausfüllen der Infrastrukturtabelle individuelle Unterstützung angeboten werden sollte. Da es sich hierbei lediglich um einen schriftlichen Übertrag des von diesen Teilnehmenden Gesagten handelt, ist diese Begleitung gut in die Methode integrierbar und weniger ergebnisbeeinflussend als etwa bei der subjektiven Landkarte – im Rahmen von SORAQ erfolgte dies bei sehbehinderten Teilnehmenden und Personen, für die das Schreiben zu anstrengend war.
2.5 Strukturierte Sozialraumtagebücher
Mit dem Strukturierten Sozialraumtagebuch wurde in Anlehnung an die Instrumente der Sozialraumtagebücher (vgl. Alisch & May o.J.) und der vorstrukturierten Tagebücher (vgl. Saup 1993, S. 14) ein Instrument mit dem Ziel entwickelt, strukturierte Informationen über die alltägliche Nutzung Älterer ihres Quartiers zu erhalten. Das dazu entwickelte Strukturierte Sozialraumtagebuch bietet die Möglichkeit, nach den vorgegebenen Kategorien Anlass, Zeitraum, Ort / Ziel, Kontakte, Eindrücke und (dazu genutzte) Verkehrsmittel die Bewegungs- und Nutzungsräume sowie Kontakte Älterer im Quartier zu erfassen. Das Strukturierte Sozialraumtagebuch im Querformat DIN A4 wurde dabei zusammen mit einer Einwegkamera, Kartenmaterial des Quartiers, Stiften und einer Tasche als ‚Quartierserforschungsset für Senior_innen‘ an die Teilnehmenden der SORAQ-Workshop-Reihen herausgegeben. Sie wurden gebeten, ein Tagebuch über einen zusammenhängenden Zeitraum von 14 Tagen zu führen, das heißt alle Aktivitäten außerhalb der eigenen Wohnräume anhand des vorgegebenen Kategoriensystems zu dokumentieren. Da das Strukturierte Sozialraumtagebuch Auskunft über die individuellen Aktivitäten der Älteren gibt, werden diese Daten nur anonymisiert abgefragt und dies auch im Rahmen einer Datenschutzerklärung besprochen und festgehalten.
Die besondere Chance der Strukturierten Sozialraumtagebücher ist die Einbeziehung aller (auch ‚unausgesprochenen‘) Nutzungen und Nutzungsbewertungen der Workshop-Teilnehmenden und der damit einhergehende ‚Raum für subjektive Darstellungen’, da die Methode im Vergleich mit den bisher vorgestellten Instrumenten die größten Anteile individueller Bearbeitung hat und außerhalb der Workshop-Situation durchgeführt wird. Dies zeigte sich beispielsweise in der Auswertung, in der individuelle Nutzungsräume genannt wurden, die bis dato in keiner der anderen Methoden dokumentiert wurden. Dies kann an der Situation des Alltags liegen, kann aber auch darauf verweisen, dass einzelne Teilnehmende im Rahmen von Methoden, die in der Gruppe durchgeführt werden, sozial erwünschte Antworten geben – d.h. Orte bzw. Nutzungen nennen, von denen sie annehmen, diese würden eher auf Zustimmung treffen oder Orte verschweigen, die ihnen irrelevant erscheinen bzw. unangenehm sind. So zeigte sich in der Auswertung der Strukturierten Sozialraumtagebücher einer sozialräumlichen Workshop-Reihe beispielsweise, dass vielfältige Angebote aus dem Bereich ‚Sport- und Gesundheit‘ genutzt, diese Nutzungen aber in den vorausgegangen sozialräumlichen Methoden nicht genannt wurden.
Des Weiteren stellt die Methode des Strukturierten Sozialraumtagebuchs zugleich ein Instrument der Reflexion dar, das bei den Teilnehmenden mitunter den Blick auf ‚ihren Stadtteil’ und ihre Nutzungsgewohnheiten verändert. Durch die tägliche Dokumentation der ‚Außenaktivitäten’ wird den einzelnen Beteiligten deutlich, welchen Aktivitäten sie nachgehen und welche Kontakte damit verbunden sind. Daraus resultierten sowohl positive Äußerungen, wie „Ich habe gar nicht gedacht, dass ich noch so aktiv bin“, wie auch Reflektionen, die Unzufriedenheit aufzeigen, z.B. „Ich bin ja nur noch mit Älteren zusammen“ oder „Ich habe gar nichts zum Dokumentieren, ich bin ja gar nicht mehr draußen“. Diese Möglichkeit der Reflexion eigener Aktivitäten und Kontakte führte z.B. dazu, dass eine ältere Teilnehmerin, die für sich ‚erkannt‘ hatte und gleichzeitig ‚bemängelte’, dass sie sich ‚nur‘ noch mit Älteren aufhielt, dies ändern wollte: Daher kündigte sie ihr Zeitungsabonnement, mit der Hintergrundidee, jeden Tag die Zeitung an einem anderen Ort zu lesen (z.B. Bücherei, Café etc.), um neue Orte kennenzulernen und neue Kontakte zu schließen.
