Quartier und Sicherheit – Über sozialräumliche Perspektiven von Lebensqualität
Herbert Schubert
Einleitung: Das Quartier als sozialräumliche Organisationsform
Die für Stadtentwicklung zuständigen Ministerinnen und Minister der EU-Mitgliedstaaten hatten im Dezember 2020 die Neue Leipzig-Charta verabschiedet. Die Leipzig-Charta aus dem Jahr 2007 wurde angepasst und fortgeschrieben, um die nachhaltige Transformation der Städte voranzubringen. Mit der Neuen Leipzig-Charta wird das Ziel verfolgt, die transformative Kraft der Städte vor allem auch für die Gemeinwohlorientierung zu nutzen. Das Gemeinwohl soll gestärkt werden durch „verlässliche öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sowie die Verringerung und Vermeidung von neuen Formen der Ungleichheit in sozialer, wirtschaftlicher, ökologischer und räumlicher Hinsicht“ (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 2020: 1). Stadtplanung und Städtebau sollen durch „qualitativ hochwertige, für alle offene und sichere öffentliche Räume“ und „gut ausgebaute Infrastrukturen“ die Städte „lebendig“ machen (vgl. ebd.: 3).
Neben der Kommune mit ihren funktional zusammenhängenden Räumen und – übergeordnet – der Region wird das Stadtquartier in der Neuen Leipzig-Charta als zentrale darunter liegende räumliche Handlungsebene hervorgehoben:
„Einige Stadtviertel müssen mit sozialen Spannungen, Armut oder Umweltbelastungen umgehen. Andere Quartiere sind Ankunftsorte für Migranten oder sehen sich konfrontiert mit Gentrifizierung, sozialem Auf- bzw. Abstieg und einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Eine zielgerichtete Quartiersentwicklungspolitik sollte das Engagement vor Ort fördern, damit gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration gelingen können. Für eine langfristige Stabilisierung brauchen Stadtquartiere mit einer Vielzahl an komplexen sozioökonomischen Herausforderungen passgenaue politische Programme und Fördermittel. Darüber hinaus sollten Quartiere als mögliche Experimentierfelder für innovative Ansätze in allen Bereichen der Stadtentwicklung betrachtet werden“ (ebd.: 3f.).
Für die – auf Quartiere als neue städtische Grundeinheit fokussierte – gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungspolitik wird ein integrierter Ansatz gefordert, in dem alle fachlich relevanten Belange und Interessen miteinander abgewogen sowie räumlich, sektoral und zeitlich koordiniert werden (vgl. ebd.: 8). Auf allen räumlichen Ebenen – vom Quartier über die Gebietskörperschaft bis hin zur Region – sollen dazu geeignete formelle und informelle Instrumente eingesetzt werden (vgl. ebd.: 9).
Robert Kaltenbrunner bezeichnet das Quartier vor diesem Hintergrund als „grundsätzliches Ordnungsmodul der Stadt“, das zwischen der Stadt und dem privaten Haushalt vermittelt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stiftet und gemeinschaftliche Identifikation mit dem Ort ermöglicht (vgl. 2021: 60). In Anlehnung an George Galster (vgl. 2019) wird das Quartier zur „sozialräumlichen Organisationsform“ erklärt (vgl. Kaltenbrunner 2021: 60).
Zu den strategischen Aufgaben der zukünftigen Quartiersentwicklung gehören vor allem die Schaffung „städtischer Räume, die sich durch Mischnutzung auszeichnen“ sowie „die Gestaltung und das Management von sicheren öffentlichen Räumen“, die für alle Bürgerinnen und Bürger frei zugänglich sind und ein gesundes Lebensumfeld bieten (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 2020: 11f.). Dieser zuletzt genannten Aufgabe wird im Folgenden besonderes Augenmerk gewidmet.
Die Neue Leipzig-Charta verdeutlicht, dass sich der Quartiersbegriff inzwischen zu einer Art Zauberformel der Stadtentwicklung gewandelt hat. Längst strahlt sein Zauber auch in andere politische Handlungsfelder aus. An einem Beispiel aus Baden-Württemberg lässt sich das veranschaulichen. Mit der Zukunftsstrategie „Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten.“ sollen einerseits den demografischen und sozialen Herausforderungen begegnet und andererseits neue Strukturen des Zusammenlebens geschaffen werden. Das baden-württembergische Ministerium für Soziales und Integration will im Rahmen der Quartiersentwicklung das Zusammenleben der Generationen und das Leben im Alter neu organisieren. Im Wortlaut definiert die Strategie „Quartier 2030“ Quartiere als:
„lebendige soziale Räume, in die Menschen sich einbringen, Verantwortung übernehmen und sich gegenseitig unterstützen. Die räumlichen Grenzen eines Quartiers sind somit nicht klar fixiert. Vielmehr ist es ein persönlich-räumlicher Bezugsrahmen, mit dem sich die Menschen identifizieren [...]. Ziel der Quartiersentwicklung ist es, den sozialen Lebensraum in den Nachbarschaften, Stadtvierteln, Dörfern und Gemeinden zu stärken und eine hohe Lebensqualität sowie Teilhabe für alle dort lebenden Menschen zu ermöglichen. Der Landesstrategie liegt ein ganzheitliches und zielgruppenübergreifendes Quartiersverständnis zugrunde: Dazu gehören bedarfsgerechte Wohn- und Nahversorgungsangebote und eine wohnortnahe Beratung genauso wie Begegnungsorte, eine tragende soziale Infrastruktur, eine gesundheitsförderliche Umgebung und ein wertschätzendes, von bürgerschaftlichem Engagement getragenes gesellschaftliches Umfeld“ (Quelle: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/soziales/quartier-2030/landesstrategie/ [Zugriff 22.10.2020]).
Fast hat es den Anschein, als ob hier ein Idealtyp des Quartiers umrissen wird, der von den Bewohnerinnen und Bewohnern gar nicht mehr verlassen werden muss, weil alle denkbaren Einrichtungen des Gemeinbedarfs vorhanden sind. Außerdem wird das Quartierverständnis aus den verschiedenen lebensweltlichen Bezügen, mit denen sich die Menschen identifizieren, abgeleitet, sodass es sowohl ein kurzer Straßenzug, eine kleine Nachbarschaft als auch ein umfassender Stadtteil sein kann. Mit dieser nicht eindeutigen und unscharfen Definition wird der Charakter des Quartiersbegriffs als „Black Box“ verstärkt: Der Begriff findet im Sprachgebrauch zwar häufig Verwendung, aber seine Inhalte und definitorischen Komponenten bleiben dabei im Allgemeinen im Dunkeln.
Im Folgenden soll der Quartiersbegriff daher transparent gemacht werden, damit er in der Praxis der Gemeinwesenarbeit, der Stadtplanung und des wohnungswirtschaftlichen Sozialmanagements differenzierter und tiefenschärfer als bisher genutzt werden kann.
1. Das Quartier – ein schillernder, aber unscharfer Begriff
In der Altstadt der Hansestadt Lübeck kann die ursprüngliche Bedeutung des Quartier-Begriffs nachvollzogen werden, der im Lateinischen den vierten Teil von etwas bezeichnete. Lübeck wurde bereits im 14. Jahrhundert aus verwaltungstechnischen Gründen in vier Zonen gegliedert; in jedem der Gebiete gab der Schutzpatron der jeweiligen Kirche dem Quartier den Namen. Sämtliche Häuser und Haushalte Lübecks waren eindeutig einem Quartier – und das hieß implizit auch: einer Parochie (Kirchengemeinde) – zugeordnet. Das Lübecker Quartierssystem hatte bis weit ins 19. Jahrhundert Bestand. Noch die um 1850 angebrachten – und bis heute vorhandenen – Straßenschilder nennen zusätzlich zum Straßennamen das Quartier. In anderen Städten prägten die Zünfte historische Quartiersbezeichnungen, wie zum Beispiel das Gerberviertel in Hannover verdeutlicht.
In Paris wurde im Jahr 2002 mit dem Gesetz „Conseil de Quartier“ jedes der 20 Arrondissements in jeweils 4 Quartiere – Quatre Quartiers – eingeteilt. Paris weist seitdem insgesamt 122 Quartiere auf, für die jeweils ein lokales Parlament gewählt wird. Die letzte Quartiersaufteilung der Stadt Bern fand im Jahr 2011 statt. Das traditionelle Maß, ein Gebiet in vier Quartiere aufzuteilen, spielte dabei keine Rolle mehr; denn in Bern wurden 114 Quartiere konstruiert, um neben die offizielle administrative großräumige Gebietseinteilung eine kleinteiligere Gliederung zu stellen. Ein Quartier besteht in Bern aus mehreren Kleinquartieren und geht über die Grenzen eines statistischen Bezirks hinaus, Stadtteilgrenzen werden aber nicht überschritten. Insgesamt gibt es 792 Kleinquartiere als kleinste Einheiten. Es ist eine Schweizer Tradition, dass es in jedem Quartier einen Quartiersverein gibt, der die Interessen der Bewohner:innenschaft gegenüber den kommunalen Behörden subsidiär vertritt und die soziale Kohäsion fördert.
In Deutschland repräsentiert der Quartier-Begriff eher ein informelles Bezugssystem, das sich nicht auf Grenzziehungen der Kommunalverwaltung bezieht (vgl. Schnur 2013: 26) – das wird besonders deutlich bei den Kölner „Veedel“. Als Stadtquartiere repräsentieren sie den wichtigsten „gefühlten“ Bezugsraum nach der Wohnung, stellen aber keine offizielle Verwaltungskategorie dar (Quelle: https://www.koeln.de/veedel/koelsche_veedel [Zugriff 02.12.2020]). Insofern stellt das Quartier unscharf die allgemeine Wohnumgebung dar und bildet das „Setting“, in dem die nachbarlichen Interaktionen wirksam werden können (vgl. Heinze et al. 2019: 19).
1.1 Lebenswelt und Sozialraum: Zum Fokus des Quartiers
Die unscharfe Verwendung des Begriffes resultiert in einigen Publikationen aus der Vorstellung einer subjektiven Quartiersdefinition, als ob jeder Mensch sein oder ihr eigenes Quartier habe (vgl. Schnur 2013: 31). Dieses Verständnis beruht auf dem klassischen Begriff der „Lebenswelt“, nach dem jede Person ihren individuellen Aktions- und Bezugsraum hat, und hängt mit der zunehmenden „Individualisierung“ zusammen, die sich am Ende des 20. Jahrhunderts – im Kontext gewandelter Lebenslagen und Biografiemuster – als „neuer Modus der Vergesellschaftung“ verbreitete (vgl. Beck 1986: 205ff.). Dieser Prozess hat sich inzwischen weiter zugespitzt, wie Andreas Reckwitz in seiner Publikation über „die Gesellschaft der Singularitäten“ formuliert (2017: 314ff.):
„In der Industriegesellschaft war das Wohnen vor allem ein Problem des social engineering. Wohnen hieß: Standardisierter Wohnungsbau für die Massen, sei es im Mehrfamilienhaus oder in der Serie von Einfamilienhäusern in der Vorstadt. Die Wohnorte und Wohnviertel waren grosso modo austauschbar, weshalb das Wohnviertel in der nivellierten Mittelstandsgesellschaft relativ wenig über die Bewohner aussagte. [...] Die Sorge der neuen Mittelklasse um das Wohnen umfasst [...] zwei Aspekte: den Ort des Wohnens und die Gestaltung der Wohnung. In beiden Hinsichten wird das Wohnen kulturalisiert und singularisiert. Der Wohnort ist zu einer Frage des besonderen kulturellen Wertes und damit auch des sozialen Prestiges geworden [...]. Dass Wohnorte und -viertel nicht mehr austauschbar sind, sondern ihnen gesellschaftlich jeweils ein besonderer Wert zugeschrieben oder abgesprochen wird, ist entscheidend für die globale, nationale, regionale und lokale Geografie der Spätmoderne. Orte sind zum Gegenstand einer gesellschaftlichen Valorisierungsdynamik geworden. So haben Stadtviertel ihr jeweils eigenes Image, werden mit spezifischen Eigenschaften assoziiert, und das Leben in ihnen wird entsprechend als unterschiedlich empfunden. [...] Das Erleben von Urbanität – die Lebendigkeit des mixed use der gewachsenen Viertel [...] erscheint als zentrales Kennzeichen solcher von der Akademikerklasse als authentisch zertifizierten Viertel.“
Die Tendenz von der Individualisierung zur Singularisierung im Alltagsleben der Bewohnerinnen und Bewohner strahlt auf den Raum als „identifizierbare Orte (places)“ ab; es handelt sich quasi um einen „neuen Urbanismus“, durch den auch der Stadtraum singularisiert und emotional aufgeladen wird (vgl. ebd.: 385f.). Das relationale Verständnis eines Quartiers als persönlicher, lebensweltlicher Bezugsrahmen, mit dem sich die Menschen identifizieren, und der keine eindeutigen räumlichen Grenzen aufweist, liegt auch der zuvor zitierten baden-württembergischen Zukunftsstrategie „Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten.“ zu Grunde. Für die Praxis der Gemeinwesenarbeit, der Stadtplanung und des wohnungswirtschaftlichen Sozialmanagements ist dieses Verständnis allerdings nur eingeschränkt geeignet, weil es sich in der Beliebigkeit individueller Perspektiven verlieren kann.