Mit Blick auf Partizipationsprozesse ist daran anknüpfend festzuhalten, dass die Methode des Strukturierten Sozialraumtagebuchs außerhalb der gemeinsamen Workshop-Situation durchgeführt wird und damit die – im Vergleich mit den bisher vorgestellten Instrumenten – größten Anteile individueller Bearbeitung hat. Da die Teilnehmenden diesen methodischen Zugang quasi als ‚Solo-Forschende‘ erfahren, ist es wichtig, die durch die Methode angestoßenen Reflektionsprozesse sowie die Erfahrungen und Ergebnisse der Beteiligten auch wieder zurück in die Gruppe einzubinden. Denn durch die Besprechung der Resultate der Sozialraumtagebücher erfolgt die partizipatorisch wichtige gemeinsame Reflexion und Fundierung der Ergebnisse sowie der Austausch zu den im Forschungsprozess gemachten Erfahrungen.
Durch die Anforderungen des individuellen Anfertigens erfährt diese Methode zudem eine Hürde, die es im Prozess zu berücksichtigen gilt. Es zeigte sich, dass sich Einzelne mit der Dokumentation ihrer Alltagsaktivitäten und Nutzungsräume überfordert fühlten und / oder die Aufzeichnungen abbrachen, wenn diese nicht an eine_n Ansprechpartner_in rückgebunden waren. Nach diesen Erfahrungen halten wir es für besonders bedeutsam mit der Ausgabe der Strukturierten Sozialraumtagebücher gleichzeitig eine_n Ansprechpartner_in zu benennen, die bei Schwierigkeiten und Nachfragen kontaktiert werden kann. Diese_r Ansprechpartner_in kann auch bei Sprachbarrieren unterstützen und ggf. die Aufgabe der Dokumentation übernehmen. So haben wir im Rahmen unserer Workshop-Reihe auch immer explizit darauf hingewiesen, dass ‚neutrale‘ Ansprechpartner_innen aus dem Forschungsteam die Dokumentation übernehmen können, indem diese durch Anrufe bei den Beteiligten die Alltagsaktivitäten schriftlich festhalten. Inwiefern digitale Methoden die Komplexität der Strukturierten Sozialraumtagebücher auflösen können, beleuchten und erarbeiten wir zurzeit an einer sozialräumlichen digitalen Methode, die auch in Zusammenarbeit mit den bisher beteiligten Älteren entwickelt wird.
3. Fazit
Nach diesen Erläuterungen zu den von uns durchgeführten sozialräumlichen Analyse- und Beteiligungsmethoden, insbesondere hinsichtlich ihrer Ermöglichung von Teilhabe und Mitwirkung Älterer, kann das Resultat gezogen werden, dass mit der Anwendung dieser Methoden ‚Möglichkeitsräume für Partizipation‘ geschaffen werden können, die sich auf den eigentlichen Forschungsprozess ebenso wie an daran anknüpfende Prozesse sozialraumbezogener Reflexion, Vernetzung und Engagement beziehen. Dazu bedarf es jedoch einer Reihe unterschiedlicher Faktoren, die es bei der Durchführung sozialräumlicher Methoden und Projekte zu berücksichtigen gilt.
Neben einer reflexiven und kritischen Haltung der Durchführenden, um die einzelnen Methoden auf ihre Ausgrenzungs- und Beteiligungsmöglichkeiten hin zu überprüfen, bedarf es besonderer Handhabungen und Begleitungen innerhalb der Methoden, die eine Ansprache und Mitwirkung der Adressat_innen sicherstellen. Abgesehen von einer professionellen Moderation, die einen für alle Teilnehmenden offenen Kommunikationsraum unterstützt, und reflexiven Fachkräften, die den Mitwirkenden bei Bedarf zur Seite stehen, fördern ‚neutrale und niedrigschwellige’ Orte die Akzeptanz und Beteiligung. Des Weiteren sorgt u.a. eine stete Transparenz – in Form von Protokollen, Zwischenberichten in verständlicher, an den Beteiligten ausgerichteter Sprache – die den Beteiligten gerecht wird, für eine kontinuierliches ‚im Bilde sein’.