Geeigneter als der Bezug zu den Lebenswelten erscheint deshalb eine Verbindung zum Begriff des „Sozialraums“, der im amerikanischen Original der Humanökologie die beiden Komponenten einer Natural Area und einer Cultural Area integriert (vgl. Riege/Schubert 2016). In dem geografisch abgrenzbaren Gebiet der Natural Area finden soziale Beziehungen und Nutzungen – quasi als zweite Schicht der Cultural Area – statt. In dieser Herangehensweise werden das absolute und das relationale Raumverständnis in eine Balance gebracht. Um den Quartiersbegriff operational für gemeinwesenorientierte, wohnungswirtschaftliche und städtebauliche Strategien zu erfassen, wird einerseits das absolute Raumverständnis gebraucht, in dem physische Abgrenzungen möglich sind und materielle Raumstrukturen als Rahmen anerkannt werden können. Andererseits hilft das relationale Raumverständnis, an die internen sozialen Prozesse in einem als Quartier abgegrenzten Gebiet anzuschließen. Dazu gehören beispielsweise: die Raumproduktion durch professionelle, aber auch informelle Planungen, die sich daraus ergebenden sozialen Nutzungsmuster sowie die soziale Kohäsion der Beziehungsgefüge.
Es lohnt sich, dazu in den Klassiker „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ zu schauen, den Jane Jacobs (1963) veröffentlicht hatte. Der dort verwendete Originalbegriff der „Neighborhood“ wird in der deutschen Übersetzung fälschlicherweise als „Nachbarschaft“ übersetzt. Angemessener ist es, die Neighborhood als Wohn- und Stadtviertel, als das Gebiet einer Stadt, das jemandes Wohnung umgibt, zu verstehen. Die Neighborhood entspricht somit dem Gebiet des Quartiers, d. h. der „Hood“, die eine – physisch eindeutig definierte – „Haube“ um eine sozial verbundene Figuration der Bewohner:innenschaft herum bildet und weniger das deutsche Verständnis der nah beieinander wohnenden Nachbarn beinhaltet.
1.2 Quartiersbezeichnung als Sozialmarketing
Der persönlich-lebensweltlichen Konstruktion eines Quartieres von innen aus der subjektiven Erfahrungsperspektive heraus steht die zuschreibende Konstruktion von außen gegenüber. Quartiere physisch aus einer Außenperspektive zu kennzeichnen, ist neuerdings vor allem als Marketingstrategie in der Wohnungswirtschaft verbreitet, indem neu gebaute Ensembles mit dem Etikett einer Quartiersbezeichnung vermarktet werden. In Immobilienunternehmen ist es deshalb verbreitet, die Identität neuer Quartiere vorab „auf einem leeren Blatt“ zu entwerfen (vgl. Schiller 2021: 11). In einem gemeinwesenorientierten Verständnis handelt es sich um ein Sozialmarketing und das heißt, dass die Wohnungswirtschaft dem Quartier einen Namen gibt und infrastrukturelle Leistungen bereitstellt, die die Identifikation und das Sicherheitsgefühl der Bewohner:innenschaft stärken. Dies ist Teil eines „Neighbourhood Branding“, mit dem das Image eines Quartiers verbessert und die Sicherheitswahrnehmung positiv beeinflusst werden soll (vgl. Reicher 2013: 200; Zimmer-Hegmann/Fasselt 2006: 205).
Das Quartier „Knieper Nord“ in Stralsund stellt ein typisches Beispiel dar (vgl. Abbildung 1): Die Zuschreibung eines Quartiersnamens wie „Knieper Nord“ im kleineren Maßstab und in Hannover „Kronsrode“ (im Rahmen der Erweiterung der Kronsbergsiedlung) oder „Wasserstadt“ (im Rahmen der Neubebauung einer am Kanal gelegenen Industriebrache) in einem größeren Maßstab wird von der Bewohner:innenschaft, aber auch von der Wohnbevölkerung der umliegenden Siedlungszusammenhänge in den Kommunikations- und Nutzungsalltag übertragen und dabei sukzessive verinnerlicht. Schon die Straßennamen können als „Marke“ wirken, wie es beispielsweise beim „Komponistenviertel“ der Fall ist.
Neitzel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Portfolio-Management der Wohnungsunternehmen, das traditionell auf das einzelne Gebäude fokussiert war, inzwischen auf die Quartiersebene ausgedehnt wurde, um – unter den Perspektiven der nachhaltigen Vermietbarkeit von Wohnungen – die Wechselbeziehungen zwischen benachbarten Gebäuden eines Quartierensembles zu berücksichtigen (vgl. 2013: 181f.). Dass das Quartier inzwischen als „Unique Selling Point“ (Alleinstellungsmerkmal) für die Vermietung von Wohnungsbeständen gelten kann, unterstreicht nicht zuletzt die bereits zitierte Singularitätsthese von Reckwitz. Laut Kundenbindungsanalysen der Wohnungswirtschaft werden Marketingstrategien auf das Quartier ausgedehnt, weil seine Bedeutung aus Sicht der Bewohner:innenschaft zugenommen hat und die Qualitäten des Wohnumfeldes aus der Nutzungsperspektive heute höher bewertet werden (vgl. ebd.: 185).
Abbildung 1: Das Quartier „Knieper Nord“ in Stralsund, Quelle: Autor.
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1.3 Bedeutung des Stadtquartiers im aktuellen Städtebau
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) beobachtet seit dem Jahr 2004, wie sich der Bau neuer Stadtquartiere – im Kontext des Drucks auf den lokalen Wohnungsmärkten – entwickelt. Franziska Bensch berichtet, dass nach den Ergebnissen einer Kommunalbefragung im Laufe der beiden letzten Dekaden insgesamt 226 neue Stadtquartiere in Deutschland – mit durchschnittlich 986 Wohnungen auf einer Fläche von rund 38 ha – geschaffen wurden (vgl. 2020: 8). Als charakteristische Merkmale werden genannt: der Bau nach 1990, ein Umfang von mehr als 500 Wohneinheiten bzw. mehr als eintausend Einwohner und das Vorliegen einer einheitlichen städtebaulichen Konzeption“ (ebd.). Eine Fortsetzung dieser dynamischen Entwicklung wird auch in den kommenden Jahren erwartet: Im Jahr 2020 wies die BBSR-Datenbank 85 Quartiere auf, die bereits im Bau sind, und weitere 94 Stadtquartiere, die sich noch im Planungsprozess befinden (vgl. ebd.: 10). Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass Siedlungen, denen eine einheitliche städtebauliche Quartierskonzeption zugrunde liegt und für die im Rahmen des Marketings bereits eine Quartiersbezeichnung verwendet wird, aktuell in vielen Städten entstehen.
1.4 Quartiersstrategien gegen soziale Benachteiligung und für eine Aufwertung – das Beispiel Niedersachsen
Im politischen Diskurs findet der Quartiersbegriff vor allem unter zwei Perspektiven Verwendung: einerseits im Kontext von sozialer Gerechtigkeit gegen Benachteiligung und andererseits zur Aufwertung von Quartieren. Exemplarisch kann das am Bundesland Niedersachsen verdeutlicht werden.
Zur ersten Strategie führt das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) seit dem Jahr 2017 den Wettbewerb „Gemeinwesenarbeit und Quartiersmanagement“ mit dem Ziel durch, benachteiligte Wohnquartiere zu stärken – im Jahr 2020 bereits zum vierten Mal. Seit 2019 läuft dieser Wettbewerb unter dem Etikett „Gute Nachbarschaft“. In den größeren Städten und in den Mittelstädten seien viele Wohnquartiere benachteiligt – sie stünden angesichts der hohen Zuwanderung und der Auswirkungen des demografischen Wandels vor besonderen sozialen und integrativen Herausforderungen. Der Politikansatz möchte im Kern bewirken, dass ein Quartier eine Qualität gewinnt, die die Integration fördert und auch Selbsthilfe sowie Eigenarbeit entfaltet.Es werden Maßnahmen unterstützt, mit denen die betroffenen Quartiere im Rahmen einer fachbereichsübergreifenden und integrierten Vorgehensweise sowie unter maßgeblicher Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner positiv weiterentwickelt werden können.Eine Servicestelle bei der LAG Soziale Brennpunkte Niedersachsen e. V. in Hannover begleitet das Programm. (vgl. https://www.gwa-nds.de/wohnquartiere-staerken-integration-und-teilhabe-foerdern [Zugriff 25.11.2020]).
Laut der MU-Pressemitteilung Nr. 20/2019 werden lokale Projekte gefördert, die die Integration und Teilhabe in Wohnquartieren unterstützen und Räume für soziale Begegnungen schaffen. Auch integrative Handlungsansätze, die die Gemeinwesenarbeit mit der Quartiersentwicklung verknüpfen, werden gefördert. (vgl. https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/wettbewerb-gute-nachbarschaft-2019-startet--174527.html [Zugriff 25.11.2020]).
Im Landesprogramm „Gemeinwesenarbeit und Quartiersmanagement“ wird ein Quartier als „sozialräumlich abgegrenztes Projektgebiet“ definiert. In kleineren Städten und Dörfern im ländlichen Raum können mehrere überschaubare Ortsteile zu einem Sozialraum zusammengefasst werden. (vgl. https://www.gwa-nds.de/3-was-wird-gefoerdert [Zugriff 25.11.2020]). In der Antragstellung sollen die Kommunen das Quartier im Rahmen eines Kartenausschnitts, einer Straßenliste unter Darstellung der Grenzen und der Größe der Fläche genau darstellen. Es sollen auch Angaben zur Anzahl der Bewohner:innenschaft und zur Nutzungsstruktur gemacht werden. Das Landesprogramm versteht ein Quartier als baulich-stadträumliche – und teilweise entstehungsgeschichtliche – Einheit, deren kleinteilige Struktur und Überschaubarkeit aus der Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner den Rahmen für die Identifikation mit der Stadt und für deren Weiterentwicklung bildet. Mit den Ansätzen der Gemeinwesenarbeit wird eine präventive Strategie verfolgt (im Sinn sekundärer Prävention).
Parallel gibt es in Niedersachsen noch den „Investitionspakt Soziale Integration im Quartier“, der eine Zusatzkomponente der Städtebauförderung darstellt. Diese Mittel stehen für Investitionen in Gemeinbedarfseinrichtungen in Quartieren zur Verfügung, in denen wegen eines bereits festgestellten Handlungsbedarfs eine interventive Strategie notwendig ist (im Sinn tertiärer Prävention). Die Finanzmittel gibt der Bund dem Land Niedersachsen aus dem Programmbereich „Investitionspakt Soziale Integration im Quartier“ für Quartiere, die in Programme der Städtebauförderung von Bund und Land aufgenommen sind und deren soziale Infrastruktur die Funktionen der sozialen Integration und des sozialen Zusammenhalts nicht (mehr) erfüllen können. Als förderfähig gelten die bauliche Sanierung und der Aus- bzw. Neubau von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen (Gebäude, Anlagen, Grün- und Freiflächen), insbesondere Kindertagesstätten, Schulen, Kultur- und Bildungszentren, Bürgerzentren, Jugend- und Quartierstreffs, Begegnungszentren sowie Sport- und Grünflächen. (vgl. https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/themen/bauen_amp_wohnen/stadtebauforderung/investitionspakt_soziale_integration_im_quartier/investitionspakt-soziale-integration-im-quartier-150848.html [Zugriff 25.11.2020] – Der Bund beteiligt sich mit 75 Prozent, das Land Niedersachsen mit 15 Prozent und die Kommunen mit 10 Prozent an den förderfähigen Kosten).
Der Investitionspakt knüpft mit folgenden Zielen an die Systematik der Städtebauförderung an:
- Schaffung von Orten der Integration und des sozialen Zusammenhalts im Quartier;
- Qualifizierung von Einrichtungen der unmittelbaren und mittelbaren öffentlichen sozialen Infrastruktur, auch durch die Herstellung von Barrierefreiheit;
- Errichtung, Erhalt, Ausbau und Weiterqualifizierung von Grün- und Freiflächen;
- Beitrag zur Quartiersentwicklung durch Verbesserung der baukulturellen Qualität.
Neben der städtebaupolitischen und gemeinwesenorientierten Strategie des Landes Niedersachsen verdienen die Ansätze des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen e. V. (vdw) Beachtung. Beispielsweise wurde die Handlungshilfe „Wie geht Quartier?“ für das Sozialmanagement im Quartier entwickelt und mit zahlreichen Beispielen veranschaulicht (vgl. vdw 2017). Der Verband versucht eine Balance zu finden: Was unter einem Quartier zu verstehen ist, sei einerseits immer abhängig vom jeweiligen Betrachter, weil sich die Aktionsradien von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen deutlich unterscheiden; andererseits sei der – über eine Wohneinheit oder ein Gebäudeensemble hinausreichende – Sozialraumbezug das entscheidende Kriterium; und drittens dürfe das Quartier nicht als Insel aus seinem Umweltkontext herausgelöst werden. Bei der Bestimmung der Grenzen eines Quartiers seien folglich sowohl bauliche und räumliche Kriterien als auch soziale, kulturelle und milieubedingte Faktoren zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 10). In der Verbindung von Lebenswelt und Sozialraum repräsentiert ein Quartier sowohl räumliche als auch soziale Komponenten und zugleich muss es sowohl als eigenständiger geografischer Planungsraum als auch als jeweils individuell unterschiedlicher Handlungsraum methodisch differenziert werden – beispielsweise hinsichtlich: Wohnen, Versorgung, Verkehr, Aufenthalt und Begegnung. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen e. V., in die Quartiersanalyse und in die Einteilung von Quartieren die geografischen Grenzen (durch Flüsse, Grünflächen, Verkehrsadern), die Bebauungsstruktur und den Siedlungscharakter, aber auch die Versorgungsinfrastruktur und die demografischen Kennzeichen der Bewohner:innenschaft einzubeziehen (vgl. ebd.: 11).