In welcher Art und Weise die im Rahmen der sozialräumlichen Forschung gemachten Beteiligungserfahrungen, geweckten Mitwirkungsmotivationen und eröffneten Möglichkeitsräume für Partizipation im Quartier letztlich auf tatsächliche Mitbestimmung und Teilhabe verweisen und sich nicht nur auf eine Alibi-Beteiligung oder Gemeinwohldienlichkeit fokussieren, ist des Weiteren abhängig von der inhaltlichen Ausrichtung der Angebote, den Erfahrungen, die die Beteiligten machen und der jeweils gegebenen Handlungszusammenhänge. Fabian Kessl und Christian Reutlinger (2007, S. 122f.) fordern deshalb im Hinblick auf Sozialraumarbeit in der Praxis Sozialer Arbeit „die Ausbildung einer reflexiven räumlichen Haltung als Realisierung einer reflexiven Professionalität im Fall raumbezogener Vorgehensweisen“ und nennen als „Qualitätskriterium“ zur Auswahl geeigneter Zugänge „die möglichst weitgehende Eröffnung und Erweiterung von Handlungsoptionen für die direkten Nutzerinnen und Nutzer der sozialpädagogischen Angebote“.
Die hier diskutierten sozialräumlichen Methoden bringen hierfür unseres Erachtens gute Voraussetzungen mit: Indem sie Ältere nicht ‚nur’ beteiligen, sondern als Expert_innen ihres individuell konstruierten Sozialraums mitforschen lassen, fördern sie einen neuen „sozialräumlichen Blick“ (Deinet & Krisch 2002) bei den Beteiligten, der Motivation und Ideen zur Veränderung sozialräumlicher Bedingungen in eigenen Perspektiven anstoßen kann. Dies kann – wie in SORAQ auch erfahren – ferner zu Vernetzungen zwischen den beteiligten Älteren führen, die sich auch nach dem ‚Rückzug‘ der Forschung weiterhin treffen, verschiedene Projekte im Quartier umsetzen und damit auf dortige Lebensbedingungen mit ‚Eigensinn‘ Einfluss nehmen. Sozialräumliche Methoden, die den Weg zu solchen Partizipationsprozessen bereiten, orientieren sich an der Lebenswelt der Älteren und können dadurch (a) die Handlungsfähigkeit Älterer erweitern und (b) Räume zur Reflektion von – vor Ort ersichtlichen – ‚gesellschaftlichen Prozessen‘ schaffen (vgl. Bleck, Knopp & van Rießen 2013). So entstandene Handlungsräume, können ferner eine mögliche Gegenwelt zu gesellschaftlichen Enteignungsprozessen herstellen und damit zu Orten von Autonomie und Selbstgestaltung werden (vgl. dazu Grunwald & Thiersch 2005, S. 1138f.).
Ganz im Sinne partizipativer Forschung bieten sozialräumliche Analyse- und Beteiligungsmethoden also nicht nur die Möglichkeit, über ihre Ergebnisse „lebenswelt- und praxisbasierte Evidenz“ (Bergold & Thomas 2010, S. 342) herzustellen, sondern auch die Chance, ‚Möglichkeitsräume für Partizipation‘ zu öffnen, die auch und vielleicht gerade bei Älteren zu konsequenten Formen der Mitwirkung und -gestaltung im Quartier führen können. Inwieweit die Durchführung sozialräumlicher Methoden mit Älteren partizipativ ist und sich daraus ‚reale‘ Partizipationsprozesse im Quartier entwickeln oder ob es eher bei kurzfristigem ‚Mitmachen‘ und ‚Meinungsäußern‘ bleibt, ist dabei abhängig von einer Reihe verschiedener und hier exemplarisch erläuterter Faktoren, deren Einfluss aber von Beginn an mitzudenken ist.
Literatur
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[1] So weist etwa Thomas Wagner (2012) auf die Prominenz des Themas Partizipation hin und führt aus, dass das Thema zunehmend sogar von Politikberaterfirmen aufgegriffen und in Deutschland insbesondere durch die Bertelsmann-Stiftung platziert wird (vgl. Wagner 2012, S. 17).
[2] Zu der hierbei relevanten Unterscheidung in politische und soziale Partizipation siehe z.B. Roth 2011, van Deth 2009 sowie Roßteutscher 2009.