Das Sozialmanagement spielt eine Schlüsselrolle im wohnungswirtschaftlichen Quartiersansatz (vgl. ebd.: 13): So bieten Wohnungsunternehmen den Kindern von Mieterhaushalten die Möglichkeit, die formale Schulbildung durch informelle Bildungsangebote zu ergänzen. Im Quartier finden Kinder und Jugendliche außerschulische Ansprechpartner der Sozialen Arbeit vor, die nicht an öffentliche Einrichtungen (wie das Jugendamt der Kommune) gebunden sind, sondern vom Wohnungsunternehmen gestellt werden. Darüber hinaus werden Freizeitangebote von Ehrenamtlichen zielgruppenorientiert, generationenübergreifend und interkulturell ausgerichtet organisiert. Auch die Mobilitätsoptimierung ist auf der Quartiersebene ein wohnungswirtschaftliches Thema, wenn sich etwa ein Wohnungsunternehmen um die Verlegung einer Bushaltestelle und die Aufstellung eines Unterstandes an der Haltestelle, um barrierefreie Zuwege, um die Anpassung der Stellplatzsituation oder um die Präventionsarbeit zur Kriminalitätsbekämpfung im Quartier kümmert. Durch das wohnungswirtschaftliche Sozialmanagement soll verhindert werden, dass einzelne Lebenslagen an den Rand gedrängt werden – von Menschen mit Behinderungen bis zu Menschen mit einem unterschiedlichen religiösen oder kulturellen Hintergrund sollen alle in die „Quartiersgemeinschaft“ integriert werden. Der vdw hebt als unmittelbaren Nutzen der guten Vernetzung zwischen Mietern, Vermietern, Institutionen und ehrenamtlichem Engagement im Rahmen der Quartiersorientierung erstens einen Rückgang der Nachbarschaftsstreitigkeiten hervor und zweitens die Vermeidung einer Isolation alleinstehender Personen (vgl. ebd.: 14). In einem erweiterten Netzwerk werden Träger, Einrichtungen und Akteure auch außerhalb des Quartiers zu übergreifenden Themen strategisch verbunden (ebd.: 15):
„Die Zusammenarbeit mit der Kommune spielt im Quartier eine große Rolle. Seitens der Kommune können Impulse gesetzt werden, um gemeinsam mit allen Akteuren alters- und generationenübergreifende Konzepte für die Stadtquartiere der Zukunft zu entwickeln. Erforderlich ist ein interdisziplinäres Denken in allen Bereichen. Wohnungswirtschaftliche, städtebauliche und soziale Aufgaben müssen zusammengedacht werden und eine frühzeitige Einbindung aller Beteiligten in Prozesse und ämterübergreifende Planung stattfinden.“
Insgesamt soll durch fachbereichsübergreifende und integrierte Kooperationen im Quartier sozialer Benachteiligung vorgebeugt werden. Zugleich sollen die Bewohnerinnen und die Bewohner zur Teilhabe und Verantwortungsübernahme in Prozessen vor Ort angeregt werden.
Die zweite Strategie einer Aufwertung von Quartieren orientiert sich am Modell der Business Improvement Districts (BID), das in den USA und in Kanada seit den 1970er Jahren verbreitet ist, um den Niedergang innerstädtischer Geschäftsviertel aufzufangen. Nach dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte aus dem Jahr 2006 ermöglicht der § 171f. BauGB, in Quartieren „Private Initiativen zur Stadtentwicklung“ zuzulassen, um städtebauliche Missstände zu beheben – es heißt dort: „Nach Maßgabe des Landesrechts können [...] Gebiete festgelegt werden, in denen in privater Verantwortung standortbezogene Maßnahmen durchgeführt werden, die auf der Grundlage eines mit den städtebaulichen Zielen der Gemeinde abgestimmten Konzepts der Stärkung oder Entwicklung von Bereichen der Innenstädte, Stadtteilzentren, Wohnquartiere und Gewerbezentren sowie von sonstigen für die städtebauliche Entwicklung bedeutsamen Bereichen dienen“. Elf Bundesländer haben auf dieser Grundlage eigene BID-Gesetze verabschiedet (vgl. http://www.urban-improvement-districts.de/?q=BID/Gesetze [Zugriff 27.05.2021]).
Im Jahr 2021 wurde der Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Stärkung der Quartiere durch private Initiativen verabschiedet (Niedersächsisches Quartiersgesetz – NQG): Ziel des Gesetzes ist es laut § 1 NQG, „zur Stärkung und Entwicklung städtebaulich bedeutsamer Bereiche im Gemeindegebiet die gemeinsame, eigenverantwortliche Durchführung von quartiersbezogenen Aufwertungsmaßnahmen durch private Initiativen (Quartiersgemeinschaften) zu fördern“. Die Quartiersgemeinschaft stellt einen Zusammenschluss von Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern, Erbbauberechtigten, Bewohnerinnen und Bewohnern, Gewerbetreibenden, freiberuflich Tätigen und anderen an der Entwicklung des Quartiers interessierten Personen dar. Sie beantragt bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung, einen für die städtebauliche Entwicklung bedeutsamen Bereich als Quartier festzulegen und eine Quartierssatzung zu erlassen. Zur Finanzierung der quartiersbezogenen Aufwertungsmaßnahmen erhebt die Gemeinde eine grundstücksbezogene Abgabe. Mit den Aufwertungsmaßnahmen werden sowohl die Attraktivität des Quartiers gesteigert als auch dessen Funktionen gestärkt. Es geht um bauliche Maßnahmen zur Verbesserung des öffentlichen Raums oder des Wohnumfeldes, Baumaßnahmen an oder in Gebäuden, Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, Maßnahmen zur Verbesserung der Sauberkeit oder Sicherheit, Unterstützung bei der Bewirtschaftung von Grundstücken, Leerstandsmanagement, Einrichtung von Coworking-Räumen und Werbemaßnahmen, Marketing und Veranstaltungen (vgl. https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_07500/06001-06500/18-06158.pdf [Zugriff 27.05.2021]).
Während ein einzelnes Unternehmen oder ein Bewohnerhaushalt allein die Abwärtsspirale eines Quartiers nicht aufhalten können, ist der Verbund einer Quartiersgemeinschaft dazu in der Lage – vorausgesetzt, der Antrag auf Erlass einer Quartierssatzung wird von mindestens 15 Prozent der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern unterstützt (wobei die Gesamtfläche dieser Grundstücke mindestens 15 Prozent der Gesamtgrundstücksfläche im Quartier betragen muss).
1.5 Quartier als Fuzzy Concept
Beim Blick auf die Praxis der Verwendung des Quartierbegriffs zeigt sich eine große Vielfalt an Konstruktionen. Wie bereits skizziert werden sie entweder aus einer persönlich-lebensweltlichen Perspektive oder aus einer gebietsbezogenen Merkmalslogik oder aus einer externen Vermarktungslogik heraus entwickelt. Das – hier nur grob umrissene – Spektrum unterstreicht, dass es „das“ Quartier nicht gibt. Nach Olaf Schnur liegt dem Begriff des Quartiers ein „Fuzzy Concept“ zugrunde (2013: 31):
„Ein Quartier ist ein kontextuell eingebetteter, durch externe und interne Handlungen sozial konstruierter, jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-Ort alltäglicher Lebenswelten und individueller sozialer Sphären, deren Schnittmengen sich im räumlich-identifikatorischen Zusammenhang eines überschaubaren Wohnumfelds abbilden“.
Die Quartiersgröße kann in der Folge sehr variabel ausfallen – als Größenkriterium gilt allein die Überschaubarkeit. Nach der Fuzzy-Logik handelt es sich um eine „unscharfe Menge“, weil es Überlappungen zwischen Quartiers-Grenzräumen geben kann, also Bewohnerinnen und Bewohner Straßenzüge sowohl dem eigenen als auch dem benachbarten Quartier zurechnen können (vgl. ebd.: 32).
George Galster betont, dass ein Quartier neben der geografischen Markierung der physischen und symbolischen Grenzen – als Umfeld des persönlichen Zuhauses der Bewohnerinnen und Bewohner – auch von Strukturmerkmalen geprägt wird – exemplarisch führt er dazu auf (vgl. 2019: 33ff.):
- Die räumlichen Attribute werden von Typen, Größen. Materialen, Design und Erhaltungszustand der Wohn- und Nichtwohngebäude sowie von der Landschaftsgestaltung und dem Straßenbild geprägt.
- Genauso bedeutsam sind in der Wahrnehmung soziale Attribute wie die Altersverteilung, die Zusammensetzung der Haushaltsgrößen, der ökonomische Klassenstatus sowie ethnische und religiöse Merkmale der Bewohner:innenschaft.
- Unter einer weiteren Perspektive sind Attribute der öffentlichen Versorgung mit Kindertagesstätten, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Parks und Sicherheitskräften der Polizei sowie die Erreichbarkeit von Einzelhandelsgeschäften und Arbeitsorten für die Einordnung eines Quartiers bedeutsam – nicht zuletzt das Vorhandensein politischer Netzwerke, über die Bewohnerinnen und Bewohner direkt – oder indirekt über gewählte Vertretungen – Einfluss auf die Stadtpolitik nehmen können.
- Eine Rolle spielen auch Merkmale der sozialen Kohäsion, die einen Ausdruck findet in den informellen Netzwerken der Bewohner:innenschaft, im Vertrauen zwischen den Nachbarn, die Art und Qualität von Vereinen sowie gemeinsame Institutionen wie beispielsweise Feste.
- Schließlich sind noch emotionale Aspekte wie historische Bausubstanz und andere die Raumbindung stärkende Faktoren zu nennen.
Im Ergebnis betont Galster, dass sich ein Quartier oftmals nicht eindeutig abgrenzen lässt, weil die genannten Bündel von Attributen eines Quartiers in der räumlichen Hierarchie nach unterschiedlichen Größenordnungen verschachtelt sind (vgl. ebd.: 37).
Statt einen einheitlichen Quartiersbegriff anzustreben, scheint es somit sinnvoller zu sein, eine Bandbreite von Quartiersmustern aufzuzeigen, die sowohl empirisch abgeleitet als auch normativ gebildet werden können. In der empirischen Annäherung können räumliche Strukturbilder verschiedener Größenordnung differenziert werden, die ein Namensetikett tragen, das die Raumvorstellung der Bewohner:innenschaft prägt. Normativ verschafft sich eine interdisziplinär geprägte Quartiersvorstellung Geltung, die einerseits eine spezifische Infrastrukturausstattung und andererseits eine Nutzungsmischung voraussetzt, um ein Siedlungsgebiet als Quartier bezeichnen zu können.
2. Exkurs: Vorläuferperspektiven auf das Quartier am Ende des 20. Jahrhunderts
In einer Expertise versuchten Rohr-Zänker und Müller schon vor mehr als 20 Jahren zu klären, welche Bedeutung Nachbarschaften für Quartiere haben. Eines ihrer Ergebnisse betonte, dass die Stabilität von Quartieren besonders von leistungsfähigen Mischstrukturen abhängt. Heterogene Quartiere weisen größere Integrationspotenziale auf als homogene Quartiere: Die homogene Siedlung fördere stärker eine Gemeinschaftsbildung, was die Gefahr der Herausbildung von Parallelgesellschaften beinhalte, deren lokale Identität zu einer Abgrenzung von Quartieren im Umfeld führen kann (vgl. Rohr-Zänker/Müller 1998: 5).
2.1 Faktoren für die Identifikation mit dem Wohnquartier
Laut der Expertise gibt es mehrere Beziehungsebenen von nachbarlichen Kontakten im Wohnquartier, die dazu führen können, dass die Bewohnerinnen und Bewohner sich dort wohl fühlen: Auf der Basisebene werden die Identifikation und das Sicherheitsgefühl durch die entspannten Umgangsformen bei den alltäglichen Begegnungen gestärkt; auf der nächsten Ebene der Gegenseitigkeit sorgt dafür die Verlässlichkeit von Hilfeleistungen – wie etwa die Annahme von Paketlieferungen – durch vertrauenswürdige Personen aus der unmittelbaren Nachbarschaft; und auf einer weiteren Ebene bieten intensivere Beziehungen im weiteren Wohnquartier, die auf Sympathie und gemeinsamen Interessen beruhen, emotionalen Rückhalt und weiterreichende Hilfeangebote (vgl. ebd.: 45).
Als Impulsgeber für die Identifikation mit dem Wohnquartier identifizierten Rohr-Zänker und Müller mehrere Faktoren (vgl. ebd.: 46ff.): (1) Die „baulich-räumliche Struktur“ erleichtere die Identifikation mit dem Quartier, den Aufenthalt im öffentlichen Raum, die Aneignung des Wohnumfeldes und schaffe damit die Voraussetzungen, dass sich ein Nachbarschaftsnetzwerk entwickeln kann. Die Architektur der Gebäude, die Raumstruktur, die Nutzbarkeit und Gestaltbarkeit von Freiflächen bilden dafür eine wichtige Grundlage. (2) Die Qualität der „Versorgung mit Waren und Diensten“ unterstütze die Alltagsorganisation der Bewohnerinnen und Bewohner. Außerdem bieten Orte wie der Lebensmittelladen, die Verkaufsstelle der Bäckerei oder ein Kiosk Gelegenheiten für zufällige Treffen, die für den informellen Informationsaustausch unter Bekannten genutzt werden. (3) Auch soziale Angebote und bewohnerorientierte Einrichtungen der „Gemeinwesenarbeit“ geben Impulse für Kontakte und für das Knüpfen nachbarlicher Netzwerke. Die Netzwerke werden durch Gemeinschaftseinrichtungen – mit Räumen für Gruppentreffen, Werkstätten und ähnliches gestärkt. (4) Einen weiteren Faktor stelle auch die „Bewohnerstruktur“ dar. Die soziale Mischung eines Wohnquartiers sei so anzulegen, dass von Ausgrenzung oder Vereinzelung bedrohte Personen sozial integriert werden und dass eine räumliche Segregation sozial benachteiligter Gruppen vermieden wird. Als Voraussetzung gilt die Sesshaftigkeit eines großen Anteils der Bewohnerinnen und Bewohner sowie eine Bindung zum Quartier, die Verantwortungsübernahme und soziale Kontrolle fördert. (5) Schließlich werden noch die „Selbstverwaltung und Mitbestimmung“ genannt, weil gemeinschaftliche Zuständigkeiten das Wir-Gefühl im Quartier stärken. Die interessengeleitete Steuerung durch Quartiersnetzwerke – in Kooperation mit kommunalen und zivilgesellschaftlichen Akteuren – wurde im Laufe der vergangenen Jahrzehnte im Diskurs über „Local Governance“ bzw. „Quartiers-Governance“ aufgegriffen (vgl. Schnur 2013: 24).
Im Ergebnis ist eine Interdependenz zwischen dem absoluten und relationalen Raumverständnis zu erkennen. Denn die baulich-räumliche Ausgestaltung einer kleinteilig-überschaubar gestalteten Siedlungsstruktur mit einer klaren Zonierung des Wohnumfeldes, einer menschlichen Maßstäblichkeit sowie fußläufig zu bewältigenden Entfernungen hat nach der Expertise von Rohr-Zänker und Müller eine große Bedeutung für die Herausbildung einer nachbarlichen Quartierskultur. In aneignungsfähigen physischen Siedlungsstrukturen entstehen nachbarliche Beziehungsnetze und eine Identifikation der Bewohner:innenschaft mit dem Quartier. In diesem Zusammenhang wird auf das Leitbild des „New Urbanism“ verwiesen: Es entstand am Ende des 20. Jahrhunderts in den USA und stellt die Schaffung gemischt genutzter Quartiere mit einer verdichteten Bauweise, kleinen Grundstücken, einer heterogenen Zusammensetzung der Bevölkerung, einem nachbarlichen Zusammenhang, einem Quartierskern als Mittelpunkt sowie Arbeitsplätzen und Versorgungseinrichtungen in fußläufiger Entfernung besonders heraus (vgl. Atlas 2013: 406). Das Quartier wird schon in diesen nordamerikanischen Vorläufern zur grundlegenden Planungseinheit erklärt (vgl. Katz 1994):
Die Quartiere „bilden identifizierbare Gebiete, die ihre Bürger ermutigen, sich für ihre Erhaltung und Entwicklung verantwortlich zu fühlen. Sie haben ein Zentrum und deutliche Grenzen nach außen. Ihre räumliche Ausdehnung entspricht einem 5-minütigen Fußweg vom Rand zum Zentrum. Die Nachbarschaft ist gemischt genutzt und bietet Wohnraum für unterschiedliche soziale Gruppen. Gebäude sollen verschiedenen Zwecken dienen, im Maßstab aber vergleichbar sein. Dies sollte durch einen architektonischen Code für jede Nachbarschaft unterstützt werden“ (vgl. Rohr-Zänker/Müller 1998: 41).
2.2 Bahrdts Modell des Wohnquartiers der 1970er Jahre
Die lange Tradition, sich mit dem Thema „Wohnquartier“ auseinanderzusetzen, verdeutlicht auch die Publikation „Humaner Städtebau“ von Hans Paul Bahrdt aus dem Jahr 1973. Er weist darin die Gemeinschaftsideologie des deutschen Nachbarschaftsbegriffs zurück, weil sie den großstädtischen Wohnverhältnissen nicht entspreche (vgl. Bahrdt 1973: 101ff.). Unter Bezugnahme auf Jane Jacobs präferiert Bahrdt das Konzept des Wohnquartiers als „kleinräumige, beschauliche Öffentlichkeit des Alltags“, die von einer relativen Anonymität und Funktionsmischung gekennzeichnet ist, so dass sich im Rahmen der Quartierskontakte im Umfeld von Parks, Plätzen, Einkaufsgelegenheiten und Fußwegen „öffentliche Beziehungen“ herausbilden können (vgl. ebd.: 114ff.). Bahrdts Typologie von Quartiersmodellen beschränkt sich auf wenige Idealkonstruktionen: das nutzungsgemischte Wohnquartier, das Gewerbequartier, das City-Quartier; als weitere „Mischquartierstypen“ skizziert er das Universitätsviertel, das Hafenviertel und das Klinikviertel (vgl. 1973: 158f.).
Als Schlüsselelement hebt Bahrdt die Mischung der Quartiersbevölkerung hervor: dafür setze das Wohnungsgemenge eines Quartiers zuerst eine „Vielfalt an Wohnungstypen“ voraus, damit Wohnraum für unterschiedliche Lebenssituationen von Jung bis Alt sowie für verschiedene Haushaltsgrößen vorhanden ist (vgl. ebd.: 120f.). Außerdem müssen die bauliche Struktur und das Gebäudealter heterogen sein, damit sich unterschiedliche soziale Schichten im Quartier ansiedeln können (vgl. ebd.: 128). Daher sollen Neubauquartiere nicht „auf einen Schlag entstehen“, sondern ihre Gestalt im Rahmen verschiedener Bauperioden prozessartig ausformen (vgl. ebd.: 138f.).
Nach Hans Paul Bahrdt spielt die Einwohner:innenzahl in gemischten Quartieren eine zentrale Rolle; denn nur innerhalb eines bestimmten quantitativen Rahmens erweisen sich ein Quartierszentrum mit Einrichtungen des Einzelhandels und des Gemeinbedarfs sowie der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr als tragfähig (vgl. ebd.: 139ff.). Geografisch solle es eine Form aufweisen, deren Kanten bis zu 2 km lang sein können (vgl. ebd.: 143).
3. Typologie von Quartiersmustern
Zu Beginn wurde auf die Absicht verwiesen, den Quartiersbegriff aus der Black Box zu holen, damit er in der Praxis der Gemeinwesenarbeit, der Stadtplanung und des wohnungswirtschaftlichen Sozialmanagements differenzierter und tiefenschärfer Verwendung finden kann. Das relationale Raumverständnis reicht dafür allein nicht aus; denn nicht zuletzt aus (städte-) baulicher Sicht muss auch die traditionelle absolute Perspektive des Raums in der Quartiersdefinition berücksichtigt werden:
Nach der Theorie des Städtebaus (von Dieter Frick, zitiert nach Meisel 2013: 47) ist ein Quartier „eine soziale und baulich-räumliche Gebietseinheit mittlerer Maßstabsebene, die sich innerhalb bebauter städtischer Gebiete von außen oder von innen her abgrenzen lässt, sich von den umgebenden Siedlungsteilen unterscheidet und eine spezifische Qualität und Identität aufweist“.
So betrachtet stellt das Wohnquartier nur einen möglichen Typus neben anderen dar – wie zum Beispiel: Produktionsquartier, Handelsquartier, Gewerbequartier, Verwaltungsquartier oder gemischtes Quartier.
3.1 Bestands-, Neubau- und Erneuerungsquartier
Grundsätzlich lässt sich ein Quartier danach unterscheiden, ob es sich um ein Bestands- oder ein Neubauquartier – also um einen gealterten Gebäudebestand (evtl. mit einem Modernisierungsbedarf) oder um die Neuplanung baulich-physischer Strukturen – handelt (vgl. Meisel 2013: 52). Im Blickpunkt einer Bewertung von Neubauquartieren stehen sowohl die Gestaltung des öffentlichen Raumes als auch von Raumabschnitten, die unterschiedlichen Grade der Zugänglichkeit in das Quartier, die Bebauungsdichten, Bauformen und Sichtbeziehungen und nicht zuletzt die Verknüpfung verschiedener Nutzungsarten.
Für Bestandsquartiere führt Meisel vier typologische Differenzierungsebenen auf (vgl. ebd.: 55): erstens die gestalterische und baulich-physische Umsetzung von städtebaulichen Prinzipien; zweitens die Eigentümer- sowie Bewohnerstruktur und die Nutzungsmöglichkeiten; drittens die Anordnung der Gebäude und viertens der Erhaltungszustand der Gebäude. Als Schlüsselfrage wird aufgeworfen, welche Nutzungen und gesellschaftlichen Funktionen in Quartieren über das Wohnen hinaus – von Erholung über Bildung und Verkehr bis hin zur Versorgung mit Gütern und zur Entsorgung von Abfällen – gewährleistet werden sollen (vgl. ebd.: 60).
Bestandsquartiere können auch den Status von Erneuerungsquartieren annehmen. Im Rahmen der sozialen Stadterneuerung liegt oft ein „Quartiersentwicklungskonzept“ zugrunde, um sowohl die soziale als auch die physische Situation in einem Quartier zu verbessern. Solche Konzepte stellen einerseits ein Steuerungsinstrument der Kommunalverwaltung dar (vgl. Herrmann 2019: 157), dienen andererseits aber auch nach der Steuerungslogik der Public Governance dazu, einschlägige lokale Stakeholder – von Wohnungsunternehmen bis zur Bewohner:innenschaft – in die Strategie einzubinden (vgl. Schubert 2018: 22 ff.). Die zentralen Handlungsfelder betreffen den öffentlichen Raum und die Wohnumfeldqualität, die Wohnungsversorgung, die lokale Ökonomie sowie die Infrastrukturversorgung (sozial, kulturell, gesundheits- und bildungsbezogen).
3.2 Idealtypus des gemischten Stadtquartiers
Christa Reicher projiziert normativ den Idealtypus des „Stadt-Quartiers“, das im innerstädtischen Kontext mit guter Erreichbarkeit von Einrichtungen des täglichen Bedarfs verortet ist, eine Nutzungsmischung mit funktionierender Nahversorgung und eine demografische Mischung aufweist (also keine „Rollator-City“ ist) und darüber hinaus durch ein individuelles Erscheinungsbild, durch eine robuste Stadtstruktur und durch eine gute Verknüpfung mit der Stadt als Ganzes (also keiner „Verdorfung“ entspricht) gekennzeichnet ist (vgl. 2013: 197f.). Das Konzept der Nutzungsmischung läuft dabei Gefahr, überfordert zu werden, weil es das bauliche und kulturelle Erbe der Europäischen Stadt fortschreiben, die urbanen Verkehre minimieren, die soziale Integration fördern, Sicherheit gewährleisten und eine konfliktfreie Alltagsorganisation ermöglichen soll (vgl. Nieße 2020: 18).
Als zentrale materielle und physische Merkmale des Stadtquartiers werden die Baustruktur, die bauliche Dichte, die Anordnung der Baukörper, die Gestaltung der Fassaden, die Auswahl der Materialien und die Gestaltung eines hinreichend großen Freiraums genannt. Und als wichtige Kriterien gelten für das urbane Quartier erstens Aneignungsmöglichkeiten statt ästhetischer Überhöhung und zweitens soziale Offenheit statt abgeschotteter Idylle (vgl. Reicher 2013: 201).
Eine hohe Bedeutung kommt dabei dem Maßstab zu: Damit die Anordnung der Gebäude und die Außenräume als sicher erlebt werden können, bilden harmonische Maße und anthropologische Proportionen eine grundlegende Voraussetzung (vgl. Fischer 2013: 218). Als Referenzrahmen kann Jan Gehls Definition des menschlichen Maßes gelten (vgl. Gehl 2015: 51): Danach liegt das „soziale Gesichtsfeld“ in der Größenordnung zwischen 25 Meter (Erkennen von Emotionen und Gesichtsausdrücken, Grenze der Kommunikationswahrnehmung) und 100 Meter (Grenze der Sinneswahrnehmung menschlicher Bewegungen).
Dieses Gesichtsfeld korrespondiert mit der Mustersprache von Christopher Alexander und seinem Team; sie beruht auf anthropologischen Konstanten der Wahrnehmung komplexer räumlicher Situationen – gegliedert in die Umweltebenen Wohnung – vor dem Haus – in der Straße – im Quartier (vgl. 1995: 221). Als Wegbereiter einer raumfokussierten Quartiersplanung gilt auch Kevin Lynch, der in seiner Publikation „Das Bild der Stadt“ wichtige Eckpunkte aufgeführt hatte (vgl. ebd.: 220). Es handelt sich um die Kategorien: physische Ablesbarkeit (vgl. Lynch 1968: 14), Struktur, Einprägsamkeit und Orientierung (vgl. ebd.: 18ff.) – schließlich auch um die Elemente des Stadtbildes wie Wege, Merkzeichen, Grenzlinien, Brennpunkte und Bereiche (vgl. ebd.: 60ff.).
3.3 Quartiersspanne infolge variabler Größenordnung
Um die Praxis der Gemeinwesenarbeit, der Stadtplanung und des wohnungswirtschaftlichen Sozialmanagements genau auf eine Quartierssituation zuschneiden zu können, bedarf es eines Stufenmodells, das der unterschiedlichen Größenordnung des Siedlungszusammenhangs gerecht wird.
Was die Größe eines Quartieres betrifft, kann eine weite Spanne konstatiert werden (vgl. Abbildung 2). Neitzel formuliert dazu: „Eine Großsiedlung mit 30.000 Einwohnern kann ebenso ein Quartier bilden wie eine Einfamilienhaus-Siedlung mit weniger als 500 Bewohnern“ (2013: 182). George Galster konzeptualisierte – mit Bezug auf Gerald Suttles – ein mehrstufiges Modell des Quartiers (vgl. 2019: 38): (1) Kleinräumig wird zuerst die Ebene des Wohnblocks genannt, in dem Eltern ihren Kindern erlauben können, ohne Aufsicht zu spielen. (2) Die nächsthöhere Ebene wird als verteidigte Nachbarschaft („Defended Neighborhood“) bezeichnet, wobei die emotionale Bindung der Bewohner:innenschaft zu einem Kontrast und zu einer Abgrenzung gegenüber Nachbarquartieren führt. (3) Die darauffolgende Stufe trägt die Bezeichnung der Gemeinschaft mit beschränkter Haftung („Community of Limited Liability“), womit eine Größenordnung gemeint ist, in der die Bindung schwächer ausgeprägt ist und sich die Einzelnen nur noch selektiv am Quartiersleben beteiligen. (4) Das größte Quartiersformat der erweiterten Gemeinschaft mit beschränkter Haftung („Expanded Community of Limited Liability“) repräsentiert nach Galster einen verwaltungstechnisch definierten Stadtsektor. Der Zusammenhang dieses Mehrebenensystems wird über drei Dimensionen beschrieben: Die „Kongruenz“ der Bewohnerperspektiven mit Verwaltungsdefinitionen, die „Allgemeinheit“ der Raumübereinstimmung der Bündel von physischen, sozialen und anderen Attributen und schließlich die „Übereinstimmung“ der Quartiersvorstellung unter benachbarten Bewohnerinnen und Bewohnern (vgl. ebd.: 39).