[3] An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass das Stichwort der Partizipation gegenwärtig – seit den 1980er allmählich und dann seit den 1990er Jahren zunehmend – auch in der Sozialen Arbeit quer durch ihre Handlungsfelder omnipräsent zu sein scheint, darunter aber auch dort „sehr Unterschiedliches verstanden wird“ (Scheu & Autrata 2013, S. 7 und 75). So ist auch auf verschiedene Formen und Ebenen von Partizipation in der Sozialen Arbeit aufmerksam zu machen und für unseren Beitrag festzuhalten, dass es hier nicht um die für Kontexte der unmittelbaren Leistungserbringung in der Sozialen Arbeit erforderlichen Mitsprache-, Beteiligungs- und Entscheidungsrechte von Adressat_innen und damit etwa um dienstleistungstheoretische Begründungen von Partizipation (vgl. z.B. Schnurr 2011, S.12ff.) oder ihre Verortung als pädagogisches Prinzip in Handlungsfeldern Sozialer Arbeit geht (vgl. z.B. Bleck 2011, S. 265). Wie noch erläutert wird, geht es uns vielmehr um die Partizipation von Adressat_innen im Rahmen von Forschungsprojekten und damit um die Intentionen einer partizipativen Forschung, für die andere Voraussetzungen zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. Bergold & Thomas 2010). Gleichwohl gewinnen dabei gerade in sozialräumlichen Forschungsprojekten Fragen der sozialen und politischen Partizipation an Bedeutung, wenn die Projektteilnehmenden an den Forschungsergebnissen anknüpfen möchten, um Verbesserungen in ihrem Quartier bewirken zu können.
[4] Das Projekt SORAQ wird seit August 2011 bis Juli 2014 am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Fachhochschule Düsseldorf durchgeführt und innerhalb der Förderlinie ‚Soziale Innovationen für Lebensqualität im Alter (SILQUA)‘ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Kooperationspartner des Projektes SORAQ ist die Stadt Düsseldorf durch die Beteiligung des Amtes für soziale Sicherung und Integration und des Wohnungsamtes.
[5] Die Düsseldorfer ‚zentren plus’ sind Beratungs- und Begegnungsstätten unterschiedlicher Wohlfahrtsverbände für ältere und alte Menschen vor Ort. Sie entstanden im Rahmen des seit 2005 verfolgten Stadtprojektes ‚Düsseldorf – Gemeinsam aktiv für das Alter’ verbunden mit einer grundlegenden Neuausrichtung der Senior_innenarbeit in Düsseldorf, welche zur Einrichtung der so genannten ‚zentren plus’ führte. Von besonderer Bedeutung ist hier, dass sie sozialräumlich ausgerichtet und gemäß ihrer spezifischen bedarfsorientierten Zielstellungen ‚sozialraumrorientiert‘ arbeiten.
[6] Vgl. in Bezug auf die Erläuterung der sozialräumlichen Methoden auch Bleck, van Rießen & Knopp 2013.
[7] Im Rahmen einer Workshop-Reihe hat auch ein blinder Teilnehmer mitgewirkt: Gleichwohl die Nadelmethode durch die ausgeprägte visuelle Ausrichtung zum Stadtplanausschnitt prinzipiell die Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Sehbehinderungen mindert und somit für sie eher ungeeignet ist, so haben die Hinweise dieses Teilnehmenden in diesem Workshop zu wichtigen Ergänzungen der Ergebnisse geführt, die in der Gruppe nicht nur aufmerksam aufgenommen, sondern auch bestätigt wurden – d.h. die genannten Orte, die sich vor allem auf Barrieren im Quartier bezogen, wurden auch von den anderen Teilnehmenden als Barrieren empfunden.
[8] Da durch die in der Literatur bereits dokumentierten sowie von uns erprobten sozialräumlichen Analyse- und Beteiligungsmethoden (hier: Nadelmethode, Stadtteilbegehung, Subjektive Landkarte) nicht alle Fragestellungen und Ergebnisperspektiven aufgegriffen wurden, die im Rahmen unseres Projektes von Interesse sind, haben wir zwei weitere Methoden – die Individuelle Infrastrukturtabelle und die Strukturierten Sozialraumtagebücher – entwickelt und angewendet, die sich bewusst von ihren Durchführungsmodi (z.B. Zugänge und Aufwand für die Teilnehmenden) unterscheiden.
Zitiervorschlag
van Rießen, Anne und Christian Bleck (2016): Zugänge zu ‚Möglichkeitsräumen für Partizipation’ im Quartier? Erfahrungen mit sozialräumlichen Methoden in der Arbeit mit Älteren. In: sozialraum.de (5) Ausgabe 1/2013. URL: https://www.sozialraum.de/zugaenge-zu-moeglichkeitsraeumen-fuer-partizipation-im-quartier.php, Datum des Zugriffs: 21.12.2024