Hier werden drei Stufen der Größenordnung als sinnvoll erachtet: (1) das Nachbarschaftsquartier (Kleinquartier) mit etwa 150 bis unter 500 Einwohner:innen in Mehrfamilienhäusern oder 50 bis 200 Einwohner:innen in Einfamilienhäusern, (2) das Wohnquartier als Summe mehrerer Kleinquartiere mit etwa 500 bis unter 1.000 Einwohner:innen; und (3) das durchmischte Stadtquartier mit etwa 1.000 bis 5.000 Einwohner:innen. Exemplarisch lassen sich die drei Stufen anhand von Quartieren in der Siedlung am Kronsberg in Hannover veranschaulichen, die in den 1990er Jahren anlässlich der Weltausstellung EXPO 2000 entstanden ist.
Abbildung 2: Quartiersspannen nach Form und Einwohner:innenzahl, Quelle: Autor.
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3.4 Nachbarschaftsquartier bzw. Kleinquartier
Im historischen Kontext wird der Baublock als kleinste Quartierseinheit verstanden: Im mittelalterlichen Stralsund wurden diese von Straßen abgegrenzten Vierecke als „Quartiere“ durchnummeriert. Diese Größenordnung, die in Bern als Kleinquartier bezeichnet wird, wird hier als – Gemeinschaft förderndes – „Nachbarschaftsquartier“ eingeordnet. Ein gutes Beispiel ist in Hannover auf dem Kronsberg mit der Wohnanlage „Habitat – Internationales Wohnen“ zu finden (vgl. Abbildung 3). Im Geoinformationssystem (GIS) der Landeshauptstadt Hannover repräsentiert das Nachbarschaftsquartier den Baublock Nr. 474006 (Quelle: https://www.hannover-gis.de/GIS/index.action [Zugriff 08.11.2020]).
In der Dokumentation „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat wird das Habitat-Projekt als Quartier mit 93 verschieden großen Wohneinheiten bezeichnet (Quelle: https://www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de/NSP/SharedDocs/Projekte/WSProjekte_DE/Hannover_Kronsberg_Habitat_InternationalesWohnen.html [Zugriff 08.11.2020]). Die fünf jeweils 3½-geschossigen Baukörper gruppieren sich um einen freiraumplanerisch von Bäumen gesäumten kleinen Platz und zwei Wohnhöfe mit Mietergärten. Außerdem ist ein Gemeinschaftshaus mit verschiedenen Räumen für den Gemeinbedarf und einem Service-Büro des Wohnungsunternehmens integriert. In diesem engen Radius leben etwa 250 Einwohner:innen.
Abbildung 3: Wohnanlage „Habitat – Internationales Wohnen“ auf dem Kronsberg in Hannover, Quelle: Autor.
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3.5 Wohnquartier
Auf der nächsten Ebene lassen sich mehrere Nachbarschaften zu einem größeren Quartier bündeln. Am hannoverschen Kronsberg könnten exemplarisch einige Nachbarschaftsquartiere zu einem größeren reinen Wohnquartier gruppiert werden, in dessen Zentrum sich ein grüner Stadtplatz als Knotenpunkt befindet (vgl. Abbildung 4). Das Habitat-Nachbarschaftsquartier könnte mit sieben weiteren Baublöcken zum Wohnquartier verbunden werden, die sich um eine Grünfläche in der Mitte (Baublock-Nr. 474008) gruppieren (Quelle: https://www.hannover-gis.de/GIS/index.action [Zugriff 08.11.2020]). In diesem Radius nehmen die Bewohnerinnen und Bewohner das Zusammenleben nicht mehr gemeinschaftlich wahr. Alternativ könnten unter Anwendung der physischen Abgrenzungsmethode der Sozialraumanalyse aber auch die 15 Baublöcke mit Wohnfunktionen (Nr. 474001 – 474017) des Statistischen Bezirks Nr. 474 „Kronsberg Mitte“ zu einem Wohnquartier zusammengefasst werden (vgl. Abbildung 5).
Dass in beiden Fällen die Grünfläche (Baublock-Nr. 474008) den Schwerpunkt bildet, korrespondiert mit Grundannahmen von Jane Jacobs; sie schreibt: „Funktionierende Parks sind niemals Grenzen oder Unterbrechungen im komplexen Gewebe der sie umgebenden Stadtfunktionen. Sie tragen im Gegenteil dazu bei, die verschiedenen Funktionen ihrer Umgebung zusammenzubringen, indem sie einen angenehmen Treffpunkt darstellen [...]“ (1963: 72). Stadtplätze und kleine Parks fungieren häufig als Mittelpunkt eines Wohnquartiers (vgl. ebd.: 74).
Abbildung 4: Wohnquartier „Krügers- und Jakobskamp“ auf dem Kronsberg in Hannover, Quelle: Autor.
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Abbildung 5: Wohnanlage „Kronsberg Mitte“ auf dem Kronsberg in Hannover, Quelle: Autor.
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In der „Pattern Language“ formulieren Christopher Alexander und sein Team, dass die Menschen „eine identifizierbare räumliche Einheit“ brauchen, zu der sie sich zugehörig fühlen (vgl. 1995: 85). Dieser Quartierszuschnitt liegt in der Größenordnung des gerade skizzierten Nachbarschaftsquartiers und der Bündelung solcher Kleinquartiere zu einem Wohnquartier. Der Zuschnitt weist eine relativ geringe Einwohner:innenzahl [von 500 – max. 1.500 EW] auf, ist flächenmäßig relativ klein [2 bis 3 Blocks um den eigenen Wohnstandort herum mit einem max. Durchmesser 300 m] und soll nicht durch eine trennende Hauptstraße durchschnitten werden (vgl. ebd.: 85ff.).
Die Vorstellung der Bündelung von Wohnblöcken zu einem Wohnquartier lag auch der Planung der Kronsbergsiedlung zugrunde. Die Stadtplanerinnen und Stadtplaner definierten das „Quartier Mitte“ in den 1990er Jahren mit den Worten (vgl. Abbildung 6): „Das Quartier Mitte besteht aus zwei Bereichen, die durch eine Hangallee voneinander abgesetzt sind. Für die Entwicklung des Wohngebietes um den Quartierpark Mitte war eine eigens gegründete private Grundstücksgesellschaft (IDB) verantwortlich. In einem Gutachterverfahren entwickelten die Architekten [...] die Idee, die Baufelder mit einer ‚Grünen Mitte‘ zu verknüpfen, die eine Verbindung von der Stadtbahn zum Landschaftsraum herstellt. Die Gebäude erhielten überwiegend Putzfassaden mit weißen oder bereichsweise mit hellen Gelb- und Blautönen. Kennzeichnend für dieses als ‚Kronspark‘ bezeichnete Wohngebiet ist außerdem die Bepflanzung der Wohnstraßen mit Eschen sowie der mit einem Baumhain umgebene Quartierpark“ (Landeshauptstadt Hannover 2000: 97).
Abbildung 6: Offizielle Quartiersgrenzen von Kronsberg Mitte, Quelle: Autor.
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In ähnlicher Weise wurde der nördliche Teil der Siedlung als „Quartier Nord“ definiert (vgl. Abbildung 7): „Nördlich der Wülferoder Straße gruppieren sich Baufelder mit unterschiedlichen Bauformen und abwechslungsreichen Innenhöfen um den zentralen Park. Die Bebauung ist geprägt durch Gebäude mit Klinker- und Putzfassaden in verschiedenen Kombinationen. Der Quartierpark mit einem zentralen Kiefernhain und die mit Robinien bepflanzten Wohnstraßen bestimmen den Charakter des Gebiets. Bestandteil des Quartiers Nord ist das Stadtteilzentrum, in dem sich die wichtigsten sozialen, kulturellen und kirchlichen Einrichtungen sowie Einkaufsmöglichkeiten befinden. Die Gebäude sind um einen zentralen Platz angeordnet, der mit Beteiligung der Kronsberg-Bewohner gestaltet wurde“ (ebd.: 55).
Die beiden Beschreibungen aus dem Jahr 2000 veranschaulichen, dass bereits in den 1990er Jahren begonnen wurde, im kommunalen Siedlungsbau dem neuen Typus einer einheitlichen städtebaulichen Quartierskonzeption gerecht zu werden, dessen Grundelemente aus Blöcken als gemeinschaftsfördernde kleine Nachbarschaftsquartiere bestehen und die die Einheitlichkeit über eine Gestaltungssatzung für Gebäude und Freiräume herstellen.
Abbildung 7: Offizielle Quartiersgrenzen von Kronsberg Nord, Quelle: Autor.
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3.6 Durchmischtes Stadtquartier
Auf dritten Größenordnungsebene werden Wohnquartiere zum Muster des „Stadtquartiers“ gebündelt, das zu einem Stadtteil als offizieller Verwaltungseinheit gehört. Am Kronsberg in Hannover könnten exemplarisch nahezu alle Wohnquartiere mit der Versorgungsinfrastruktur im Zentrum und mit den Unternehmen und Arbeitsplätzen am Rand zu einem großen nutzungsgemischten Quartier zusammengefasst werden. Für die eine und den anderen mag dabei eine Unschärfe zum Begriff des Stadtteils auftreten. Die statistischen Bezirke „Kronsberg Nord“ (Nr. 475) und „Kronsberg Mitte“ (Nr. 474) könnten in Verbindung mit den Baublöcken Nr. 471044 und 474022, in denen sich die Einzelhandelseinrichtungen und Dienstleistungen befinden, als durchmischtes Stadtquartier interpretiert werden (vgl. Abbildung 8). Im Beispiel von Hannover gehört das durchmischte Stadtquartier Kronsberg zum größeren Stadtteil Bemerode. (Quelle: https://www.hannover-gis.de/GIS/index.action [Zugriff 08.11.2020])
Abbildung 8: Durchmischtes Stadtquartier Kronsberg, Quelle: Autor.
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3.7 Historische und siedlungsstrukturelle Quartierstypologie
Neben der Größenordnung eines Quartieres spielt auch der Bezug zur siedlungsstrukturellen Epoche eine Rolle. Eine geeignete Quartierstypologie, die strukturelle Siedlungsmuster in einen historischen Kontext stellt, haben Schnur und Drilling vorgelegt (vgl. 2011: 15); darin werden folgende Typen unterschieden:
- Typisches Gründerzeitquartier (mit Miethäusern, auch Werkssiedlungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts);
- Quartier mit Gartenstadt- oder Reformwohnungscharakter (aus den 1910er bis 1930er Jahren);
- Nachkriegsquartier (häufig in Zeilenbauweise);
- (Groß-) Siedlungsquartier der Moderne (nach dem Prinzip „Urbanität durch Dichte“ in den 1960er und 1970er Jahren);
- Postmodernes Geschosswohnungsquartier (seit den 1980er Jahren);
- Einfamilienhausquartier und Dorfkernquartier (zeitunabhängig mit unterschiedlichen Bautypen und heterogener Gemengelage) [1].
Zu ergänzen ist als neuer Typus:
- Einheitliche städtebauliche Quartierskonzeption (seit den 1990er Jahren; vgl. Bensch 2020).
Allerdings ist zu beachten, dass die Quartiere mit dem typologischen Blick nicht als isolierte Inseln wahrgenommen werden dürfen. Jane Jacobs hat dazu betont, dass Quartiere keine „autarken, introvertierten Einheiten“ seien – die Stadt werde zerstört „durch ihre Aufteilung in eine Reihe von Kleinstädten“ (vgl. ebd.: 80). Sie sieht ein Problem von inselartigen Quartieren, die zu klein sind, und Problemen, die von außen kommen, gleichermaßen hilflos gegenüberstehen, weil ihnen Verbindungen, Zugänge und nicht zuletzt Macht- und Einflusspotenziale fehlen (vgl. ebd.: 86).
Jane Jacobs verweist in diesem Kontext auch auf das „Turf-System“. [2] Im übertragenen Sinn können sich Quartiere voneinander ab- und gegenseitig ausgrenzen – d. h. als Zonen von „Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Preisschildern“, die „in einem Turf mit symbolischem oder wirklichem Zaun [...] leben“ (vgl. ebd.: 43). Im Blick auf ein Quartier müssen daher immer auch die Fragen eine Rolle spielen, wie ein Quartier mit Nachbarquartieren verbunden ist und inwieweit bzw. auf welche Weise es fähig ist, soziale, kulturelle und ökonomische Beiträge für die Gesamtstadt zu leisten.
Eine Schwäche der Quartierstypologie von Schnur und Drilling besteht darin, dass das prozesshafte Wachsen eines Quartiers nicht berücksichtigt wird. Wie schon im Kapitel 2 erwähnt, hatte Hans Paul Bahrdt in diesem Kontext gefordert, dass Neubauquartiere behutsam über mehrere Bauperioden entwickelt werden sollen (vgl. Bahrdt 1973: 138f.). Und dies deckt sich auch mit der Realität der meisten Quartiere, weil im Rahmen von Arrondierungen und Nachverdichtungen bauliche Strukturen aus mehreren zeitlichen Epochen nebeneinander existieren. Statt auf Epochen der Entstehung zu fokussieren, kann ein Quartier alternativ mit den folgenden typologischen Merkmalen charakterisiert werden, um möglichen Mischformen gerecht zu werden (vgl. Bäumler o.J.; Bielefeld 2016; Schenk 2018):
- Typologie der Baustrukturen: Reihenbebauung (straßenbegleitende Aneinanderreihung von Parzellen), Blockbebauung (von Straßen allseitig umschlossene Parzellengruppe), Hofbebauung (mit innerer Erschließung von der Hofseite), Zeilenbauweise (lineare Baukörper mit stirnseitiger Ausrichtung zur Straße), Gruppenbauweise (Clusteranordnung von Gebäuden nach innerer Logik), Passage (überdachte Laden- und Geschäftsstraße), Solitär (Gebäude unterschiedlicher Maßstäblichkeit und Größenordnung ohne Anschluss an andere Gebäude)
- Gebäudetypologie: Wohngebäude (freistehendes Einfamilienhaus, Doppelhaus, Reihenhaus, Geschosswohnungsbau); Gebäude für Produktionsstätten, Handwerk und Industrie; Gebäude für landwirtschaftliche Einrichtungen; Hallen- und Lagergebäude; Bürogebäude; Gebäude für Handel, Einzelhandel und Großhandel; Hotels und Gebäude für das Gaststättengewerbe; Gebäude mit Funktionen des Gemeinbedarfs; Gebäude für Spezialfunktionen
- Typologie der Freiräume: Privat (Garten- und Hofflächen), öffentliche Verkehrsflächen (fahrender und Fußgängerverkehr), Aufenthaltsräume (befestigte Plätze, Parks, Grünverbindungen), Kulturlandschaft (Wald, Landwirtschaft), Natur (Schutzgebiete, Biotope)
- Besondere Akzente: Turm, Kirchturm, Markthalle, besondere Gebäude (z. B. historisch)
4. Sicherheit im Quartier
Die Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen (SIPA) ist ein interdisziplinäres Expertennetzwerk auf dem Gebiet der Kriminalprävention im Städtebau (vgl. http://www.sicherheit-staedtebau.de/). Sie setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden, Organisationen und Institutionen zusammen, die im weitesten Sinne das Planen und Bauen in Niedersachsen beeinflussen können. Mit der Unterzeichnung der „Vereinbarung über mehr städtebauliche Sicherheit und Kriminalprävention beim Planen und Sanieren von Wohnquartieren“ haben sie sich verpflichtet, in den Tätigkeitsfeldern der Architektur, des Städtebaus, der Wohnungswirtschaft, der Vertretung von Mieterinteressen und der Polizei dazu beizutragen, die Sicherheit im Wohnumfeld und im öffentlichen Raum zu erhöhen und so langfristig an der Verbesserung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger mitzuwirken.
Bisher hat die SIPA Kriterien und Leitfragen für die Berücksichtigung sicherheitsrelevanter Anforderungen und Fragestellungen im Städtebau auf den Maßstabsebenen des Wohnens im engeren Sinn und der öffentlichen Räume im Wohnumfeld erarbeitet. Diese Instrumente sollen die Akteure vor Ort befähigen, Wohngebäude und Ensembles in Städten und Gemeinden auf ihre Sicherheit hin nach Kriterien der sogenannten städtebaulichen Kriminalprävention zu beurteilen (vgl. Schubert 2005) – und gegebenenfalls Lösungsperspektiven für diagnostizierte Sicherheitsprobleme abzuleiten. So wurde in den Jahren 2008 und 2009 das „Niedersächsische Qualitätssiegel für sicheres Wohnen“ konzipiert und im Rahmen von interdisziplinär besetzten Workshops ausgearbeitet (vgl. Abbildung 9). Als zentrale Zielgruppen des Qualitätssiegels wurden Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und Eigentümergemeinschaften definiert. Nach den Workshops der Entwicklungsphase lag eine differenzierte Checkliste mit Kriterien vor, die seit der Implementierung im Jahr 2010 als Audit-Instrument für die Bewertung von Wohnanlagen eingesetzt wird (vgl. http://www.sicherheit-staedtebau.de/). In den Jahren 2012 und 2013 erarbeitete die Sicherheitspartnerschaft den Kriterienkatalog „Sichere Räume“, der darauf zielt zu vermitteln, wie sich die Kernaufgabe der städtebaulichen Sicherheitsvorsorge in öffentlichen Räumen untersuchen und gestalten lässt (vgl. Abbildung 9).
Abbildung 9: Maßstabsebenen der Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen (SIPA), Quelle: Autor.
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Seit dem Jahr 2021 setzt sich die SIPA mit dem Thema „Sicheres Quartier“ als weitere Maßstabsebene auseinander. In einem Vergabeverfahren des Landesbetriebs „Logistik Zentrum Niedersachsen“ wurde das Projekt „Entwicklung von Kriterien und eines Leitfadens für die Beratung, Planung und Bewertung von Quartieren unter kriminalpräventiven Aspekten“ ausgeschrieben. Das Büro „Sozial • Raum • Management“ wurde beauftragt, in Anlehnung an das Verfahren der Entwicklung der bereits bestehenden Produkte der SIPA die Verantwortung für den partizipativen Prozess zu übernehmen, in dem die Kriterienliste und der Leitfaden „Sicheres Quartier“ erarbeitet werden.
Wie bei den bestehenden Handreichungen sollen wiederum Kriterien gesammelt und zu einem Leitfaden verbunden werden, mit dem überprüft werden kann, was lebenswerte Quartiere kennzeichnet, die das Sicherheitsgefühl ihrer Bewohnerinnen und Bewohner stärken. Diesen Prozess begleitet ein interdisziplinärer Arbeitskreis von Fachleuten und Vertretungen der Zivilgesellschaft, damit bei der Entwicklung der Kriterien eine heterogene Mischung von Perspektiven der kommunalen Stadtplanung, der Wohnungswirtschaft, der gemeinwesenorientierten Quartiersarbeit, der Polizeistationen mit einem Quartiersbezug und von engagierten Bürgerinnen und Bürgern berücksichtigt werden können.
Wenn die „Sicherheit im Quartier“ vertieft betrachtet werden soll, ist es notwendig, sowohl den Prozess der Entwicklung als auch die Art des Ergebnisses in der Tradition der bisherigen Instrumentenentwicklung zu verfolgen (vgl. Schubert 2015). Die Suche, was lebenswerte Quartiere kennzeichnet, die das Sicherheitsgefühl ihrer Bewohnerinnen und Bewohner stärken, kann daher an die beiden bestehenden Handreichungen angelehnt werden. Ihnen liegt ein Konzept zugrunde, das die inhaltliche Strukturierung nach drei Schutzdimensionen vornimmt. Danach spielen sowohl
- die städtebaulich-architektonische Gestaltung und die technische Ausstattung als auch
- das Management der Flächen und Einrichtungen als auch
- die Verantwortungsübernahme der Nutzerinnen sowie Nutzer
eine wichtige Rolle, ob Bewohnerinnen und Bewohner sich sicher fühlen.
Die drei Dimensionen können auch beim Fokus auf „sichere Quartiere“ als Orientierungsrahmen dienen. Angepasst an die neue Aufgabenstellung lauten sie (vgl. Abbildung 10):
- Schutz durch architektonische und städtebauliche Quartiersgestaltung – dabei steht im Blickpunkt, wie ein Quartier physisch-symbolisch – im Sinn des absoluten Raumverständnisses – beschaffen sein muss, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner dort wohl und sicher fühlen können.
- Schutz durch das Management im Quartier – hierbei steht die Frage im Vordergrund, wie ein Quartier – im Verständnis eines System-Raums – durch Eigentümer:innen, Dienstleistende, lokale Institutionen usw. so gemanagt wird, dass sich die Bewohner:innenschaft in den alltäglichen Routinen sicher fühlt.
- schließlich fällt der Blick – in der Dimension Schutz durch die soziale Kohäsion im Quartier – noch auf Strukturen im Sinn des relationalen Raumverständnisses, wie die Bewohnerinnen und Bewohner informell selbst zur Sicherheit beitragen.
Abbildung 10: Dimensionen der Sicherheit eines Quartiers, Quelle: Autor.
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Die Abbildung 10 veranschaulicht, dass in dem dreidimensionalen Ansatz das absolute Raumverständnis mit dem relationalen verbunden wird, indem unter Bezugnahme auf ein physisch abgegrenztes und städtebaulich erfasstes Gebiet interne Organisationsmuster und Lebenswelten berücksichtigt werden.
4.1 Schutz durch architektonisch-städtebauliche Quartiersgestaltung
Die Dimension „Schutz durch die physische Quartiersgestaltung“ gilt als „Herzstück“ der städtebaulichen Kriminalprävention. Die zentralen Perspektiven und Handlungsfelder sind:
- Orientierung, räumliche An-/Zuordnung und gestalterische Klarheit im Quartier,
- Transparenz, Sichtachsen und Wegeführung im Quartier,
- Kontrolle von Zugängen und Abstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum,
- Technische Ausstattung und Beleuchtungskonzept im Quartier,
- die infrastrukturelle Anbindung des Quartiers.
Was diese Perspektiven der architektonischen und städtebaulichen Quartiersgestaltung bedeuten, haben Christopher Alexander und sein Team in der „Pattern Language“ (1977, dt. 1995) verdeutlicht. So wird im Muster Nr. 14 ein „identifizierbares Quartier mit der Begründung gefordert: „Menschen brauchen eine identifizierbare räumliche Einheit, zu der sie gehören“ (ebd.: 85). Laut Muster Nr.15 ist auch eine „Quartiersgrenze“ notwendig; denn ein Quartier kann seinen identifizierbaren Charakter nicht aufrechterhalten, „wenn die Grenze zu schwach ist“ (ebd.: 91). Das wichtigste Kennzeichen dieser Grenze sei der „der eingeschränkte Zutritt“ von außen, der beispielsweise durch eine Minimierung der Straßen und ihre Schließung erreicht werden kann. Das Muster Nr. 53 „Haupttore“ knüpft daran an: Jeder Teil einer Stadt – ob groß oder klein, der in irgendeiner Weise als Quartier identifiziert werden soll, „wird gestärkt, besser unterscheidbar, gekennzeichnet und erlebbar, wenn die Zugangswege an der Grenze durch Tore markiert sind“ (ebd.: 295). Alexander et al. kritisieren: „Wenn der Punkt, an dem der Weg die Grenze überquert, unsichtbar ist, dann ist die Grenze im Grunde nicht vorhanden“ (ebd.: 295). Aber es muss nicht ein Tor im wörtlichen Sinn sein; Markierungen an den Eintrittsstellen können auch eine Allee, eine Brücke, eine Toreinfahrt durch ein Gebäude oder ein Durchgang zwischen eng aneinander stehenden Häusern sein (vgl. ebd.: 295f.).
Auch Jane Jacobs hat die ästhetische Unterstützung der funktionellen Ordnung eines Quartiers durch den Städtebau angemahnt. Damit das Quartier als Ort nicht anonym bleibt, müsse die Stadtgestaltung die innere Ordnung nach außen andeuten und kenntlich machen – zum Beispiel durch optische Unterbrechungen der Straßen (wie die Bildung von Ecken, Platzräumen und sogenannten Pockets/Raumtaschen) und durch die Schaffung von Blickpunkten (vgl. Jacobs 1963: 194ff.). „Akzente sind Orientierungshilfen“ (197) – mit baulichen Akzenten der Ordnung soll optisch betont und angezeigt werden, dass ein bestimmter Ort funktionell wichtig ist.
Jane Jacobs weist aber auch auf Probleme mit Grenzzonen hin, wenn „massiert auftretende einseitige Nutzungen“ die Peripherie eines Quartiers bilden (vgl. ebd.: 146). Grenzen mit intensiver einseitiger Nutzung – wie zum Beispiel Eisenbahnstrecken oder großflächige Gewerbeareale – neigen dazu, „Leerräume in ihrer Umgebung zu erzeugen“ (vgl. ebd.: 147). Deshalb verweist sie auf Kevin Lynchs Studie „The Image of the City“, nach der ein Rand mehr sein muss als nur eine alles beherrschende Grenze (vgl. Lynch 1968: 78ff.). Wenn eine solche Grenze im Zusammenhang mit den Quartieren auf beiden Seiten konstruiert wird, bildet sie eher einen Saum anstatt einer Grenze: „Dann wird sie zu einer Nahtstelle, die zwei Gebiete zusammenhält“ (Jacobs 1963: 151). Die Gestaltung der Natur- und Freiräume als Säume und Grünfinger kann die Quartiersbildung somit in besonderer Weise unterstützen.
Ein weiterer zentraler Punkt betrifft die Nutzungsmischung: Schon seit den 1960er Jahren wird betont, ein Quartier müsse mehr als einer primären Funktion dienen (vgl. ebd.: 95). Die Nutzungen sollen sich kleinräumig gegenseitig ergänzen: „Dieses allgegenwärtige Prinzip ist die Notwendigkeit von untereinander abhängigen, feinkörnig gesäten, verschiedenartigen Nutzungen, die sich ständig gegenseitig, sowohl wirtschaftlich als auch sozial gesehen, stützen“, schreibt Jane Jacobs (ebd.: 17). Dies betrifft sowohl die Verteilung von Arbeitsplätzen im Quartier, damit sie von jeder Wohnung aus gut erreichbar sind, als auch die Streuung der Versorgungseinrichtungen wie Läden und Dienstleistungsangebote (vgl. Alexander et al. 1995: 59).
Laut der Pattern Language sollen Gemeinschaftseinrichtungen gemäß Muster Nr. 30 zu „Aktivitätsknoten“ im Quartier gebündelt werden: „Damit Menschenansammlungen in einer Gemeinde entstehen, müssen Einrichtungen dicht um kleine öffentliche Plätze gruppiert werden, die als Knotenpunkte dienen können. Die Wege müssen so organisiert sein, dass alle Fußgängerbewegungen durch diese Knoten führen“, schreiben Christopher Alexander und sein Team (ebd.: 175). Das Muster wird folgendermaßen erläutert: Im Knoten sollen die Wege des Quartiers zusammenführen, die damit verbundenen Plätze eher klein gehalten werden [d. h. im Maß von ca. 15m x 20m], damit die Aktivität konzentriert bleibt, und die zu einem Knoten gruppierten Einrichtungen sollen untereinander über symbiotisch-kooperative Beziehungen verbunden sein (ebd.: 175ff.). Der Standort soll so im Quartier ausgewählt werden, dass keine Wohnung mehr als einige hundert Meter von einem Knoten entfernt ist.
Im weiteren Prozess der Entwicklung von überprüfbaren Kriterien zum Thema „Sicherheit im Quartier“ ist weiter zu konkretisieren, ob die genannten Aspekte für lebenswerte Quartiere, die das Sicherheitsgefühl ihrer Bewohnerinnen und Bewohner stärken, grundlegend sind und ob noch andere in Betracht zu ziehen sind. Meisel führt folgende Aspekte zum Quartier als physische Struktur auf, die – bei Relevanz für die Sicherheitswahrnehmung – zu Prüfkriterien zu operationalisieren sind (vgl. 2013: 45): städtebauliche Struktur, öffentliche Räume, Grün- und Erholungsräume, Verkehrserschließung, Ver- und Entsorgung, öffentliche und halböffentliche Infrastruktur, medizinische, kulturelle, sportorientierte und freizeitorientierte Infrastruktur, Eigentümerstruktur, Nutzerstruktur, Gebäudetypologien, Erhaltungszustände, Veränderbarkeit, Identität und symbolische Bedeutung. Darüber hinaus seien Aspekte zu berücksichtigen, die ein Quartier als Kulturraum kennzeichnen (vgl. ebd.: 46): Denkmäler und Denkmalgebäude, Anlagen besonderer Bedeutung, symbolische Zeichen, Kultureinrichtungen und Kulturobjekte, künstlerische Gestaltung, besondere Naturräume, Geschichten und Mythen, Rituale als Handlungen (z. B. Schützenfest, Karneval u. ä.) und lokale Eigenlogik. Und drittens solle die Wirtschaftsstruktur eines Quartiers in den Blick genommen werden. Meisel schlägt vor, den Standort und Lagekriterien, die Einordnung in den lokalen Wohnungsmarkt inklusive der Entwicklung der Nachfrage sowie das Miet- und Preisniveau zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 45). Dazu gehören auch die lokale Ökonomie, ihre lokalen Kunden- und Zielgruppen sowie die Ertragsperspektiven.
4.2 Schutz durch das Management im Quartier
Das Management im Quartier betrifft die Koordination von professionellen und ehrenamtlichen Akteur:innen, die aus verschiedenen Ressortperspektiven im Rahmen einer gegenseitigen Abstimmung von Maßnahmen zur alltäglichen Quartiersqualität – und somit auch zur Sicherheit – beitragen. Im Blickpunkt stehen auf der professionellen Seite Prozesse der Zusammenarbeit zwischen:
- Unternehmen der Wohnungswirtschaft, Genossenschaften und anderen privaten Gebäude- und Wohnungseigentümer:innen;
- Wirtschaftsunternehmen, Gewerbetreibenden – z. B. Einzelhandel und Dienstleistenden;
- Initiativen der Bewohner:innenschaft;
- Träger der Wohlfahrtspflege;
- Einrichtungen der Jugendhilfe;
- Einrichtungen der Altenhilfe;
- Bildungseinrichtungen;
- die lokale Freiwilligenagentur;
- örtliche Polizei
- Ver- und Entsorgungsunternehmen, z. B. Abfallwirtschaft, Straßenreinigung
- öffentliche (Verwaltungs-) Stellen wie z. B. Wirtschaftsförderung, Stadtplanungsamt, Jugend-, Sozial- und Wohnungsamt etc.;
- der kommunale Präventionsrat;
- kirchliche Einrichtungen
- andere zivilgesellschaftliche Akteur:innen wie z. B. Vereine.
Im Rahmen dieser Kooperationen werden Verfahren ausgehandelt – wie z. B. die Beseitigung „wilden“ Abfalls, wenn Sperrmüll vor einem Haus steht oder eine Fläche bzw. ein Platz stark verunreinigt ist, oder die Instandsetzung, wenn Beschädigungen der Möblierung vor Häusern, im öffentlichen Raum, auf Grünflächen oder auf Spielplätzen festgestellt werden. Weitere Ergebnisse der Zusammenarbeit können Absprachen sein – z. B. mit der örtlichen Polizei, um die Sicherheitssituation im Quartier zu festigen, oder mit der örtlichen Stadtplanung oder einem Architekturbüro, um sicherheitsfördernde bauliche Standards im Quartier zu realisieren.
Es geht aber auch um das Engagement der politischen Mandatsträger in dem betreffenden Stadtraum und von Fachbereichen der Kommunalverwaltung für das Quartier. Auf der Ebene der Kommunalverwaltung ist eine Verbindung verschiedener Geschäftskreise zu einem abgestimmten konzertierten Handeln sinnvoll. Sie können eine gemeinsame Strategie verfolgen, um ein Quartier zu stärken.
Neben sozialkulturellen Strategien der Gemeinwesenarbeit zum Aufbau von Kommunikationsstrukturen und zur Aktivierung der Bewohner:innenschaft werden programmatische Aktivitäten von beteiligten Organisationen oder Professionen integriert. Die integrierte Vorgehensweise zielt auf eine Zusammenarbeit aller Beteiligten, damit sie mit ihren vernetzten Entscheidungen und Festlegungen dazu beitragen können, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner im Quartier sicher fühlen können. In den Quartieren kann auch eine Infrastruktur zur Verfügung stehen, die von der Kommune oder einer Wohnungsgesellschaft betrieben wird. Sie fungiert als Kontaktstelle für Bewohnerinnen und Bewohner: Initiativen und Aktivitäten werden von dort aus organisiert. Im Idealfall steht beispielsweise in Erneuerungsquartieren dafür eine hauptberufliche Kraft zur Verfügung (z. B. im Büro des Quartiermanagements), in anderen Quartieren eine Anlaufstelle für die Selbstorganisation der Bewohnerinnen und Bewohner.
Im Allgemeinen kann sich das Management im Quartier auf unterschiedliche soziale Maßnahmen für die Wohnbevölkerung im Allgemeinen und für Zielgruppen im Besonderen beziehen. Die LAG Soziale Brennpunkte Niedersachsen e. V. listet auf ihrer Internetseite zahlreiche Beispiele auf (vgl. https://www.gwa-nds.de/3-was-wird-gefoerdert [Zugriff 25.11.2020]); dazu können gehören:
- der Aufbau bzw. die Weiterentwicklung einer Anlaufstelle vor Ort mit „Kümmerer“-, Vernetzungs-, Beratungs- und Vermittlungsfunktionen;
- die Aktivierung und Unterstützung von Selbstorganisation und Beteiligung, die Förderung von Selbsthilfe und Partizipation;
- die Förderung der Kommunikation im Quartier – z. B. über eine Mieterzeitung und geeignete Versammlungsformate, Quartiersspaziergänge und ähnliches;
- die Gestaltung von Formen der Bürgerbeteiligung, um Bewohnerinnen und Bewohnern die Chance zu eröffnen, in Planungen mitzuwirken;
- der Auf- und Ausbau geeigneter Kooperationsstrukturen mit den Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Sportvereinen, anderen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und der Gemeinde;
- die Abstimmung von Angeboten der kirchlichen Einrichtungen, der Einrichtungen der Jugend- und Altenhilfe, der Bildungseinrichtungen und anderen Einrichtungen des Gemeinbedarfs sowie zwischen Vereinen, Verbänden und Initiativen – bis hin zu lokalen Kunst- und Geschichtsvereinen;
- die Stärkung der Integration der verschiedenen Bevölkerungs- und Interessengruppen im Quartier und Wohngebiet;
- eine lokale Anlaufstelle mit bedarfsgerechter Beratung zu unterschiedlichen Fragestellungen sowie mit einer Vermittlung zu Diensten und Angeboten;
- die Etablierung eines Beschwerdemanagements und eines Verfahrens zur Mediation von Konflikten;
- die Schaffung und Einrichtung von Räumen der Begegnung;
- die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnqualität, des Wohnumfeldes und des öffentlichen Raums einschließlich kriminalpräventiver Maßnahmen;
- Maßnahmen zur Verbesserung des Ansehens des Wohnquartiers und zur Öffentlichkeitsarbeit;
- die Bündelung von personellen und materiellen Ressourcen für die Aufgaben im Quartier oder das Vorhandensein eines Budgets für offen gestaltbare Maßnahmen.
In diesem Kontext stellt sich auch die Frage nach dem Management digitaler Angebote, um das Quartier zu stärken. Reckwitz hat hervorgehoben, dass mit den Social-Media-Plattformen das Risiko der „maschinellen Singularisierung“ – und damit weitergehend einer weiteren Zersplitterung der Gesellschaft – verbunden ist (vgl. 2017: 72ff.). In der Gegenperspektive kann die Bereitstellung von digitalen Medien – beispielsweise durch ein Wohnungsunternehmen oder Gemeinbedarfseinrichtungen – allerdings auch eine Stärkung des Quartierszusammenhangs eröffnen.
4.3 Schutz durch die soziale Kohäsion im Quartier
Der interne Zusammenhalt in einem Quartier bezieht sich auf die unterstützenden Beziehungen und Interaktionen sowohl in der Bewohner:innenschaft als auch zwischen den Benutzerinnen und Benutzern der lokalen Gelegenheiten, durch die ein Gefühl der Verbundenheit und weitergehend der Sicherheit generiert und aufrechterhalten wird. Laut Christopher Alexander et al. (vgl. 1995: 45) kann das Zusammenleben einer „breiten Vielfalt von Bevölkerungsgruppen und Subkulturen“ – also ihre Heterogenität – als ein wichtiges Strukturmerkmal der Stadt angesehen werden. Das Quartier soll diese Vielfalt durch die gegenseitige Unterstützung und durch gemeinsam geteilte Werte fördern (vgl. ebd.: 46). Diese soziale Kohäsion im Quartier bildet die Grundlage, ob die Bewohnerinnen und Bewohner sich dort wohl und sicher fühlen.
Nach Jane Jacobs wird das Vertrauen im Quartier im Rahmen von vielen „Bürgersteigkontakten“ gebildet; sie schreibt im Wortlaut (1963: 46f.):
„Wenn man im Laufe der Zeit den gleichen Fremden auf der Hudson Street drei- oder viermal gesehen hat, beginnt man zu grüßen. Es ist fast wie ein Bekanntschaftschließen, eine öffentliche Bekanntschaft selbstverständlich“.
Das gegenseitige Vertrauen – als Voraussetzung des Sicherheitsgefühls im Quartier – entsteht aus beiläufigen Kontakten auf dem Bürgersteig, beim Bäcker oder vor der Kindertagesstätte. Jane Jacobs ergänzt dazu wörtlich (ebd.: 46):
„Die meisten dieser Kontakte sind trivial, aber die Summe aller Kontakte ist nicht im Geringsten trivial. Die Summe solch beiläufiger öffentlicher Kontakte [...] ist ein Gewebe öffentlicher gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Vertrauens und bedeutet eventuellen Beistand in Zeiten persönlicher oder nachbarschaftlicher Bedrängnis“.
Der soziale Zusammenhalt der Bewohnerinnen und Bewohner reicht über das gegenseitige Grüßen, über öffentliche Kontakte bis hin zu gegenseitigem Hilfeaustausch und repräsentiert als Sozialkapital einen wichtigen Schutzmechanismus im Quartier.
Darüber hinaus zeigt sich auch die hohe Bedeutung von Läden und anderen öffentlichen Orten entlang des Bürgersteigs. Ein Laden, ein Kiosk und andere öffentliche Orte erzeugen die Sicherheit im Quartier quasi mit: Die Ladenbesitzer und kleinen lokalen Unternehmer nehmen die Rolle von „prädestinierten Straßenbeobachtern“ ein und fungieren dadurch als „Garanten für Ruhe und Ordnung“ (vgl. ebd.: 33). Und dieser Zusammenhalt bildet „ein Netz von Torhütern, Aufsehern, [...], eine Art Angestelltennachbarschaft“, die dafür sorgt, dass das Quartier mit Augen auf der Straße versorgt ist (vgl. ebd.: 36).
So betrachtet wird die öffentliche Sicherheit im Quartier nicht primär von der Polizei aufrechterhalten, sondern „durch ein kompliziertes, fast unbewusstes Gewebe aus freiwilliger Kontrolle und grundsätzlichen Übereinkommen unter den Menschen selbst getragen und durchgesetzt“ (ebd.: 29). Ausschlaggebend sind dabei drei Haupteigenschaften: „Erstens muss zwischen dem der Öffentlichkeit bestimmten und dem privaten Raum eine klare Abgrenzung vorhanden sein. [...] Zweitens müssen Augen auf die Straße gerichtet sein, Augen, die denen gehören, die wir die natürlichen Besitzer der Straße nennen können. [...] Und drittens muss ein Bürgersteig ziemlich durchgehend Benutzer haben, sowohl um die Menge beobachtender Augen auf der Straße zu erhöhen als auch um genügend Menschen in den Häusern darüber anzuregen, auf die Straße zu sehen“ (ebd.: 32).
Auch in dieser Dimension spielen digitale Plattformen eine Rolle: Während unter der Management-Perspektive das Angebot im Vordergrund steht, stellt sich hier die Frage nach der praktischen Nutzung. Aus der eigenen Erfahrung des Autors können WhatsApp-Gruppen im Quartier angeführt werden. So gibt es Nachbarkreise, die die Bekämpfung des Buchsbaumzünslers oder das Ausbringen von Nematoden gegen den Dickmaulrüssler im Garten plattformgestützt koordinieren. Ein anderes Beispiel sind WhatsApp-Gruppen, in denen Verabredungen zu Spaziergängen mit dem Hund getroffen werden, aber auch Warnhinweise gegeben werden, wenn im angrenzenden Stadtwald Hundeköder gefunden wurden. Schließlich wird auch die App der – in Deutschland am weitesten verbreiteten – digitalen Nachbarschaftsplattform Nebenan.de genutzt, um zu wissen, was im Quartier los ist und wer welches Anliegen hat. Auf Nebenan.de bieten die Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers Gegenstände wie auf dem Trödelmarkt, aber auch Informationen, Hilfeleistungen und kulturelle Kompetenzen an. In Hannover wurde der Quartierszuschnitt in Abstimmung zwischen Verantwortlichen der Plattform mit Fachleuten der Stadtverwaltung konstruiert. Während der Covid-19-Pandemie wurde beispielsweise sehr häufig das Einkaufsangebot für ältere oder kranke Personen in der Nachbarschaft gepostet. Dadurch wird der gesellschaftliche Zusammenhalt im Quartier gefördert (vgl. Heinze et al. 2019: 26).
Allerdings wird die Nachbarschaftsplattform Nebenan.de vor allem in Quartieren genutzt, in denen der Anteil benachteiligter Bevölkerungsgruppen relativ gering ist – insofern überlagern sich die sozialräumliche Spaltung und die digitale Segregation (vgl. Kurtenbach 2019: 115ff.). Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, in den Blick zu nehmen, ob es im Quartier Bemühungen gibt, die Bewohner:innenschaft durch eine digitale Plattform zu unterstützen und dadurch ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln.
Neben der Perspektive auf den sozialen Zusammenhalt einerseits durch die alltäglichen Begegnungen und Interaktionen in öffentlichen und halböffentlichen Räumen des Quartiers und andererseits durch Nachbarschaftsplattformen ist die Perspektive auch auf die territoriale Steuerung im Kontext lokaler Netzwerke nach dem Steuerungsstil der Public Governance (vgl. Schubert 2018: 22ff.) sowie im Kontext von Bürger:innenaktivierung und Stärkung des lokalen Sozialkapitals zu richten (vgl. Schnur 2013: 17f.). Meisel schlägt vor, dazu die Ausgestaltung der Partizipation, Kooperation und Integration näher zu betrachten – Indikatoren dafür könnten sein: die Anzahl aktiver Netzwerke, die Etablierung partizipativer Regimeformen, die angemessene Einbindung von Mietervereinigungen und Mieterverbänden, das Engagement von Quartiersmitgliedern im Stadt-/Gemeinderat bzw. im Orts-/Stadtbezirksrat, in einem Mieterbeirat/Quartiersrat, im Jugendgemeinderat, im Seniorenbeirat, im Ausländerbeirat/Integrationsbeirat, im Behindertenbeirat, in einem Präventionsrat, die Artikulation von Bürgerinteressen in offenen Bürgergremien und politischer Interessenvertretungen sowie besondere Quartiersinitiativen (vgl. 2013: 45).
Eine Schlüsselrolle spielen auch Formen der Selbstorganisation in der Bewohner:innenschaft und Formen des gemeinschaftlichen Betriebs von Wegen, Freiflächen (Allmende), Energieanlagen, Treffpunkten oder gemeinschaftlichen Einrichtungen. Von Interesse ist außerdem, ob das ehrenamtliche Engagement von Bewohnerinnen und Bewohnern und nachbarschaftliche Gemeinschaftsformen im Quartier gefördert werden.
5. Ausblick
Im weiteren Prozess wird der interdisziplinäre Arbeitskreis von Fachleuten und Vertretungen der Zivilgesellschaft in den skizzierten Dimensionen geeignete mess- oder beobachtbare Kriterien auswählen und zum Leitfaden verbinden. Der Leitfaden dient im ersten Schritt dazu, die Situation eines exemplarischen Quartiers umfassend und faktenbezogen zu betrachten. Nach der Analyse dieser Informationen und der Planunterlagen des Quartiers kann eine qualitative Bewertung erfolgen, ob das Quartier das Sicherheitsgefühl seiner Bewohnerinnen und Bewohner stärkt.
Für diesen zweiten Schritt ist ein geeignetes Setting zu entwickeln – wie z. B. eine Quartiersbegehung, Fahrradrouten durch das Quartier und ein vertiefendes Fachgespräch mit Quartiersakteuren. Die Quartiersspaziergänge und -fahrradrunden sind geeignet, um die qualitative Erfüllung von Schlüsselkriterien der architektonischen und städtebaulichen Quartiersgestaltung zu bewerten. Das Fachgespräch mit Schlüsselpersonen des Quartiers ist notwendig, um die Kriterien Prozesse der Zusammenarbeit und der professionellen Sicherheitskonstruktion im Quartier im Rahmen eines präventiven Managements anzuwenden, aber auch um die Maßnahmen zur sozialen Teilhabe, zur Befähigung eigenverantwortlichen Handelns und zur Förderung der sozialen Kohäsion im Quartier zu beleuchten.
Der „rote Faden“ der zu erarbeitenden Kriterien wird wahrscheinlich mit den Ergebnissen des CPTED-Diskurses [3] in den USA korrespondieren, der – unter Bezugnahme auf den New Urbanism – zum Konzept des lebenswerten und fußgängerfreundlichen Quartiers geführt hatte („concept of livable and walkable communities”, vgl. Atlas 2013: 407). Zugrunde liegt das Leitbild: „building communities, not just houses” (Einen Quartierszusammenhang bauen, nicht nur eine Ansammlung einzelner Häuser – ebd.: 402). Das Konzept geht von den folgenden Voraussetzungen aus (vgl. ebd.: 406): (1) In fußläufiger Erreichbarkeit gibt es eine Mischung von Gebäude- und Wohnungstypen sowie von soziokulturellen Zentren, Einkaufsgelegenheiten und anderen Nutzungen. (2) Unter der Bewohner:innenschaft herrscht eine soziale Mischung vor, die eine große Vielfalt ermöglicht. (3) Die Maßstäblichkeit des Fußgänger:innen- und Fahrradverkehrs ist sowohl auf den Straßen als auch im Quartier als Ganzes dominant. (4) Der Verkehr zwischen Fußgänger:innen- und motorisierten Fahrzeugaktivitäten befindet sich im Gleichgewicht. Auf dieser Grundlage wurden die folgenden Prinzipien abgeleitet, die auch für die Auseinandersetzung im deutschsprachigen Raum als „roter Faden“ fungieren können (vgl. ebd.: 406-420):
- Das Quartier hat ein erkennbares Zentrum und Kanten bzw. deutliche Ränder.
- Die Eingänge in das Quartier oder in einen Quartierspark sind durch eine geeignete Gestaltung gekennzeichnet.
- Prominente Standorte sind für zivilgesellschaftlich genutzte Gebäude oder Flächen reserviert.
- Gebäude im Zentrum des Quartiers wenden sich nah zur Straße hin.
- Die meisten Wohnungen befinden sich nur wenige Gehminuten vom Zentrum des Quartiers entfernt.
- Die Anordnung der Gebäude an den Wegen erfolgt nach dem Konzept der „Augen auf die Straße“.
- Es gibt Geschäfte und Büros im Kern und am Rande des Quartiers.
- Durch eine Vielfalt in der Flächennutzung – d.h. Nutzungsmischung – ist das Quartier zu allen Tageszeiten belebt.
- Im Quartier gibt es eine Vielzahl von Wohnungstypen.
- Die meisten Kinder können von ihrer Wohnung aus zu Fuß zur Grundschule gehen.
- Die Flächennutzung ist so strukturiert, dass die Raumnutzung von unterschiedlichen Benutzergruppen – wie z. B. Ältere und Jugendliche – konfliktfrei bleibt.
- Öffentliche und halböffentliche Bereiche werden durch die Landschaftsgestaltung klar gekennzeichnet.
- Die Straßen im Quartier bilden ein verbundenes Netz; sie sind übersichtlich und von Baumreihen beschattet.
- Es gibt „sichere Wege“ entlang bestimmter Routen oder bestimmter Pfade, auf denen insbesondere Fußgänger und Radfahrer geleitet werden.
- Das Quartier verfügt über ein hinreichendes Beleuchtungskonzept.
- Zur Orientierung wird das Finden der Wege durch Beschilderungen erleichtert.
- Das Erscheinungsbild eines Quartiers trägt dazu bei, dass Nutzerinnen und Nutzer eine Ortsbindung und territoriale Verantwortung entwickeln.
- Die soziale Verbundenheit reicht über das Quartier hinaus, indem soziale und physische Beziehungen in Nachbarquartiere und andere Teile der Stadt bestehen, das Quartier also nicht isoliert von den umliegenden Stadtgebieten existiert.
- Die Bewohnerinnen und Bewohner organisieren sich selbst, um ihre Belange im Quartier gemeinsam zu gestalten – und diese Formen der Selbstorganisation werden von lokalen Organisationen und Institutionen gefördert.
Abschließend muss betont werden, dass der analytische Blick kontinuierlich auch auf die benachbarten Quartiere zu richten ist, um eine mögliche Vertreibungs- bzw. Verdrängungsproblematik von Unsicherheitsfaktoren (displacement) berücksichtigen zu können (vgl. Lukas/Coomann 2021).
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Zimmer-Hegmann, Ralf/Fasselt, Jan (2006): Neighbourhood Branding – ein Ansatz zur Verbesserung des Images von Großwohnsiedlungen. Erste Erfahrungen aus einem INTERREG III B-Projekt. Informationen zur Raumentwicklung, Heft 3/4.2006, 203-214.
Fußnoten
[1] Knabe (2007) unterscheidet: das Gründerzeitquartier, das Genossenschaftsquartier der 1920er/1930er Jahre, das Nachkriegsquartier der 1950er/1960er Jahre, das Großwohnquartier der 1960er/1970er Jahre, das Mehrfamilienhausquartier ab den 1980er Jahren, das Neubauquartier seit 2000 und das Einfamilienhausquartier. Hoffmeyer-Zlotnik (2001) hat neun Quartierstypen empirisch abgeleitet: Zentrum erster Ordnung, nachgeordnetes Zentrum, Zone im Übergang (innerstädtisches Expansionsgebiet), Mietskasernenquartier, Wohnquartier der Reihen und Zeilen, Wohnquartier der peripheren Einzelhausbebauung, Villenviertel und ländlich-vorstädtisches Quartier. Eine andere – sozialstrukturell fokussierte – Quartierstypologie, die im Rahmen einer Clusteranalyse mit Bevölkerungs- und Sozialdaten der Stadt Gelsenkirchen erstellt wurde, umfasst als Typen: (1) Quartiere mit vergleichsweise vielen alleinlebenden Älteren und leichten Armutstendenzen Älterer; (2) Quartiere mit vielen Älteren, wenig Armut und weniger Menschen mit Migrationshintergrund; (3) Quartiere mit vielen Familien, Armutsquoten leicht unter dem Durchschnitt und leicht überdurchschnittlichen Anteilen von Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. Grates et al. 2018). Im Sozialbericht der Landeshauptstadt Hannover werden Sozialraumtypen angewendet, die ebenfalls räumliche und soziale Merkmale koppeln: Urbane Zentrumsquartiere, neue etablierte Quartiere, sozial angespannte Quartiere, Quartiere mit einfacheren materiellen Standards, gut situierte Quartiere, neue Familienquartiere. Quartierstypen, die in der Stadt Berlin genutzt werden: Geschlossene Blockbebauung (bis 1918), Kerngebiet, Mischgebiet, lockere Zeilenbebauung des 20. Jahrhunderts), entkernte Wohnblöcke der Sanierungsgebiete, kompakte hohe Siedlungsbebauung der 1990er Jahre, Großsiedlung mit Abstandsgrün, lockere niedrige Siedlungsbebauung der 1990er Jahre, Wohnquartier mit Einfamilienhäusern, ... mit Reihenhäusern, Wohngebiet mit heterogener Struktur, Dorfgebiet, Ortsmitte (https://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/e_abb/b605_01.pdf [08.11.2020]). Empirica wandte in einer Studie für den Regionalverband Ruhr folgende Gliederung an: Einfamilienhausgeprägte Quartiere, innerstädtische Geschosswohnungsbauquartiere, Geschosswohnungsbauquartiere der 1950er bis 1970er Jahre, gemischte Wohnquartiere, Großwohnsiedlung, Arbeitersiedlung. Das Quartier erhält auch unter dem Blickwinkel der integrierten energetischen Sanierung hohe Bedeutung. Kommunale Entwicklungsziele der Nachhaltigkeit und Förderprogramme setzen daran an; die energetische Quartiersentwicklung wird als Teil einer übergreifenden Stadtentwicklungsstrategie verstanden. Dabei werden folgende Quartierstypen differenziert: historischer Ortskern, gründerzeitliches Mischquartier, Zechen- und Werkssiedlung, Siedlung der frühen 1950er und 1960er Jahre, Einfamilienhausgebiet der 1950er bis 1970er Jahre einerseits im ländlich geprägten Raum und andererseits in Ballungsrandlage, Großwohnsiedlung der 1960er und 1970er Jahre, ländlich geprägte Ortslage/Dorfkern (https://www.mhkbg.nrw/themen/bau/wohnen/primaklimawohnen/2-quartiere-auswaehlen [08.11.2020]).
[2] Turf = Rasenstück – territorial: Gebiet; turf war = Revierkampf, Gebietsstreitigkeit – In seiner historischen Form hat sich eine Bande ein Siedlungsgebiet als Turf angeeignet, das die Mitglieder anderer Banden nicht betreten dürfen.
[3] Crime Prevention Through Environmental Design
Zitiervorschlag
Schubert, Herbert (2021): Quartier und Sicherheit – Über sozialräumliche Perspektiven von Lebensqualität. In: sozialraum.de (13) Ausgabe 2/2021. URL: https://www.sozialraum.de/quartier-und-sicherheit.php, Datum des Zugriffs: 21.12.2024